1997 schlossen die Universitäten (in Gestalt des heutigen MWF-Chefs Frankenberg) und der damalige MWF-Chef Trotha einen Pakt -- den Solidarpakt, nach dem die Unis binnen zehn Jahren 10% ihrer Stellen abbauen sollten und dafür ein Drittel des Einsparvolumens als Sachmittel wiederbekommen und von weiteren Kürzungen verschon bleiben sollten.
Schon seit Monaten schwirren nun Gerüchte, der Solidarpakt-Architekt Frankenberg selbst wolle den Solidarpakt kündigen oder hätte jedenfalls kabinettsintern nicht genug Einfluss, um die Landesregierung daran zu hindern. Etwas kryptische und zweideutige Presseerklärungen, die zwar einerseits bekräftigten, der Solidarpakt stehe, andererseits aber wolkig von "volkswirtschaftliche[r] Notwendigkeit" und "zusätzlich einsparen" die Rede ist, helfen hier nicht, ebensowenig wie eine Orgie von Evaluationen und Expertenkommissionen aller Art. Die spannende Frage ist, was mit all den vielen Evaluationen passiert und warum das Ministerium zur Zeit so viele Berufungslisten unbearbeitet liegen lässt. (Berufungslisten sind Listen möglicher NachfolgerInnen für eine Professur; eine Fakultät erarbeitet sie, wenn eine Professur neu besetzt werden muss. Das Ministerium beruft dann in der Regel Nr. 1 von dieser Liste, selten auch Nr. 2 oder Nr.3.) Derzeit gibt es sogar eine Heidelberger Liste, die das Ministerium von einem eigenen Gutachter nochmals prüfen lässt. Man erahnt die Hoffnung des Ministerium, irgendeinen "objektiven" Grund zu finden, noch eine Professur einzusparen.
Am 19.11. ließ die Landesregierung die ersten Katzen aus dem Sack, nachdem sie sich mit der CDU-FDP-Koalitionsrunde geeinigt hatte. Für 2003 sollen demnach 300 Millionen Euro eingespart werden. Weitere 200 Millionen Euro sollen im Personalhaushalt gespart werden, über die Einzelmaßnahmen soll hier erst im Feburar 2003 entschieden werden, da u.a. auch der Ausgang der Tarifverhandlungen abgewartet werde. Nach Angaben der Landesregierung kann sich diese Summe erhöhen, wenn es zu keiner Nullrunde komme. Für 2004 werden weitere noch drastischere Einsparungen erwartet. In der jetzt beschlossenen Streichliste steuert das Kultusministerium 16,912 Millionen Euro bei, vor allem durch verdeckte Deputatserhöhungen bei den LehrerInnen.
Vor dem Hintergrund des Solidarpakts ist es nun spannend, was im Wissenschafts- und Kulturbereich gespart wird. Dass der Solidarpakt gebrochen wird, erwarten viele bereits... Als erste Einrichtung im Wissenschaftsbereich muss die Akademie für Technikfolgenabschätzung dran glauben. Und das ist -- so der noch-Leiter der TA-Akademie im Südwestfunk am 20.11. -- erst der Anfang, denn die Nacht der langen Messer gehe weiter. Dabei hatte es ganz gut ausgesehen für die TA-Akademie. In Evaluationen hatte sie gut bis sehr gut abgeschnitten, was bemängelt wurde, war oft auf nicht besetzte Direktorenstellen zurückführbar oder vor dem Gesamteindruck problemlos zu vertreten.
Und genau hier lassen sich die schon aus dem Unibereich bekannten Muster erkennen, nach denen weiter gemetzelt werden könnte: Stellen werden lange nicht besetzt, dann die Einrichtung evaluiert und Mängel aufgelistet. Ungewöhnlich im Falle der TA-Akademie ist aber, dass das Land gar keine inhaltlichen Gründe vorschützt: Ganz frank und frei werden ausschließlich finanzielle Zwänge zur Begründung angeführt. Wenn das weiter geht, dann werden nicht nur alle Formen von Studiengebühren immer attraktiver, sondern (weil Gebühren nie genug einbringen werden) bald auch die Pädagogischen Hochschulen, Fachhochschulen und Unis geschröpft. Dass ihre Studierendenzahlen steigen, ist dann eher ein Argument für Kürzungen. Nach neoliberaler Logik erhöht Qualität die Nachfrage und da Qualität inzwischen auch ein Argument für Kürzungen ist ....
Nachtrag (10.2.2003): Auf Proteste gegen die Schließung der Akademie äußert das MWK, der Verlust TA-Akademie sei verschmerzbar, zumal am FZK mit dem ITAS bereits "eine der größten Technikfolgenforschungeinrichtungen in Deutschland" vorhanden sei. Das ist schön, zumal das ITAS angesichts der Geschichte des FZK (das mal Kernforschungszentrum Karlsruhe hieß) gewiss noch viel kritischer als die TA-Akademie vorgehen wird.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 04.12.2002, 15.01.2003