An der Uni soll alles schneller gehen -- nicht nur der erste Abschluss muss am besten schon gestern her, auch zum Promovieren sollte mensch sich besser nicht mehr so viel Zeit lassen. Dies merkten etliche der Betroffenen dieser Tage ziemlich drastisch, als sie einen Brief von der Verwaltung bekamen, in dem ihnen für das Sommersemester die Exmatrikulation angekündigt wurde. Die Verzweiflung bei vielen DoktorandInnen ist groß, vor allem bei jenen ohne deutschen Pass. Diese können überhaupt nicht verstehen, warum man sie rausschmeißen will -- und wollen zum Teil nicht glauben, dass sie Opfer einer Gesetzesänderung sind, die quasi rückwirkend gilt.
Wissen können hätten sie es eigentlich spätestens seit dem 1.Januar 2000, denn damals trat das derzeit geltende Universitätsgesetz (UG) in Kraft. Und nach diesem darf man nur noch 3 Jahre als DoktorandIn immatrikuliert sein. Promovieren darf man zwar länger, aber dann nur noch ohne Studiausweis. Also: Schluss mit Semestertickets, die Krankenversicherung wird teurer (manchmal jedenfalls), die Mensa verlangt den Gästepreis, mit Studiwohnheimen ist auch Essig. Für viele fallen auch die Promotionsstipendien weg, Griechen, die den Promovierendenstatus verlieren, müssen gar ihren Kriegsdienst antreten.
Gerade ausländische Studierende schaffen eine Promotion oft nicht in den UG-verträglichen drei Jahren, etwa weil sie haufenweise Scheine oder gar das Latinum nachholen müssen. Doch ausländische DoktorandInnen können wohl aufatmen: Das Rektorat, das sich schon seit Jahren intensiv um seine Art von Internationalisierung und Liebhaben der jetzt Exmatrikulierten bemüht, will sich besonders für sie einsetzen. Alle Betroffenen sollen in einem erneuten Schreiben darüber informiert werden, dass das Rektorat eine Art Härtefallregelung zur Anwendung bringen will und de facto wohl versuchen wird, möglichst viele Studierende so umzuschreiben, dass sie nicht exmatrikuliert werden müssen. Die Redaktion möchte dazu anmerken, dass sich das Rektorat beim nächsten Mal stärker um das kümmern sollte, was in der Verwaltung geschieht, und zwar bevor es rausgeht...
Wer sich vorher informiert hatte, hat sich bereits in den letzten Semestern auf ungefährlichere Studiengänge umgeschrieben -- das Bequemste für ausländische Studierende ist vermutlich die grundständige Promotion, für die man 18 gebührenfreie Hochschulsemester bekommt. Da viele ausländische DoktorandInnen zuvor im Ausland studiert haben, zählen diese Semester nur als Fach-, nicht aber als Hochschulsemester -- und zahlen muss man nur für Hochschulsemester. Wer sich nicht auf grundständige Promotion immatrikulieren kann (weil zum Beispiel ein ausländischer Abschluss hier anerkannt wird), kann in der Regel pro forma ein Zweit- oder Erweiterungssstudium aufnehmen. Das wird allerdings irgendwann (in der Regel ab dem 13. bzw. 4. Semester) gebührenpflichtig.
Tipp der Redaktion für die Studierenden, die darüber nachdenken, evtl. zu promovieren: nutzt alles aus, was sich aus den Gebührenregelungen rausholen lässt. Besonders effektiv sind Auslandssemester, denn die zählen nicht zu den gebührenpflichtigen Hochschulsemestern, die derweil erworbenen Scheine aber kann man sich fast immer alle anrechnen lassen. Gegebenenfalls kann man schon an der Promotion arbeiten, aber erst mal die gebührenbefreiten Semester fürs Diplom-, Magister- oder Lehramtsstudium aufbrauchen und dann erst die Prüfungen machen und die Promotion offiziell anmelden. Nur nebenbei: Mit Blick auf die neuen Befristungsregelungen beim HRG ist das ohnehin ausgesprochen empfehlenswert.
Doch all diese Unternehmungen sollen diese neue Grausamkeit nur so abfedern, dass sich das Protestpotential verteilt und vielleicht nach einigen Modifikationen die schlimmsten Härten abgemildert sind. Denn im Endeffekt tut man PromovendInnen nur einen Gefallen, wenn man sie rausschmeißt, wenn sie die vorgesehene Zeit nicht einhalten. Leistung zeigt sich nicht in der Arbeit, die man schreibt, so die Auffassung in Stuttgart, sondern darin, ob man in einer bestimmten Zeit etwas produziert, was als Promotion durchgeht. Letztlich teilt auch das Rektorat diese Auffassung: An der Dreijahresfrist will es prinzipiell festhalten.
Nachtrag (22.2.02): diese Darstellung war nicht ganz richtig, es sollen alle DoktorandInnen angeschrieben werden und die Verwaltung erstellt gerade eine Aufstellung, welche Härten mit der Exmatirkulation verbunden sind. Neben den finanziellen werden vor allem auch Härten erhoben, die man evtl. auffangen kann. Dies sind Härten, die damit verbunden sind, dass man die UB nicht mehr als StudentIn nutzen darf (und bestimmte Medien nicht mehr nutzen darf) oder in Labors oder anderen Einrichtungen nicht mehr gegen Unfälle etc. versichert ist - wenn man die Einrichtungen überhaupt noch legal nutzen darf. Grundsätzlich ist das Rektorat allerdings nicht gegen eine Dauer von maximal 3 Jahren für eine Promotion. Betroffen von der angedrohten Exmatrikulation sind ca. 450 DoktorandInnen (davon ~150 ausländische).
Dieser Artikel wurde zitiert am: 03.04.2002, 24.03.2004