Vorbemerkung: Bereits vor einiger Zeit stellte der Unimut das neue Budgetierungsmodell der Uni Heidelberg vor. Selbigem zufolge wird zukünftig ein Teil -- angestrebt ist wohl ein rundes Drittel -- des Institutsetats aufgrund von Verhandlungen festgelegt. Zu diesen Verhandlungen gehört eine Begehung des Instituts samt anschließender Befragung von VertreterInnen der ProfessorInnen, des Mittelbaus sowie von "institutsnahen Studierenden". An dieser Formulierung hatten sich schon im Senat -- in dem diese Details des neuen Budgetierungsmodells verabschiedet wurden -- Diskussionen entzündet, da die VertreterInnen der FSK im Senat hier die Absicht witterten, Studierende aus den Fachschaften von den Diskussionen fernzuhalten. Das Rektorat wollte dem nicht widersprechen und beharrte auf der Formulierung. Es erklärte sogar explizit, dass man primär an DoktorandInnen dächte.
Nun also fanden die ersten dieser Begehungen statt, am 28.Januar zunächst im Germanistischen Seminar (Neuphilologische Fakultät), wenige Tage später dann auch im Mathematischen Institut (Fakultät für Mathematik und Informatik). Ob und wo noch begangen wurde, ist der Redaktion nicht bekannt, denn natürlich gehen diese Begehungen an allen Selbstverwaltungsgremien der Uni vorbei. Geplant ist aber natürlich, schließlich flächendeckend zu begehen, denn es sollen ja ein paar gutbezahlte Arbeitsplätze in der Verwaltung geschaffen und generell eine Prise Schrecken verbreitet werden. So freut sich der Unimut, an dieser künftig Betroffenen Informationen aus erster Hand, in dem Fall aus der Germanistik, zur Verfügung stellen zu können. Der Ablauf selbst kann allerdings kaum Grund zur Freude sein... - hier der Bericht:
Die studentische Kommission wurde willkürlich vom Seminar zusammengewürfelt. Vornehmlich bestand sie aus zwei Doktoranden, die von ihren Doktorvätern gebeten worden waren, sich den Termin freizuhalten, und einer WiHi des Geschäftsführenden Direktors. Ansonsten waren von studentischer Seite nur eine Studentin aus dem Grundstudium (2.Sem.) zugegen, die von einem Dozenten gefragt worden war, ob sie "Lust" auf diese Besprechung hätte, sowie genau ein Vertreter der Fachschaft, dessen Geschlechtszugehörigkeit ("Schicken Sie einen Mann") Voraussetzung für die Einladung zur Begehung gewesen war. Die Fachschaft hatte, nachdem sie zufällig von dem Ereignis Kenntnis erhalten hatte, um eine Teilnahmemöglichkeit nachgesucht, die leutselig gewährt wurde.
Die Studierenden hatte keine präzisierenden Informationen erhalten, die eine qualifizierte Vorbereitung ermöglicht hätten. Die Fachschaft hatte die Information erhalten, dass nicht über Studienprobleme gesprochen würde, sondern nur über Budgetfragen. Leider war diese einsame Information auch noch falsch.
Der Rektor eröffnete das Gespräch mit der Frage danach, was sich die Studierenden wünschten. Moniert wurde daraufhin der Personalabbau, der -- nach Vorschlag der Studierenden -- durch Lehraufträge aufgefangen werden sollte (dies hatten auch schon Mittelbau und Professoren gesagt). Außerdem wurde der Mangel an Tutorien beklagt sowie eine unzureichende Computerausstattung der Bibliothek, wo es derzeit keinen Rechner gibt, an dem Textverarbeitung oder der Zugang ins Internet möglich wäre -- aber immerhin sieben Rechner mit Zugang zu HEIDI. Auch der Rektor war für mehr Computer, hatte aber offenbar keine Meinung zu der Tutorienfrage. Auf die Missstände im Grundstudium angesprochen, leitete das Rektorat über zum Thema "Auswahl", mit der man die Überfüllung auffangen könne.
Die Mehrheit der Studierenden zeigte sich da offen, vor allem die Doktoranden waren dafür; ein Doktorand hatte sich diesbezüglich auch schon den Vorschlag seines Professors zu eigen gemacht, wonach für ein Eignungsfeststellverfahren in der Germanistik die Abfassung eines Textes sinnvoll wäre: Damit könnten Sprachkompetenz und Formulierungskünste der Studierenden abgeprüft werden. Große Eintracht herrschte zwischen Promovenden und Rektorat, dass durch Auswahlverfahren jeder Art die Überfüllung behoben werden könne. Auch zitierte der Rektor Erhebungen, denen zufolge Studierende im Fach Jura Auswahlverfahren bzw. Auswahlgespräche als äußerst angenehm empfunden hätten und Mittelbau wie akademischer Nachwuchs in der Lehre entlastet worden seien: weniger Studierende, weniger dröges Lehren unter unangenehmen Bedingungen im Grundstudium -- offenbar hatte der Mittelbau in der vorangegangenen Session mit dem Rektorat entsprechende Missstände beklagt (mal wieder so eine fantastische win-win-Situation, an die glauben mag, wer will, d.S.).
Dagegen kamen nur Einwände vom Vertreter der Fachschaft und von der Studentin im Grundstudium, die betonte, dass das kreative Umfeld auch wichtig sei für ein geisteswissenschaftliches Studium. Der Vertreter der Fachschaft hob hervor, dass solche Verfahren zudem umständlich seien und Ressourcen kosteten, zeitliche wie personelle. Er konnte jedoch angesichts der allgemeinen Zustimmung die Fragwürdigkeit und grundsätzliche Problematik nicht thematisieren.
Tiefe Einblicke ins Gebaren wichtiger Personen am Seminar zeigte der Umgang mit einem CHE-Fragebogen, der vor kurzer Zeit vom Institut als zentraler Stelle hätte verteilt und wieder eingesammelt werden sollen. Auf Nachfrage hatte der Geschäftsführende Direktor zuvor bereits erklärt, solche Dinge nicht weiter zu beachten; auch die anwesenden Studierenden konnten sich nicht an derartige Fragebögen erinnern. Das Rektorat zeigte sich geradezu entsetzt (ein schlechter Rücklauf solcher Bögen zeige immer, dass etwas im Argen liege!), bewertete die Sache als sehr wichtig, und verkündete, die anwesenden Studierenden per Mail umgehend über Rücklauf und Ergebnisse zu informieren. Irgendwie waren dann wohl doch einige Bögen verteilt worden. Große Sorgen bereiten dem Rektor auch Rankings, da "die Politik" darauf großen Wert legte. Man müsse dort besser abschneiden, um Druck aus dieser Richtung zu vermeiden.
Der Rektor betonte mehrmals seine Absicht, Heidelberg aus dem Status einer mittelmäßigen oder Massenuniversität herauszuführen. Vereinzelte CHE-Bögen (gemeint waren wohl die wenigen, die tatsächlich ausgefüllt ihren Weg ins Rektorat gefunden hatten) aus der Vergangenheit zeigten angeblich, dass die Studierenden sich hier noch schlechter betreut fühlten als an Universitäten, die anscheinend der ältesten Hochschule Deutschlands in keiner Weise gewachsen wären. Magnifizenz bemühte hierbei immer Negativbeispiele aus den Neuen Bundesländern oder von Universitäten, die er als Bruchbuden qualifizierte. Beispiele waren: Erfurt, Greifswald bzw. Köln, Münster und Hamburg. An der Germanistik in Heidelberg beklagte der Rektor ferner, dass hier keine "corporate identity" herrschte.
Der Prorektor für Entscheidungsfindung fragte die Studierenden danach, was sie von der Computerlinguistik hielten. Da keiner der Anwesenden Computerlinguistik, Informatik oder auch nur Linguistik als Schwerpunkt studierte, konnten alle nur ihre Ignoranz bekennen. Tiefergehende Ausführungen des FS-Vertreters zur Problematik, dass das Fach seit langem in der Fakultät umstritten ist, wurden abgeblockt. Die anderen Studierenden hätten ohnehin nichts von der Thematik gewusst.
Betreffs der Prüfungs- und Lehrsituation stellte der Rektor fest, dass er an der Einheit von Forschung und Lehre festhält. In der Germanistik gibt es diesbezüglich augenscheinlich Ungleichgewichte. Während einige Profs einen Großteil der Prüfungen abnehmen prüfen andere kaum. Insbesondere gilt dies für das Staatsexamen, in dem abgesehen von Ausnahmen nur Profs prüfen dürfen; bei den Magisterprüfungen ist die Zahl potentieller PrüferInnen größer, aber auch hier zeigen sich Ungleichgewichte. Der Rektor erklärte hier Abhilfe schaffen zu wollen. Was genau geplant ist, dazu wollte der Rektor sich allerdings nicht äußern. Auf die Frage, ob und an welche Sanktionsmaßnahmen er denke, beantwortete er mit einem olympischen Lächeln (gewöhnlich gut unterrichtete Kreise haben der Redaktion die Information zugespielt, das Rektorat denke an zusätzliche Forschungssemester für die fleißigen Prüfer -- Red.) Anspielungen des FS-Vertreters verbat sich das Rektorat. Erwähnenswert ist noch, dass die Studierenden sich einig waren, dass die Vorliebe für bestimmte Prüfer nicht an der Leichtigkeit ihren Prüfungen liegt, sondern eher an Faktoren wie Erreichbarkeit während der Prüfungsphase.
Besondere Beachtung wurde den Doktoranden und ihrer Situation am Seminar zuteil. Sie sind in den Augen des Rektorats dem Seminar in besonderer und enger Weise verbunden. Ob sie denn einen eigenen Tisch oder Raum hätten, erkundigte sich das Rektorat; eine Frage, die von den Betroffenen verneint wurde. Der Rektor ließ durchblicken, dass er es gut fände, wenn es in der Bibliothek eigene Bereiche für die Doktoranden gebe. Die Doktoranden vermissten eher Kolloquien. Diesbezüglich mahnte das Rektorat Eigeninitiative bei den Promovierenden an; räumte aber auch ein, dass auch von den Professoren diesbezüglich größeres Engagement wünschenswert sein könnte.
Fazit: Die Studierenden wurden freundlich behandelt, wenn man darüber hinweg sieht, dass sie Feigenblattfunktion hatten. Sinnvolle Vorinformationen wurden nicht gegeben, weder vom Rektorat (wie denn auch), noch vom Seminar. Beider Erwartungshaltung war klar: Umfassende Kritik oder tiefgreifende Kenntnisse der Situation an Seminar oder Fakultät waren nicht erwünscht. Dafür sollte jedoch Zustimmung zu Auswahlgesprächen und eigenen Tischen für DoktorandInnen eingeworben werden.
Soweit der Bericht aus der Germanistik. Der UNiMUT kann die Einschätzung im Fazit nur teilen. Sicher sind Doktoranden und Hiwis "institutsnah". Aber keineR der Studierenden hatte als Schwerpunkt Linguistik, studierte auf Lehramt oder hatte Germanistik im Nebenfach -- sind all die, die diese Kriterien erfüllen, institutsfern? Und warum müssen die Studierenden quotiert sein, die Doktoranden nicht? Welche Sorte von Repräsentierung wird da überhaupt angestrebt?
Auch die Tatsache, dass es ausländische Studierende am Seminar gibt, hätte man berücksichtigen können. Nach der offiziellen Statistik machen von derzeit 1745 Studierenden der Germanistik im Hauptfach immerhin 857 Staatsexamen und 695 Magister, nur 92 promovieren und immerhin 101 -- vermutlich ausländische -- Studierende sind nur vorübergehend in Heidelberg, machen ihre Abschlussprüfung aber im Ausland; es gibt zudem immerhin 227 Nebenfach-Studierende, davon 163 Magister, 23 Lehramtsstudierende, 25 Promotionsstudierende und 16 -- vermutlich wiederum ausländische -- Studierende die ihren Abschluss im Ausland machen). Aber: es kann wohl auch keine Lösung sein, eine studentische Delegation hiernach zu quotieren.
Den Sinn -- ganz zu schweigen vom Hintersinn -- einer Frage nach der Computerlinguistik, versteht nur, wer weiß, was derzeit in den zuständigen Gremien diskutiert wird. Diese Informationen haben aber in aller Regel nur die in den Fachschaften engagierten Studierenden (und natürlich UNiMUT-LeserInnen). Der Fakultätsrat tagt nichtöffentlich und je weniger davon bekannt wird, desto leichter kann man in Gesprächen mit unvorbereiteten Studierenden die Zustimmung für Auswahlverfahren oder karierte Vorhänge erlangen.
In der Mathematik übrigens verlief die Begehung ähnlich unerfreulich. Die Fachschaft erfuhr einen knappen Tag vor dem Ereignis von den großen Dingen, die sich da tun sollten, natürlich inoffiziell. Als Studis durften zwei Diplomanden herhalten, die dann von Hommelhoff auf lange Studienzeiten angesprochen wurden -- was vermutlich ebenfalls auf Auswahlgespräche hätte hinauslaufen sollen, denn Überlast gibts in der Mathe eigentlich nur, wo Export in andere Fakultäten beizubringen ist. Leider waren die Zahlen des Rektors (14.6 Semester) schnell mit Zahlen des heiligen CHE (11.5 Semester) gekontert, woraufhin der Rektor an den Zahlen der DiplomandInnen und DoktorandInnen herumkrittelte und offenbar tatsächlich aufs Lehramtsstudium einging. Was bei den Gesprächen mit Vögten und Baronen (also Mittelbau und Profs) herausgekommen ist, ist auch noch nicht abzuschätzen. Vielleicht weiß MathPhys nach der nächsten Fakultätsratssitzung mehr.
Und dies sollte Grund genug sein, die ineffizienten und fast schon demokratischen -- was hätte das auch in einem kundenorientierten Unternehmen wie Hommelhoffs Universität verloren? -- Fakultätsräte abzuschaffen. Wo man so offensichtlich prima alles einfach so auskarteln kann.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 28.03.2003, 03.01.2004, 11.06.2004