Im Jahr 1998, nach der berüchtigten "Ruck"-Rede des damaligen Bundespräsidenten Herzog, die quasi als Bill of Rights der Dienstbarmachung aller Bereiche der Gesellschaft für Konkurrenz und Wirtschaftswachstum verstanden wurde, legten die HochschuldeformiererInnen erst richtig los: Studiengebühren, Orientierungsprüfung, Privatunis, Auswahlgespräche, Schmalspurstudiengänge, Juniorprofessuren -- die Liste könnte fast endlos weiter gehen.
Gestern hat sich Herzogs Nachfolger wieder an Bildungspolitik versucht, der Zeit entsprechend aber eher mit der Post-PISA-Schule. Die Rede selbst (hier gespiegelt, weil der präsidiale Server unter MS-IIS läuft, also entweder virenverseucht oder down ist) hat bereits viel Flak aus der Presse bekommen, vermutlich, weil Rau nicht in die neokonservative Logorrhoe seines Vorgängers verfallen ist und sich traut, Dinge wie "Bildung ist immer zuerst etwas, das zwischen Menschen stattfindet" zu sagen, wo doch mittlerweile jedeR wissen sollte, dass Bildung Handelsgut ist, ein Gut ohne Bezug zu den AkteurInnen.
Wenn wir im zitierten PISA-Artikel die wesentlichste durch die Studie aufgeworfene Frage in der nach den logischen Kapriolen der ElitebildnerInnen zur Vereinnahmung des Ergebnisse sahen, überrascht Rau. Natürlich ist auch er gegen "ideologische Fixierungen" -- und das hat mensch in diesen Zeiten wohl auf Kostenfreiheit und Reste von Menschlichkeit zu beziehen --, aber er warnt davor, Kinder schon im Kindergarten auf Verwertbarkeit hin zu konditionieren und er stellt sich hin und sagt, keine Schlagworte zur Lösung anbieten zu können. Wenn sich andere VertreterInnen des öffentlichen Lebens wenigstens mal dazu durchringen könnten...
Ernüchternd bleibt trotzdem, dass eine "internationale Vergleichsstudie" welcher Qualität auch immer ein solches Gesumme der politischen Klasse hervorruft. Einerseits sollte auch ein BDI-Präsident nach kurzem Nachdenken darauf kommen, dass quantitative Vergleiche von Menschen und Gruppen von Menschen so furchtbar schwierig sind, dass mensch sie besser gleich lassen sollte, und andererseits würde eine funktionierende Gesellschaft die Ziele ihres Ausbildungssystems doch wohl erstmal selbst definieren und jedenfalls nicht als "möglichst viele Punkte im Test xyz".
Zum Schluss noch der Studien-Tipp der Redaktion: Vor einem guten Jahr wurde die Civic Education Study der IEA abgeschlossen. Das faszinierende Ergebnis: Die deutschen SchülerInnen sind auch, was Politik angeht, nicht sonderlich informiert, sie sind rassistischer als SchülerInnen anderer Staaten, sie sind sack-unpolitisch und kriegen den Arsch nicht hoch, um beim UNiMUT mitzuarbeiten. Das Tolle an der Mitarbeit in der FSK ist: Ihr braucht keine Studie dieses Kalibers, um das mitzukriegen.