Der vor zwei Wochen verschobene Informationsabend zu den neuen Straßenplanungen im Norden Heidelbergs fand gestern doch noch statt. Die Verschiebung tat dem Interesse keinen Abbruch -- fast 200 Menschen hatten sich im Gemeindehaus der Friedenskriche eingefunden, um sich anzuhören, was Uni und Stadt so aushecken möchten.
Schlimm genug klingt es ja: Um mehr Autos ins Feld schaufeln zu können, soll einiges an Beton und Asphalt auf der Handschuhsheimer (und teilweise Wieblinger) Erde verteilt werden. Die Pläne hatten wir schon vor zwei Wochen diskutiert -- neu ist einerseits, dass der "kleine Zubringer Nord", damals als von der Stadt favorisierte Lösung gehandelt, in einer Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses zurückgezogen worden ist -- ob da noch ein dickes Ende nachkommt, bleibt natürlich abzuwarten.
Neu im Gespräch ist ebenfalls ein Plan der SPD-Stadtratsfraktion, einfach vom Ende der Bergheimer Straße durch die Gneisenaustraße über einen ausgebauten Wehrsteg ins Feld zu schneiden. Zwar ist dies immer noch weniger zerstörerisch als die "Große Option" alias "Fünfte Neckarquerung" -- vom Kurpfalzring in Wieblingen durch das Naturschutzgebiet Altneckar (ggf. auch unten drunter durch) zum Klausenpfad und zur Berliner Straße --, das Problem der zusätzlichen Autos im Feld wird dadruch jedoch kaum besser; dazu kommt, dass sich die Rektoren, der alte wie der neue, bereits klar gemacht haben, dass sie unter der Fünften Neckarquerung keine Ruhe geben werden. Da der Altneckar mittlerweile aus Brüssel naturgeschützt ist, wird ein Eingriff der geplanten Dimension allerdings recht hohe Hürden zu überwinden haben.
22000 Autos pro Tag, davon 8000 ins Feld, sollen laut Gutachten auf der Autostrada del Feldo rollen und so die Ernst-Walz-Brücke und die Dossenheimer Landstraße "entlasten". Dass neu gebaute Straßen irgendwo für weniger Verkehr sorgen, wollten allerdings nur die wenigsten der Anwesenden glauben. Als Alternative steht ein Ausbau des ÖPNV, vor allem der Straßenbahn, zur Diskussion.
Hier allerdings hat die Uni lange geblockt, und zwar mit einer ganzen Reihe von Argumenten oder, je nach Geschmack, Ausreden. Die Experimente bei DKFZ, Mineralogie oder physikalischer Chemie seien in Gefahr (auch wenn die elektromagnetischen Störungen beim Einschalten eines Computermonitors im Erdgeschoss die einer vernünftig gewarteten Straßenbahn vor der Tür locker schlagen), die PatientInnen der Klinken würden in künftigen Zeiten der Konkurrenz zwischen Krankenhäusern eher Hospitale mit Breitbandanschluss an die Autobahn präferieren (dies haben wir uns nicht ausgedacht!) und dergleichen mehr.
Jetzt scheint allerdings wieder mal Bewegung in die Straßenbahnfrage gekommen zu sein: Die Uni scheint sich mit einer Stichstrecke anfreunden zu können, die bei der Chirurgie rein, am (alten) Botanischen Garten vorbei möglicherweise bis zum Schwimmbad führt. Ein Vertreter der HSB führte allerdings aus, ohne Schleife, vielleicht am Klausenpfad zurück, sei eine Erschließung des Feldes kaum sinnvoll.
Die Veranstaltung beleuchtete den Problemkomplex auch aus ungewöhnlicher Perspektive. Zunächst etwas albern mochte wirken, dass den Anfang ein Vortrag der Gartenbauvereinigung machte. Wenn mensch jedoch bedenkt, dass noch 20 Vollerwerbsbetriebe Gemüse im bedrohten Bereich anbauen, wird klar, dass die Straße nicht nur für Zugvögel gefährlich ist, und sei es auch nur, weil steigende Bodenpreise im Gefolge einer Gewerbegebietisierung die Pachtzinsen in unerschwingliche Höhen treiben werden.
Ebenfalls aufschlussreich waren die Ausführungen eines Fahrers der HSB aus dem Publikum, der in unterhaltsamer Weise die Realitäten der HSB ausführte. Wer hätte etwa gedacht, dass es in ganz Heidelberg lediglich drei funktionierende Vorrangschaltungen gibt?
Die Sache bleibt im Fluss. Zur Stunde befasst sich der Gemeinderat unter dem Eindruck einer kleinen Kundgebung von BürgerInnen aus Wieblingen und Handschuhsheim mit der Angelegenheit. Angesichts der Verwicklung der Universität in die Betonpläne wird der UNiMUT sicher nicht das letzte Mal von der fünften Neckarquerung und ihren Alternativen berichten. Derweil verweisen wir aber auf die (zur Zeit nicht ganz aktuelle) Seite der Bürgerinitiative: http://www.igh-handschuhsheim.de.
Eins sei den Rektoren prophezeit: Die fünfte Neckarquerung wird schließlich auch nur die fünfte Staukolonne werden.
Nachtrag (4.10.2001): Die Beschlüsse des Gemeinderats zum Verkehrsentwicklungsplan sind im Heidelberger Stadblatt dokumentiert. Die Gemeinde scheint sich dem Druck der Rektoren beugen und die Naturschutzregelungen untertunneln zu wollen. Außerdem wollen sie sich um die "Lösung der Probleme in der Fahrradstraße Plöck" bemühen. Tipp der Redaktion: Der Tunnel wird mangels Geld sterben, die Fahrradstraße aus bösem Willen.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 23.01.2002, 18.06.2002, 19.06.2002, 28.03.2003, 30.04.2003, 19.11.2003