Zum ersten Mal seit vielen Jahren unterblieb in der letzten Nacht ein Spuk, der die Gemüter der Heidelberger Studis wieder und wieder zu erhitzen vermochte, das traditionelle "Maiansingen" der Korporierten nämlich -- oder unterblieb doch im wesentlichen. Schon in den letzten Jahren hatten sich die liberaleren Verbindungen damit abgefunden, dass rund um den Brunnen am Heidelberger Marktplatz vor der Heiliggeistkirche in der ersten Stunde des ersten Mai nicht gut singen ist, und nur die Speerspitzen der Reaktion (insbesondere die Normannia, die zum Tod von Michael Kühnen ein Flugblatt unter die Leute brachte, das den subtilen Unterschied zwischen Kameradenliebe und äffischer Perversion erläuterte) versuchten noch, die drei Strophen unserer Nationalhymne gegen eine lärmende Menge durchzusetzen.
In der letzten Nacht nun hatten sich rund 400 HeidelbergerInnen am Marktplatz versammelt, wohlausgerüstet mit verschiedensten Lärminstrumenten, was die Herren mit den lustigen Kostümen offenbar endgültig abschreckte -- vielleicht hat auch schon die Demo am Nachmittag vorher, die rund 250 Leute vor allem aus dem autonomen Spektrum quer durch die Stadt führte, ein Ihres getan. Gerüchten zufolge soll es ein kurzes Singen irgendwo im Wald in der Umgebung des Schlosses gegeben haben. Bestätigt ist das aber nicht. Die Redaktion hofft nun, dass sich die engagierten Bürger am Marktplatz über diesen Erfolg freuen, statt enttäuscht zu sein, dass ihnen ein recht archaisches Schauspiel entging.
Merkwürdiges geht vor in Verwaltung und Rektorat der Ruperto Carola. Hindergrund ist das Hochschulsonderprogramm III (mensch lese dazu den Artikel im aktuellen UNiMUT), aus dem "neue, innovative" Tutorienprojekte finanziert werden sollen -- oder sollten? Etliche Passagen der entsprechenden Erlasse hatten schon den Verdacht genährt, hier gehe es nur darum, Mittel aus dem Bundeshaushalt zur Entlastung des Landeshaushalts heranzuziehen.
Richtig zum Kochen kam die Gerüchteküche, als die Verwaltungsratssitzung, die über die Verteilung der Heidelberg aus dem HSP zustehenden 1.2 Millionen Mark befinden sollte, ohne weiteren Kommentar abgesagt wurde, während gleichzeitig ruchbar wurde, es existierten "Vorbelastungen" für die Mittel, sprich, Rektorat und Verwaltung hätten das Geld wenigstens teilweise schon verplant oder gar ausgegeben. In dieses Bild fügte sich, dass im Senatsausschuss für Lehre (SAL) der studentische Vorschlag, über die Verwendung der Mittel aus dem HSP III zu beraten, noch brüsker als ohnehin bei Studi-Vorschlägen üblich zurückgewiesen wurde. Das, obwohl der SAL sich durchaus Gedanken über "neue, innovative" Tutorienprojekte machen sollte.
Wenn ein böswilliger Mensch das Puzzle zusammensetzt, ergibt sich folgendes Bild: Die Trotha'schen Kürzungen haben die Töpfe für WiHi-Mittel derart geleert, dass noch die letzten Pfennige zusammengekratzt werden, und frei flotierende Mittel kamen da gerade recht. Diese Umwidmung der HSP III-Mittel ist allerdings ein ziemlich heißes Eisen, um so mehr, als das HSP vom Bund aufgelegt wird, während für die WiHi-Etats die Länder zuständig sind. Da aber selbst Trotha begriffen haben wird, dass die Unis durch die dramatisch zusammengestrichenen WiHi-Mittel ernsthaft Schaden nehmen werden, deckt das Land diesen haushaltspolitischen Salto Mortale, und das Rektorat versucht, die Kiste zu gut geschlossen wie irgend möglich zu halten. Aber vielleicht ist das ja wirklich alles haltlose Spekulation...
Vor einem guten Jahr war im Heidelberger Karlstorbahnhof die Ausstellung "Soldaten sind Mörder -- Verbrechen der Wehrmacht in Jugoslawien 1941 bis 1944" zu sehen. Schon der Titel ließ erwarten, dass sich Krieger und ihre Freunde ärgern würden, und natürlich wurde mensch nicht enttäuscht, ein ungeahnter Sturm im Wasserglas wehte durch den noch immer über die Notwendigkeit eines Kulturzentrums Karlstorbahnhof entzweiten Gemeinderat.
Was stark an eine Provinzposse erinnerte, kann sich durchaus auch in sogenannten Metropolen wiederholen -- gegenwärtig etwa an der Technischen Uni Berlin: In den Lichthof der dortigen Uni hat der AStA eben diese Ausstellung geholt, sehr zum Missfallen des dortigen Präsidenten Ewers, der das Vorhaben des AStA untersagte, aus Sorge über einen möglicherweise entstehenden Eindruck, die TU könne "in einer völlig unakzeptablen Weise mit einer extrem undifferenzierten Sicht des Themas der Wehrmachtsverbrechen" identifiziert werden.
Für den UNiMUT unterhaltsam in diesem Zusammenhang ist, dass die Veranstaltung unter der Überschrift "Antimilitaristischen Woche an der TU Berlin" stattfindet und der Präsident das nicht zulassen will, impliziere dieser Name doch, dass sich die TU mit dem "Unterfangen" identifiziert. Hoffentlich hören Siebke und Ulmer das nicht, sonst müssen wir uns auch noch was anderes als unser an einfallen lassen...
Trotz des Verbots von hoher Stelle wurde die Ausstellung gestern mit einer Pressekonferenz eröffnet.
Prominenten Besuch in Bonn gabs gestern anlässlich einer Sitzung der Enquetekommission "Zukunft der Medien": Prof. Dr. Thomas Beth, in Karlsruhe vor allem bei Informatik-ErstsemesterInnen berüchtigt für gezielt undurchschaubare Vorlesungen, philosophierte über das Internet ("Das Internet ist so basisdemokratisch, da würden die Politgruppen der 68er-Generation blaß vor Neid") und schloss sich ansonsten dem Plädoyer fast aller übrigen ExpertInnen gegen das von Innenminister Manfred Kanther angestrebte Verbot nützlicher Kryptographie an. Bei Leuten vom Schlage eines Beth konnte mensch allerdings erwarten, dass die Argumente hin und wieder sehr ins Krause gerieten; so führte Wolffried Stucky, Präsident der Gesellschaft für Informatik, aus, ein Kryptographieverbot könne die Wettbewerbsposition "unserer" Wirtschaft schwächen, wobei er immerhin zugab, dass so ein Verbot auch reichlich sinnlos wäre, weil seine Einhaltung faktisch nicht zu kontrollieren ist.
Viel geballter Sachverstand aus dem Lande Akademiën in Bonn. Zweifelhaft, ob all die Herren mit den langen Titeln auch nur so viel für die vielbeschworene Freiheit und Demokratie im Internet getan haben wie ein einziger Mirror der radikal, den irgendein mutiger Studi in Alma-Ata aufgesetzt hat. Ob ihnen, Kommissaren wie Experten, diese Form der Demokratisierung wohl schmeckt?
Nach Baden-Württemberg (1100 Mark) und der Volksrepublik China (rund 300 Mark) führt jetzt auch der Freistaat Sachsen Studiengebühren ein. Nach mittlerweile vom Pressesprecher des sächsischen Wissenschaftsministeriums bestätigten Gerüchten werden in Sachsen -- anders als hier -- "Langzeitstudis" nicht besonders zur Kasse gebeten. Ziele der dortigen Studijäger sind Menschen, die sich in ein Zweitstudium einschreiben (wobei nicht zu erfahren war, ob dies ein abgeschlossenes Erststudium voraussetzt) oder Fernstudiengänge absolvieren.
Die Reihen fest geschlossen halten Dresden und Stuttgart, wenn es um die Verwendung der eingenommenen Mittel geht: Hier wie dort verschwindet das Geld im Landeshaushalt, in Sachsen bekommen die Unis von den 600 Mark, die dort fällig werden, immerhin noch eine Aufwandsentschädigung. Jesus fordert, ihr möget die Zöllner achten wie ehrbare Menschen.
Dass in Sachsen "Langzeitstudis" ungeschoren davonkommen, hat wohl mit der Alleinregierung von König Kurt (Biedenkopf) zu tun -- keine FDP kann mit irgendeinem Leistungsquatsch daherkommen, und der Lehensherr kennt die Verpflichtung, die er seinen Leibeigenen gegenüber hat. Umgekehrt werden diese auch noch weniger gefragt als hier: Die Gebühren werden am Parlament vorbei auf dem Wege einer Verordnung eingeführt. Mit dem Inkrafttreten ist für die nächsten Tage zu rechnen.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 03.07.1997
Freuden und vor allem Leiden von Chipkarten an der Uni waren in der Ausgabe 120 schon mal Thema des UNiMUT -- aus den unerfreulichen Erfahrungen der Darmstädter damals haben die Verantwortlichen an den Unis hierzulande wohl allenfalls den Schluss gezogen, mensch müsse das alles nur noch viel größer anlegen. Die jüngsten Neuigkeiten zum Thema kommen aus Trier, wo zum Wintersemester die "TUNIKA", die Trierer Universitätskarte eingeführt wird, ein -- im Gegensatz zu den schlichten Mensakarten, über die sich Studis bisher ärgern durften -- "multifunktionaler" Studiausweis, der schon fast erwarten lässt, dass damit in den goldenen Zeiten einer Zukunft mit Studiengebühren die Zugangsberechtigung zu Veranstaltungen geprüft werden wird -- und möglicherweise auch die Anwesenheit.
Orwell'schen Visionen dieser Art bleiben vorerst Alpträume, was sich die Trierer alles vorstellen, wurde von offzieller Seite auf einer eigenen WWW-Seite dargestellt. Uns in Heidelberg geht das alles durchaus an: Im Zusammenhang im der Tunika fand vor etwa einer Woche in Trier ein konspiratives (d.h. unter Ausschluss der Öffentlichkeit) Treffen statt, das VertreterInnen der Sparkassen einiger Hochschulstädte mit dem Trierer Hochschulpräsidenten und den MacherInnen der Tunika zusammenführte. Nun darf heftig spekuliert werden, was da besprochen wurde -- bekannt ist aber, dass unser Studiwerks-Geschäftsführer Gutenkunst seit längerer Zeit auf die Abschaffung der herzigen bunten Pappmärkchen sinnt und der Versuchung der Chipkarte nur mit Mühe widerstehen kann. Gewöhnlich gut unterrichtete Kreise streuen auch schon Gerüchte über Kontakte von Studiwerk und Sparkasse in Sachen Plastikkarte. Möglich ist, dass Gutenkunst der Versuchung überhaupt nur widerstehen kann, weil die Uni selbst sich gern an dem Chipkarten-Projekt beteiligen würde -- angesichts der bekannten Animositäten zwischen Gutenkunst und Rektor Ulmer scheint das aber eher unwahrscheinlich. Ähnliche Gründe mag auch die Zurückhaltung des Trierer Studiwerks bei der Tunika haben; in dessen Einrichtungen jedenfalls wird die Karte vorläufig nur ein Stück wertloses Plastik bleiben.
Eine weitere Spekulation geht dahin, dass bei der Einführung der Tunika mehr im Spiel war als der reine High-Tech- und Überwachungsappeal. Die Trierer Uni weigert sich nämlich, die Konditionen der die Chipkarte ausgebenden Sparkasse Trier öffentlich zu machen. Wieder kann mensch nur spekulieren, ob da nicht gewisse "Vorteile", die die Uni von dem Deal haben mag, so weit unter dem Teppich gehalten werden sollen wie es eben geht. Abgekartetes Spiel?
Der RCDS hat wieder zugeschlagen: Mit der Partei im Rücken kam Amokkläger Rene Schneider (mensch spricht von gegenwärtig 18 Verfahren, die er gegen den AStA oder mit ihm zusammenhängende Organisationen am Laufen hat) beim Oberverwaltungsgericht Münster erneut mit einer Klage gegen die dortige Studivertretung durch. Diesmal gings um eine Veranstaltungsreihe der Fachschaft Geschichte, die ehemalige KZ-Häftlinge und Widerstandskämpfer gegen das Naziregime zu Gesprächen lud.
Verboten, so das OVG, weil "nicht spezifisch und unmittelbar hochschulbezogen", "inhaltlich-wertende Auseinandersetzungen mit Gegenständen des Studienfachs" gehören nicht zu den Aufgaben von ASten, auch nicht in Nordrhein-Westfalen. Die 500 Mark Zwangsgeld, die der AStA dafür abdrücken darf, sind Peanuts im Vergleich zu den ideellen Folgen des Urteils: In letzter Konsequenz wären damit praktisch alle Artikel im UNiMUT illegal und nicht mit den Aufgaben einer Studivertretung zu vereinbaren.
Und so überrascht es nicht, dass sich Widerstand regt: In Münster gab es vor gut einer Woche eine Demo mit immerhin 600 TeilnehmerInnen gegen diesen Unsinn mit Stempel vom Verwaltungsgericht, selbst Anke Brunn, Trothas nordrhein-westfälische Amtskollegin, hat sich in einer Grußbotschaft an den Münsteraner AStA für ein politisches Mandat und gegen die Rechtssprechung des OVG ausgesprochen. Näheres zum Thema ist auf einer WWW-Seite des AStA Münster zu finden.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 03.07.1997
Nachdem die taz sich Ende der achziger Jahre als Pop-Version der Frankfurter Rundschau positioniert hatte, konnte die Junge Welt nach 1989, mehr noch nach 1994, auf ein Stück Brache in der Presselandschaft ziehen: Sie wurde faktisch das Zentralorgan der unorthodxen Linken, von gewaltfreien Anti-Atom-Initiativen und linken Grünen bis weit ins autonome Spektrum hinein gelesen und geschätzt.
Jetzt soll sich das ändern: Der Geschäftsführer des Blattes, Dietmar Koschmieder, hat den bisherigen Chefredakteur Klaus Behnken entlassen und versucht nun, in einer Art Triumvirat das Blatt gegen den Willen der Restbelegschaft -- die hinter Behnken steht -- zu übernehmen, vermutlich mit dem Ziel, eher "bunte" Inhalte zurückzudrängen und die jw auf Einheitskurs KPF zu bringen. Dies liegt nahe, da Koschmieder wie sein Triumvirat sich allesamt der Kommunistischen Plattform der PDS angehörig fühlen, und auch verlauten ließ, er finde, in der jw hätten "antifaschistische und antinationalistische" Strömungen überhand genommen.
Koschmieder glaubt vermutlich, leichtes Spiel zu haben, denn in der jw sind die Beschäftigungsverhältnisse wie in so vielen linken Projekten ziemlich ungeschützt, einen Betriebsrat etwa sucht mensch vergeblich. Dennoch ist nicht sicher, ob der Putsch klappen wird, denn die alte Belegschaft hat nicht aufgegeben, hält gegenwärtig die Redaktionsräume besetzt und führt die Zeitung in Notausgaben weiter. Bei der nächsten Zumutung aus dem Rektorat sollten wir -- ebenfalls durch keinen Betriebsrat vertreten und immer durch Relegation oder Exmatrikulation bedroht -- auch mal sowas probieren...
Leistung soll sich -- das war auf diesen Seiten schon des öfteren zu lesen -- wieder lohnen. Wer an diesen Spruch glaubt und in Forschung und Lehre "Qualität", noch besser "Performance", einfordert, muss natürlich auch gleich Kriterien angeben, nach denen beurteilt wird, evaluiert, nein, gerankt, damit die Konkurrenz auch schön deutlich wird.
Leider weiss niemand so genau, wie das gehen soll, auch nicht das BMBF, das aber immerhin eine eigene Broschüre herausgibt, die sich ohne allzu enge ideologische Scheuklappen und mit einiger Wissenschaftlichkeit garniert dem Thema nähert, vor allem nicht behauptet, sie würde Königswege zu einer aussagekräftigen Evaluation anbieten. Allein der Titel "Lehrevaluation und studentische Veranstaltungskritik" stört ein wenig -- das muss wohl implizieren, dass Studis nicht in der Lage zu Lehrevaluation sind, irgendwer anders aber schon. Das Büchlein sollte beim BMBF kostenlos erhältlich sein, liegt aber auch im ZFB in der Lauerstr. 1 im Versammlungszimmer.
Mensch mag zu diesen eher wissenschaftlichen Ansätzen stehen, wie mensch will, die traurige Wahrheit ist, dass im Scheinwerferlicht von Presse und Öffentlichkeit ganz andere Dinge stehen: Uni-Rankings Marke Spiegel, Manager-Magazin und Focus haben Konjunktur. Dass diese letztlich willkürlich Zahlen sammeln, ohne ihre Stichhaltigkeit oder Aussagekraft zu bewerten, um sie anschließend an Magie gemahnenden quasimathematischen Operationen zu unterwerfen, aus denen schließlich die ersehnte Rangliste resultiert, fällt schon beim ersten Blick in die bunten Blätter auf. Mensch könnte das ja als amüsantes Zahlenspiel sehen, wenn nicht erschreckend viele Menschen dieser Zahlenmagie verfallen würden -- und wenn wenigstens die Empirie tragen würde.
Leider ist nicht mal das der Fall. Der Redaktion ist ein ehemaliger Würzburger Mathestudi namentlich bekannt, der sämtliche Fragebögen, die der Spiegel zu seinem '89er Ranking an der dortigen Mathefakultät ausgegeben hat, eigenhändig ausgefüllt hat. Jetzt, acht Jahre später, zeigt sich, dass sich das Haus Markwort -- der Focus -- für sein epochemachendes Megaranking noch nicht mal die Mühe gemacht hat, die Uni-offiziellen Zahlen korrekt abzuschreiben. Der Maschinenbau an der TU Clausthal beispielsweise bildet nicht etwa 1700 Ingenieure aus, sondern nur deren 700; weitere Kritik kommt etwa aus Saarbrücken. Fabian Sommer bittet Menschen, die die Münchner Postille liesen und weitere Fehler dieser Art entdecken, sie ihm doch mitzuteilen.
Ansonsten können wir den Focus-Leuten nur empfehlen, von Paulaner auf Clausthaler umzusteigen. Fällt in München bestimmt schwer, würde dem Blatt aber ebenso bestimmt helfen.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 15.03.2001