KultusministerInnen wollen Bachelor als Regelabschluss
So klar stand das noch in keinem offiziellen Papier: Die Normalstudis der Zukunft sollen möglichst schnell mit dem Nürnberger Trichter abgefüttert werden und nach drei Jahren mit einem Bachelor an der Brust von der Uni verschwinden, um sich auf dem Arbeitsmarkt zu bewähren. Etwas mehr Anspruch gibts nur für ein paar "Exzellente" in den Masterstudiengängen; Exzellenz misst sich hierbei allerdings nur in Noten. Wer von den weniger Exzellenten nach ein paar Jahren "Karriere" feststellt, dass ein Master doch ganz fein ist, kann sich dann für exzellent viel Geld einen kaufen (aktueller Kurs für einen Gobal Executive MBA der Fuqua School of Business Europe in Frankfurt: 99000 Euro, demgegenüber der MBA-Deggendorf: 15312 Euro). Die klaren Worte zur Exzellenz verdanken wir dem letzten Treffen der KMK, die ein neues (inzwischen das dritte) Eckwertepapier (das kommt noch aus der Entwurfsphase mit markierten Streichungen und Ergänzungen -- ihr werdet es überleben, d.S.) zu den neuen konsekutiven Studiengängen verabschiedet hat.
Um zu verstehen, wie diese Aussage einzuordnen ist, muss mensch sich kurz in die Untiefen des Föderalismus Marke BRD begeben: Grundsätzlich sind die Fragen, was die Unis wie dürfen, vom Bund im HRG geregelt. Allerdings haben die Länder natürlich Kulturhoheit, und dazu gehören Schulen, insbesondere auch Hochschulen. Darum hat jedes Land wiederum mindestens ein UG (in Baden-Württemberg gibts gleich einen ganzen Haufen davon, eins für die Unis, eins für die FHs, eins für die PHs und so fort), in dem die sehr allgemeinen Vorgaben aus dem HRG nach dem Gusto der Landesherren umgesetzt werden -- daraus erklärt sich beispielsweise, dass wir in Baden-Württemberg Studiengebühren und keine Verfasste Studierendenschaft haben, während es sich in Hessen (noch) gerade umgekehrt verhält.
Das HRG lässt den Ländern in der Regel recht viel Freiraum, da es wegen der früher zu HRG-Novellierungen kanonischen Studiproteste nicht allzu häufig geändert werden sollte -- und die Kulturhoheit ein hohes Gut ist. Würden die Länder die dadurch geschaffenen Freiräume wirklich nutzen, wäre die Verwirrung perfekt und ein Studienortswechsel von Mannheim nach Kaiserslautern ein unmögliches Unterfangen. So sprechen sich die LänderministerInnen gerne ab, wenn es um ihnen wichtige Fragen der Hochschulen geht -- zu denen nebenbei Demokratie an der Hochschule nicht gehört. Ort dieser Absprachen ist die KMK. Da diese aber keine Gesetze verabschieden kann, nehmen Absprachen gerne die Form so genannter Eckwertepapiere an.
Bei den konsekutiven Studiengängen hat sich die KMK schon zweimal an solchen Eckwerten versucht, die dann mehr oder minder Niederschlag in Ländergesetzen bzw. länderspezifischen Eckwertepapieren fanden. Die Erfahrung zeigt, dass dieser Niederschlag um so nachhaltiger ausfällt, je studifeindlicher und reaktionärer die einzelnen Regelungen in den bundesweiten Eckwerten angelegt sind. Daher sollten die Alarmglocken schrillen, wenn die Minister Folgendes eckgewertet haben: "Ein System gestufter Studiengänge mit Bachelor- und Masterabschlüssen kann, wenn es nicht zu einer Studienzeitverlängerung führen soll, seine Funktion nur erfüllen, wenn der Bachelorabschluss als der erste berufsqualifizierende Abschluss den Regelabschluss des Studiums darstellt und damit für die Mehrzahl der Studierenden zu einer ersten Berufseinmündung führt. Bei den Zugangsvoraussetzungen zum Master muss daher der Charakter des Masterabschlusses als weiterer berufsqualifizierender Abschluss betont werden." (Hervorhebung im Original, d.A.)
Auch sonst stehen eigentlich nur Scheußlichkeiten in dem Papier. So soll es zwar für konsekutive Master noch BAFöG geben, bei nichtkonsekutiven Mastern kann mensch das aber sicher vergessen, Zwischenprüfungen sind auch bei Bachelors (wenigstens bei vierjährigen) zwingend vorgeschrieben, es wird blumig von "Profiltypen" daherfantasiert, und natürlich Modularisierung und Leistungspunkte eingefordert. Einlassungen zu dem grassierenden Wildwuchs absurder und überflüssiger Studiengänge finden sich demgegenüber nur insoweit, als die Kriterien für nichtkonsekutive Master (also quasi die Hobbystudiengänge der Starprofs) etwas schärfer gefasst werden, sie sollen nämlich die Berufserfahrungen, mit denen die Studis da schon reinkommen, "berücksichtigen". Ansonsten wird die Kontrolle von Kraut- und Rübenstudiengängen den Akkreditierungsfirmen überlassen, die natürlich genau an inflationärer Anmeldung von Studiengängen ein Interesse haben, da darauf ja nun ihr "Geschäftsmodell" beruht. Wie überaus weise.
Mit immer unterschiedlicher profilierten Studiengängen und immer engeren Studienplänen wird es übrigens bald bereits schwer werden, von einer Hochschule an eine andere im selben Bundesland zu wechseln und Auslandsaufenthalte sind -- sofern sie "zeitneutral" verlaufen sollen -- nur noch an festen Koorperationshochschulen möglich. Was also offiziell unter anderem auch die Flexibilität und Mobilität fördern soll, wird sie sehr wirksam auf das reduzieren, was den StudiengangsdesignerInnen als akzeptabel erscheint. Wozu der Auslandsaufenthalt noch dienen soll, wenn mensch dort nur Scheine macht, die man laut Plan halt nicht an der Heimathochschule machen kann, bleibt ein wenig unklar, aber im Zweifelsfall gibt es einen guten Vorwand für die Partnerschaftsbeauftragten ab, hin und wieder mal die Partneruni zu besuchen. Ohne Scheinverpflichtung versteht sich.
Nicht nur wir halten das neue Eckwertepapier für eine weitere Abscheulichkeit aus der Hexenküche der professionellen Wissenschaftspolitik, die wieder einmal neue Probleme schafft, statt alte zu lösen. Auch der fzs würde es gerne vor dem Ausgang aus der Entwurfsphase gerne eingestampft sehen. Dazu hat er ein automatisiertes Protestmailsystem aufs Netz gelegt, dessen Benutzung wir euch warm ans Herz legen.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 19.06.2003, 22.07.2003, 20.09.2003, 08.10.2003, 03.01.2004, 02.06.2004, 02.11.2005, 02.11.2005