Die Rede des kriegsführenden Ministers Scharping sollte der Höhepunkt auf der 1. Mai-Kundgebung des DGB in der Friedrich Ebert Halle in Ludwigshafen werden. Scharping, der sich nicht getraut hatte, unter freiem Himmel zu sprechen, wurde jedoch anders empfangen, als er es erwartet hatte. Bereits vor Beginn von Scharpings Rede wurde die Veranstaltung offiziell unterbrochen: Etwa zehn Antikriegs-AktivistInnen, einige von ihnen mit T-Shirts mit der Aufschrift 'Mörder Scharping', hatten sich auf die Tische gestellt. Der argumentschwache Veranstaltungsleiter ließ sie in bester DGB Manier mit Gewalt von PolizeibeamtInnen und den in Zivil gekleideten, hysterischen SaalordnerInnen unter peinlichem Applaus der kriegsbefürwortenden Gewerkschaftsmitglieder rausschmeissen.
Bei der ersten Ankündigung des Redebeitrags Scharpings gabs dann von den insgesammt ca. 200 Antikriegs-AktivistInnen Buhh-Rufe und Pfiffe, die sich zu immer heftigeren 'Mörder, Mörder'-Rufen verdichteten. Danach zogen Menschen vor die Bühne und bildeten mit großen Lettern die Forderung 'Stoppt den Krieg'. Als später Scharping auf die Bühne trat, tanzte ein ca. 3 Meter großes schwarzes Ungetüm mit aufgemaltem Totenskelett und der Aufsschrift 'Im Krieg gewinnt immer der Tod' vor dem Rednerpult und den vielen Filmkameras. Rote Fahnen gesellten sich dazu, serbische Target-Zeichen und Rote Karten wurden emporgereckt und Ratschen geschwungen bzw. Trillerpfeifen geblasen.
In einer eher langweiligen Rede schwadronierte Scharping anfangs über die großartigen Erfolge der neuen Bundesregierung bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Gegen Ende erzählte er mit fast überschlagender Stimme über Greultaten der SerbInnen im Kosovo. Da er in keinem Wort auf die unschuldigen Kriegsopfer auf ALLEN Seiten einging (die zynischen 'Kollateralschäden', d.S.), auch keinen Zusammenhang zwischen Intensivierung der ethnischen Vertreibung und dem Nato-Bombardement herstellte und ansonsten den Angriffskrieg mit der platten These 'Yugoslawien = 3. Reich' erklären wollte, wurde sein mit extrem aufgedrehtem Verstärker übertragener Redebeitrag nachhaltig verschönert: Transparente mit Aufschriften wie 'Wir beten an die Bomben', 'Schon vergessen? Nie wieder Krieg!' oder 'GewerkschafterInnen fordern: Stoppt das Nato-Bombardement' reihten sich zuhauf im ganzen Saal. Insgesamt wars eine sehr heitere Veranstaltung mit einem beträchtlichen Anteil von gut gelaunten Antikriegs-AktivistInnen und einem eher ratlosen Rudi Scharping. Im Geist hatte nur Nena schon das Ziel für die nächste 1. Mai-Veranstaltung vorweggenommen: '...Kriegsminister gibts nicht mehr, und auch keine Düsenjäger'.
Die UNiMUT Redaktion ist ansonsten weit davon entfernt Reden von PolitikerInnen oder MinisterInnen an andere weiterzuempfehlen (siehe z.B. Scharpings lausige Ansprache gestern in Ludwigshafen). Es scheint aber so, dass einE MinisterIn erst einmal eine Regierung mehr oder minder freiwillig verlassen muss, um in den Bereich zu gelangen, wo vernünftige Sätze die Mehrheit einer Rede ausmachen. Am 1. Mai sprach Oskar Lafontaine auf der Kundgebung des DGB in Saarbrücken und diese Rede ist nun schon als RealAudio-Stream oder als MPEG-Datei erhältlich. Wer 46 Minuten Zeit hat, kann durchaus einiges Radikalkritisches und damit Konstruktives zur aktuellen Kosovo-Politik hören und nebenbei zwischen den Worten vieles zum allgemeinen Umgang mit kriegerischen Auseinandersetzungen herausziehen. Zum Download in den MPEG-Player gibt es eine 8bit Rede (2,3 MB) oder eine 16bit Rede (5,6 MB) und zum live Streaming die RealAudio Rede. Dass die MPEG-Dateien nur per ftp-Programm bequem geholt werden können oder nach dem Download per Browser erst noch extra gespeichert werden müssen, sei den Jusos verdankt. Ich darf abschliessend Heribert zitieren: "An dieser Rede kann die SPD eigentlich nicht vorbei!"
Rhein-Neckar-Zeitung vom Mittwoch, den 14. AprilBildung für wen?
Von Klaus Welzel
Der Heidelberger Uni-Rektor Jürgen Siebke ist kein Linker. Wesentliche Teile der gestern vom schwarz-gelben Landeskabinett verabschiedeten Uni-Reform hat er mitgetragen. Auch sind einige Passagen des 380 Seiten starken Werkes aufgrund Heidelberger Anregungen überhaupt erst zu Papier gebracht worden. Heidelberg ist, wenn es um das Thema Wettbewerb an und unter den Universitäten geht, stets mit an vorderster Front aktiv gewesen. Um so mehr verwundern die harschen Worte, mit denen der Stuttgarter Wissenschaftsminister von Trotha jetzt Siebke öffentlich abkanzelt. Dessen Kritik am Reformwerk sei "unqualifiziert und nicht sehr fair" gewesen. Da kann man nur sagen: Ähnliche Worte zurück an den Absender.Die Universität wird an das...
Siebke hat nämlich recht. Schön verpackt in eine Hochschulreform ist von Trotha dabei, die bisherige Autonomie der Universitäten einzuschränken. Ein neuer Hochschulrat wird künftig als "Gegengewicht" zum gestärkten Rektorat an den Unis installiert. Und in diesem Hochschulrat sitzen neben sieben Professoren sechs externe Mitglieder, die zur Hälfte vom Wissenschaftsministerium eingesetzt werden. Der Parteipolitik ist also Tür und Tor geöffnet. Letzten Endes, das steht wohl zu befürchten, sollen die Landesuniversitäten ans enge Gängelband der Politik gelegt werden. Das aber, so hatte Siebke noch am Montag pointiert formuliert, hatte nicht einmal der Kurfürst geschafft.Eine rein uniinterne Debatte? Eben nicht. Bisher hatte die Politik nur sehr wenig Einfluß auf das, was an den Universitäten gelehrt wurde. Weil aber künftig das Rektorat, nach Absprache mit dem Kontrollorgan Hochschulrat, finanzielle Mittel in größerem Rahmen vereilen kann, greift der Arm der Politik deutlich weiter als bisher. Die Politik wird bei der einmal vorhandenen Möglichkeit natürlich nicht darauf verzichten, ihren Einfluß auf den Hochschulbetrieb geltend zu machen. Restriktive Maßnahmen wie Zwangsexmatrikulation oder die Einführung des mehr oder minder "wertlosen" Bachelor-Abschlusses täuschen über diesen wesentlichen Faktor der Reform geschickt hinweg.
... Gängelband der Politik gelegt
Während man in Bonn auf großen Kongressen über die Amerikanisierung des Bildungssystems philosophiert, ist man auf diese Weise im Südwesten dabei die Hochschulen des 21.Jahrhunderts zu konstruieren. Für die verlustreichen Geisteswissenschaften wird da natürlich wenig Raum bleiben. Statt dessen wird der Unibetrieb wirtschafts- und parteikonform. Der Rektor, der künftig auch keine Wissenschaftsweihe mehr besitzen muß, wird zum Manager umfunktioniert. Die gestern verabschiedete Reform ist jedoch, auch gemessen an amerikanischen Vorbildern, schlechtes Stückwerk. Nach bisherigen Maßstäben würde sie als Examensarbeit den Ansprüchen deutscher Universitäten nie genügen. Von Trotha wird vermutlich auch hier neue Maßstäbe setzen.
Die Uni Stuttgart hat sich heute in einer einen Senatsbeschluss reflektierenden Presseerklärung in die Phalanx der Unis eingereiht, die mit mehr oder weniger deutlichen Worten die Novellierung des Hochschulgesetzes Marke Trotha ("dritte Phase der Angriffe") ablehnen. Ist die Überschrift mit "Nachbesserungen erforderlich" noch recht moderat, werden anschließend in einem lapidar "Erforderliche Änderungen" überschriebenen Abschnitt fast alle Prärogative der "Reform" kritisiert. So kann sich der Stuttgarter Senat zu der Aussage durchringen, "daß Universitäten nur teilweise mit Unternehmen vergleichbar seien" (was in Heidelberg erst nach dem Rauswurf von Siebke möglich sein wird), und so sollten "weiter" (diesem suggestiven "weiter" möchte sich die Redaktion nur zögerlich anschließen) alle Gruppen an Entscheidungsprozessen beteiligt werden, der Verwaltungsrat soll einfach nur, DekanInnen sollen Amateure und RektorInnen sollen nur vier Jahre bleiben.
Und so fort. Leider vergaß die Pressesprecherin der Uni, die am Ende der Einleitung erwähnten "deutliche Nachbesserungen für die Möglichkeiten des Teilzeitstudiums" genauer zu elaborieren. Ob uns da nicht eine leise Kritik an Trothas zwanghafter Exmatrikuliererei vorenthalten wurde? Die Redaktion findet: Psycho- und Zwangssyndrome müssen benannt werden dürfen.
Ein Blick in den neuen HSB-Fahrplan -- gültig ab 1.6. -- zeigt, dass das Unglaubliche geschehen ist: Die unendliche Geschichte des Fünf-Minuten-Takts in der Berliner Straße (vgl. z.B. UNiMUT 92 von 1995) scheint ein Ende gefunden zu haben, die Straßenbahnen fahren nicht mehr unmittelbar hintereinander, der Fünf-Minuten-Takt ist Realität.
Aber natürlich wäre die HSB nicht die HSB, wenn sie diesmal nachgedacht hätte. Insbesondere der Übergang von der Linie 4 auf die OEG in Handschuhsheim ist brilliant gelungen: Die OEG fährt in Sichtweite umsteigewilliger Fahrgäste ab. Nicht ganz so schlecht durchdacht ist die ebenfalls studirelevante Frage des Übergangs von Straßenbahn 8 auf Bus 12 an der Blumenthalstraße -- trotzdem müsste dort mit ein bisschen Überlegung niemand die acht Minuten warten, die die HSB ihm/ihr jetzt abtrotzt. Fragwürdig auch die Busverbindung von der Altstadt zum Bahnhof, wo in Richtung Bahnhof immer zwei Busse hintereinanderfahren; bei den Verbindungen am späten Abend hat sich nichts getan. Die Liste der Punkte, an denen die HSB versprochene Verbesserungen nicht realisiert oder den bisherigen Fahrplan verschlimmbessert hat, ließe sich fast beliebig fortsetzen.
Eigentlich ist es ja schon erschreckend, dass die HSB angesichts der Krise um das Semesterticket nicht mal versucht, etwas nett zu sein und zumindest Scheinargumente für eine Preiserhöhung zu liefern. Was mag das wohl für die Verhandlungen bedeuten?