Papier für Gesetze, Papier für den Papierkorb, Papier für Studiengebühren
...wo mal wieder gelogen wird, dass sich die Balken biegen? Na, im Gesetzentwurf in Sachen Studiengebühren, den das Kabinett am 6.9. abgenickt hat. "Alternativen: keine" heißt es da nämlich in der üblichen bornierten Manier. Immerhin erkennt Frankenberg die erheblichen Kosten, die den Hochschulen durch sein Gesetz entstehen und unterschlägt auch die Zinslasten nicht, die Studierende zu tragen haben werden. Auch ansonsten formuliert der Entwurf ziemlich ungeschminkt, zumal verglichen mit dem alten Landeshochschulgebührengesetz. Das Ministerium ist sich offenbar sehr sicher, dass mittlerweile alle unbedingt zur Rettung des Vaterlandes zahlen wollen.
...dass 53% der Studierenden bei der Aufnahme ihres Studiums noch an persönliche Entfaltungsmöglichkeiten glauben? Mit so viel Naivität hätten wir gar nicht gerechnet, aber immerhin kommen fast zwei Drittel nach einer Weile zur Vernunft, so dass nur noch 20% der etwas Erfahreneren an ihre Entfaltung im Studium glauben. Diese Zahlen wurden bei einer Konferenz der HRK (!) zum Thema "Hochschulen entwickeln, Qualität managen" vorgestellt. Hochschulen, die Unfug Marke "Qualität managen" aushalten müssen, werden gewiss nichts daran ändern, dass 86% der Erstis ihr Fach interessant finden, während nur noch die Hälfte der älteren Studis Entsprechendes angibt. Und dabei werden noch viele gelogen haben. Wenn nur die HRK auch mal Schlüsse aus solchen Studien ziehen würde...
...wie lange Vorschriften des Ministeriums im Mittel halten? Wir wissen es nicht, aber meistens fällt selbst den diversen Ministerien zeitnah auf, dass sie Mist gebaut haben. Daraufhin geht das Spiel von neuem los. Wir zitieren aus einem Rundschreiben der ZUV: die "Verwaltungsvorschrift des Finanziministeriums vom 21.10.2002 über die Berücksichtigung des Verwaltungsaufwands bei Festlegung der nach dem Landesgebührengesetz zu erhebenden Verwaltungs- und Benutzungsgebühren, ist nicht mehr anzuwenden. Als Anlage übersende ich Ihnen die Neufassung dieser Verwaltungsvorschrift vom 29.7.2005". Keine drei Jahre! Und dann noch nicht mal ein Jahr, nachdem ein Rundschreiben die Fachbereiche aufgefordert hat, die "alte" Regelung ordentlich fies anzuwenden. Wer da als SekretärIn nicht ausbrennt, besteht aus Asbest.
...dass im Zuge der Hochschul-Konterreform Satire und ernstgemeintes Geblubber immer näher zusammenrücken? Mehr ist wohl zu dieser Pressemitteilung nicht zu sagen, die das DSW anlässlich einer Konferenz über die Folgen der "Studienstrukturreform" für die Verpflegungsbetriebe (we're not shitting you) an den Hochschulen herausgegeben hat.
...was MWK-Pate Frankenberg aus der jüngsten Education at a glance-Erhebung der OECD schließt? Klar -- die privaten Haushalte wenden nur 0.1% des Bruttosozialprodukts für tertiäre Bildung auf, und das ist im Vergleich der OECD-Staaten viel zu wenig, und deshalb müssen Studiengebühren her. Demnächst werden wir ein Spendenkonto zugunsten einer psychiatrischen Behandlung des Ministers einrichten. Fixe Ideen und Zwangsneurosen müssen kein Schicksal sein.
...dass Rektor Hommelhoff für die Uni zwar meist Entscheidungen trifft, die falscher kaum sein könnten, seine Reisetermine aber doch ganz geschickt wählt? Der Beweis: Er war jüngst in Amherst, Massachussetts, und hat dazu den arschkalten Winter in Neuengland vermieden. Ansonsten hat er dort eine engere Kooperation mit der UMass Amherst verabredet (Harvard wollte offenbar nicht, und da muss es etwas tun, was zumindest geographisch nicht fern liegt). Mehr dazu könnt ihr bestimmt am 28.9. um 18 Uhr im Senatssaal der Alten Uni erfahren. Da nämlich kommt Barton Byg aus Amherst und wird wohl nicht nur zu seinem Thema "Konrad Wolf" reden. Keine Schüchternheit -- das Rektorat schreibt: "Angesichts der Bedeutung der Beziehungen zur University of Massachusetts Amherst würde sich das Rektorat freuen, wenn trotz der kurzfristigen Ankündigung möglichst viele Universitätsangehörige zum Vortrag von Herrn Prof. Byg kommen könnten."
...dass jetzt auch an der Heidelberger Uni über Verschiebungen in den Semesterterminen diskutiert wird? In der Senatssitzung am 13.9. wurden offenbar drei Modelle diskutiert: Einmal soll eine Woche vom Wintersemester hinten abgeschnitten und vorne ans Sommersemester drangeklebt sowie dieses zusätzlich eine Woche nach vorne verlegt werden (es würde dann um den 1.4. rum anfangen), beim zweiten Modell würde das Sommersemester nochmal um eine Woche verlängert, und beim dritten Modell würde etwas wie in Mannheim rauskommen. Wie wir hören, ist noch keine Entscheidung gefallen; wenn ihr also mitreden wollt: Eure Fachschaft wartet auf euch -- und ihr solltet mitreden, insbesondere wenn ihr die vorlesungsfreie Zeit aus finanziellen Gründen braucht, denn zum Teil bedeuteten die Pläne eine deutliche Verlängerung der Vorlesungszeit.
Walter I. Schönlein
Parkraumbewirtschaftung ab November, Jobticket in Sicht
Als 1993 das Studiticket eingeführt wurde, hatte das Studentenwerk zur Absicherung gegen eventuelle Rechtsstreitigkeiten -- es war damals das erste Studiticket in einem Land ohne Verfasste Studierendenschaft (VS), die andernorts die Studitickets trägt -- 50 Extrapfennig pro Studi und Semester einbehalten. Erstaunlicherweise fanden sich aber weder RCDSler noch Korporierte, die gegen das (vermeintliche) Ökoprojekt klagen wollten, und so waren, bevor der Betrag in die erste der vielen Preiserhöhungen des Verkehrsverbunds VRN einfloss, etliche 10000 Mark aufgelaufen. Mit einem Teil dieser Gelder bekam URRmEL eine Anschubfinanzierung, zum weit überwiegenden Teil aber flossen sie in eine Studie zur Machbarkeit eines Jobtickets in Heidelberg.
Das Jobticket würde etwa wie das Studiticket funktionieren, nur wären die Beschäftigten der Uni, von der Putzkraft bis zum/r ProfIn, die Zielgruppe. Nach den Erfahrungen mit dem Studiticket war von vorneherein klar, dass der Vertrags"partner" VRN mehr oder minder feste Zahlungen in Form eines Sockelbetrags fordern würde. Beim Studiticket kommt dieses Geld aus einem (mittlerweile sehr beträchtlichen) Aufschlag zum Sozialbeitrag ans Studiwerk, der mit der Rückmeldung überwiesen wird. Beim Jobticket, so das Ergebnis der Studie, sollte der Sockelbetrag aus einer "Bewirtschaftung" der Parkplätze der Uni kommen, lies: aus Parkgebühren.
Im Gegensatz zu den inzwischen sattsam bekannten Gespensterdiskursen über "sozialverträgliche" Studiengebühren wird der Steuerungseffekt hier nicht bestritten und ebenso gewünscht (allerdings ist weniger Autoverkehr objektiv ein begrüßenswerteres Ziel als verschärfte soziale Selektion und Schleiferei). Die dahinter stehende Überlegung ist einfach: Wenn der Parkplatz so viel kostet wie das ÖPNV-Ticket und der ÖPNV was taugt, dürften viele Leute das Auto stehen lassen und ökologisch vernünftigere Alternativen in Betracht ziehen. Haken der Sache: wenn der VRN von abgebrannten PolitikerInnen wie VRN-Chef Wolfgang Wagner gemacht wird, taugt das VRN-Angebot nicht so viel...
Und es gibt einen weiteren Haken: Parkgebühren sind eine Sorte Gebühren, die im Lande von Mercedes und Benz nicht populär sind. Das MWK hat entsprechende Planungen durch die Gründung von weiteren Endlagern für abgebrannte PolitikerInnen (sprich: GmbHs, die die Parkraumbewirtschaftung in Rechnung und Auftrag des Landes hätten durchführen sollen) auch gleich sabotiert. Diese GmbHs hoben nämlich nicht ab, und alles stand für Jahre. Als dann doch mal etwas Bewegung in die Frage kam, schoss der Heidelberger CDU-MdB Werner Pfisterer quer. Zwar bekam er von MWK-Chef Frankenberg damals eine Abfuhr, doch machte auch dieser kein Hehl aus seiner Abneigung gegen Gebühren, die nicht in seiner Tasche landen.
Trotz all dieser Fährnisse scheinen Personalrat und Verwaltung inzwischen zu Ergebnissen gekommen zu sein, und auch der VRN leistet offenbar nur noch hinhaltenden Widerstand. Ab November sollen nun zunächst die Parkplätze rationiert werden, und zwar mittels Parkgenehmigungen, die zum Preis von zwei Euro im Monat an Menschen vergeben werden, die gute Gründe nachweisen können, etwa eine Behinderung, Arbeitszeiten, zu denen mit dem ÖPNV kein Blumentopf zu gewinnen ist, schlechte Anbindung mit dem ÖPNV (was offensichtlich ein mögliches Hintertürchen für alle sein könnte...) und so fort. Wer Fahrgemeinschaften von mindestens drei Personen bildet, soll auch Parkgenehmigungen kriegen. Gäste, und mithin vermutlich auch die meisten Studis, sollen 1.20 pro Stunde zahlen, aber nicht mehr als 5 Euro am Tag, Streifen- und Zeitkarten sind auch geplant.
Richtig los gehts aber erst, wenn der VRN mitspielt und das Jobticket kommt, denn dann soll die monatliche Parkgebühr in die Preisklasse des Jobtickets steigen, d.h. irgendwas zwischen 20 und 30 Euro. Solange der VRN jedoch auf einer Linie fährt wie weiland bei den Verhandlungen ums Studiticket -- er hatte reines Solidarmodell mit dem Studiausweis als Fahrschein abgelehnt, weil mit ihm zu viele Studis auf den ÖPNV umsteigen würden -- gilt dabei aber der alte Rat: "Don't hold your breath."
Dieser Artikel wurde zitiert am: 26.10.2005
Exzellente und vereinfachte Bürokratie, elitäres und schlussleuchtendes Heidelberg
...was der Lohn der Qual mit dem Impulse-Projekt ist? Die Nervenzusammenbrüche der mit der Budgetierung beschäftigten Menschen an den Instituten und ganz neue Dimensionen grotesker Bürokratie wurden am 21.9. belohnt, als der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft (Warnung: grässliches Flash-Intro), ein stramm rechtslastiger Lobbyverband zur Durchsetzung von Industrieinteressen an Hochschulen, der Uni Heidelberg 500000 Euro aus einer "Exzellenzinitiative" namens "Die deregulierte Hochschule" übereignete. Leider steht das Geld nicht für Tutorien oder andere sinnvolle Maßnahmen zur Verfügung, denn der Stifterverband will damit nur prüfen lassen, wie sich dieser Wahnsinn auf andere Hochschulen übertragen lässt. Allein die Annahme dieses Geldes stellt einen weiteren Grund für Rücktrittsforderungen an die Adresse des Rektors dar.
...dass es im Gutachtergremium zum Landeslehrpreis jüngst einen kleinen Skandal gab? Studierende aus Freiburg und Karlsruhe gaben nämlich nur eine lesenswerte Erklärung ab und verließen den Saal. Angesichts der traurigen Lächerlichkeit dieser Lehrpreise an sich (nicht vergessen: ursprünglich war das Geld mal für Tutorien und andere sinnvolle Maßnahmen da gewesen) und der neuen Frechheit, sich diese Farce in Zukunft auch noch ostentativ mit dem Geld der Studierenden bezahlen zu lassen, bleibt nur ein: Zur Nachahmung empfohlen.
...dass die Privatunis in Baden-Württemberg den Bach runtergehen? Wenn ihr regelmäßig UNiMUT lest, wahrscheinlich schon, aber richtig harte Fakten bietet die Landtagsdrucksache 4394: Vom Wintersemester 2003/04 aufs Wintersemester 2004/05 sank die Zahl der StudienanfängerInnen an nichtstaatlichen Hochschulen in Baden-Württemberg um satte 43.8% (von 201 auf 113). Außerdem enthält die Drucksache auch interessante Infos zur Attraktivität hiesiger Hochschulen (oder der mangelnden Fruchtbarkeit der Landeskinder): Während 1995 noch 279 Erstis mehr aus BaWü flohen als einwanderten, suchten 2002 bereits 1287 Studis aus anderen Bundesländern mehr ihr Glück hier als es Studis aus Baden-Württemberg in andere Länder verschlug. Der Einbruch bei den Privat-Erstis ist ja durch den (in obigem Link erwähnten) Kollaps des SIMT ganz gut erklärt, aber: Warum hat Frankenberg die Wanderungszahlen nicht schon längst in einer Pressemitteilung des Typs "Studiengebühren machen unsere Unis sexy" verwurstet?
...dass der Begriff "Elitehochschule" für Heidelberg zumindest in Bezug auf die soziale Herkunft der Studis nicht unzutreffend ist? Während nämlich im Bundesdurchschnitt 37% der Studierenden aus der vom DSW ausgemachten "hohen" Einkommensgruppe und 12% aus der "niedrigen" kommen, sind die entsprechenden Zahlen für Heidelberg 45% und 10% (in Freiburg siehts allerdings noch schlimmer aus). Diese Zahlen (wie das nette Faktoid, dass die Zahl der BAföG-EmpfängerInnen in Baden-Württemberg zwischen 1999 und 2004 um über ein Drittel angestiegen ist) erfährt mensch in der Antwort des MWK auf eine Landtagsanfrage von Carla Bregenzer und GenossInnen zum Thema soziale Selektivität, BAföG und Studiengebühren. Ebenfalls aufschlussreich: Nur 0.7% der Studis bekommen derzeit ein Stipendium, von dem sie leben können. Dass das nichts mit dem Stipendien-Dorado zu tun hat, das die Gebührenfundis immer versprechen, ist auch dem Ministerium klar, doch geht es "davon aus, dass die Hochschulen die Einwerbung privater Stipendien angehen werden". Na, das wird bestimmt ganz toll...
...dass Heidelberg Schlusslicht ist? Das jedenfalls verkündet das Land in einer seiner großartigen Meldungen, in der es dieses Mal um die Umsetzung des Bologna-Prozesses geht -- und da gibt Heidelberg mit, freundlich gerechnet, gerade mal 8 Bachelor- und 14 Master-Studiengängen ein eigentlich recht studifreundliches Bild ab. Schlusslicht halt. Und noch ein schönes Zitat aus der Meldung: "Nicht immer stoßen die neuen Studiengänge allerdings auf Interesse: Für den neuen BA/MA-Studiengang Mathematik [in Ulm] meldeten sich nur neun Studenten an."
Walter I. Schönlein
Dieser Artikel wurde zitiert am: 26.10.2005, 25.01.2006