Glauben sie nicht, dass sie zahlen müssen, oder wollen sie zahlen? Das fragten sich die fünf Studis, die es heute abend zur FSK-Infoveranstaltung über die heraufdämmernden allgemeinen Studiengebühren in die Neue Uni geschafft haben. Angesichts des Umstands, dass dies gemeinsam mit der analogen Veranstaltung im Feld gestern (mit 35 TeilnehmerInnen, zu guten Stücken aus der Fachschaft Math-Phys) der Höhepunkt der Studiengebühren-Aktionswoche an der Uni Heidelberg sein sollte, war die Frage durchaus berechtigt. Denn es brennt, gilt es doch als ausgemacht, dass das Frankenberg-Ministerium, wenn seine Klage gegen das HRG6 durchkommt, flugs -- also ab WS 2003/04 -- generelle nachlaufende Studiengebühren einführen wird. Und wenn sie nicht durchkommt, wird es das wohl auch tun, sofern nicht doch noch ein Wunder geschieht und plötzlich Studimassen auf der Straße stehen.
Die "Entwicklungsfähigkeit" nachlaufender Studiengebühren wurde neben einer Darstellung der augenblicklichen Vorgänge im ersten Vortrag des Abends am Beispiel Australien demonstriert. Dort wurden seit ihrer Einführung 1989 aus $AUS250 mittlerweile bis zu $AUS6000. In Baden-Württemberg werden wir gleich mit 500 Euro und damit etwa drei Mal höher als seinerzeit die Australier einsteigen -- wo wir dann in zehn Jahren stehen werden, überlegt mensch besser nicht.
Glauben sie nicht, dass sie zahlen müssen, oder wollen sie zahlen? Vermutlich wollen sie zahlen. Dafür sorgte wohl der "Große Wurlitzer" aus freier Presse im Besitz eben jeder Medienunternehmen, die sich den großen Raibach vom Verkauf von "Bildungs"angeboten versprechen (Stichwort CHE) und einer selbsternannten Elite, die immer verstockter ihren vermeintlich liberalen Ideologien aus der Mottenkiste anhängt. Aus diesem Großen Wurlitzer quellen wie aus einer überdimensionalen Musicbox endlos die immer gleichen verqueren Argumente, warum allerlei Studifolter, allem voran eben Gebühren, genau das sei, was Studis und die Gesellschaft als Ganzes haben möchten. Dass diese Dauerbeschallung die Hirne derart flächendeckend so mürbe gemacht hat, dass sie noch das billigste Eigeninteresse vergessen und nun selbst glauben, dass Studiengebühren gut für sie seien -- das allerdings ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts schon ein wenig erschreckend.
Schade, dass die Opfer des Großen Wurlitzer nicht zur Infoveranstaltung kamen, denn einer der Referenten versuchte -- recht überzeugend -- darzulegen, dass Studiengebühren in der Tat auch makroökonomisch unsinnig sind. Vielleicht hätte mensch sich gewünscht, dass eher inhaltlich orientierte Argumente von der studiengebührenbedingt endlosen Elternabhängigkeit über absehbar weiter fallende Bereitschaft von Studierenden zum sinnvollen Engagement bis hin zu den Konsequenzen einer Unterwerfung von Bildung und Wissenserwerb unter ein Marktdiktat einen breiteren Raum eingenommen hätten. Vielleicht ist aber auch wahr, dass die verbliebenen kritischen Stimmen im Getöse der freien Propagandamaschine ohnehin nur noch eine Chance haben, wenn sie mitsingen, was die Jukebox gerade spielt. Und z.B. korrekt ausführen, dass Studiengebühren nichts anderes als eine Elternsteuer sind, dass sie mittelfristig die Steuereinnahmen empfindlich reduzieren werden, dass sie den Arbeitsmarkt wesentlich belasten und was da noch so alles ist.
Wie auch immer mensch argumentiert, klar ist: Wir verspielen heute nicht nur unsere eigenen kleinen Freiräume, wir verurteilen Generationen künftiger Studierender, sich selbst als Objekt der Investition verstehen zu müssen, einer Investition, an deren Finanzierung ihre Eltern schon seit ihrer Geburt getüftelt haben. Wir verurteilen die Universitäten zu Stätten, an denen der sanfte Totalitarismus des Sachzwangs zwar unendliche Möglichkeiten verspricht, die tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten jedoch stärker beschneidet als irgendein politisches Handeln.
Wir würden gern schließen mit einem Satz wie: "Es ist noch nicht zu spät". Doch wenn aus der weiten Altstadt wirklich nur vier Studis (der anwesende Redakteur zählt wohl kaum) ihre Augen und Ohren offen genug halten, um von der (zugegebenermaßen nicht übermäßig beworbenen) Veranstaltung zu hören und dann noch Willen genug aufbrachten, wirklich hinzugehen, dann, ja dann will so ein Satz sich nicht formen.
Nachtrag (31.1.) Aus Freiburg wird Erfreulicheres berichtet: Dort waren 1000 Studis bei einer Demo, die VV besuchten immerhin 500 Studis. Selbst der ehemalige Horrorchef des Dezernats 2 in Heidelberg, Eckhard Behrens von der FDP, hatte zu einer Podiumsdiskussion nach Freiburg gefunden. Angesichts des inkorhärenten Gedankenbreis, den er dort absonderte, kann dies durchaus als peinlich gelten.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 26.02.2003, 19.03.2003, 26.03.2003, 05.12.2003, 03.01.2004, 07.06.2004, 30.09.2004, 20.12.2004