Offener Brief antifaschistischer Gruppen an das Rektorat
Gedenkinstallation zum 70. Jahrestag der Bücherverbrennung -- diese Vergangenheit haben die Verbindungen ganz offenbar längst überwältigt. |
Gerade rund um den Jahrestag der Bücherverbrennungen würde mensch wohl erwarten, dass die Studentenverbindungen die Umgebung der Neuen Uni meiden würden -- praktisch alle Heidelberger Verbindungen waren vor 70 Jahren in voller Verkleidung vor der Neuen Uni aufgezogen, um der Barbarei einen passenden Rahmen zu geben. Und sie hatten damit viel Übung: Schon zum Wartburgfest 1817, quasi das definierende Ereignis des modernen Verbindungsunwesens, hatten einschlägig organisierte Studierende von "Turnvater" Jahn als "undeutsch" identifizierte Schriften verbrannt.
Nein, Burschen, Korporierte, Turner, VdStler (die sich, nur nebenbei, übrigens als Speerspitze des rassischen Antisemitismus gegründet hatten) sehen wenig Grund zur Vergangenheitsbewältigung. Am 14.5., drei Tage vor dem Jahrestag, hatten 13 Verbindungen zu einer "Informationsveranstaltung" geladen, geschmackloserweise gerade in die Neue Uni. Auch angesichts des Umstandes, dass die Herren zum Anlass "Farben trugen", also ihre Schärpen und Käppchen anhatten, was seit den tiefen Naziverstrickungen der Verbindungen innerhalb von Gebäuden der Universität ausgesprochen ungern gesehen wurde und wenigstens zeitweise verboten war, mag das ganze Schauspiel durchaus als geplante Grenzüberschreitung gelten -- "mal sehen, was so geht".
Der Antifaschistische Arbeitskreis und die AIHD finden, dass eine solche Grenzüberschreitung nicht geht und haben dem Rektorat daher einen offenen Brief geschrieben, den wir hier dokumentieren möchten. Mal sehen, ob sich dieses zu einer Antwort durchringt...
Antifaschistischer Arbeitskreis an der Universität Heidelberg
Antifaschistische Initiative HeidelbergOffener Brief an das Rektorat der Universität Heidelberg
Heidelberg, den 29.05.03
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Hommelhoff,
Anlass unseres Schreibens ist eine Veranstaltung von Heidelberger Studentenverbindungen, die am 14. Mai 2003 in der Neuen Universität stattgefunden hat. Unter dem Motto "Studentenverbindungen in Heidelberg - Wir stellen uns vor!" beteiligten sich 13 der 25 in Heidelberg aktiven Verbindungen an der Gestaltung dieses Abends.
Die Veranstaltung mit über 80 Personen war fast ausschließlich von Korporierten besucht, was allein dadurch ersichtlich wurde, dass der überwiegende Anteil "farbentragend" (d.h. mit Mütze und Band in den jeweiligen Verbindungsfarben) in der Neuen Universität erschien. Das derartig unverblümte Zurschaustellen der Verbindungszugehörigkeit auf dem Campus ist uns so noch nicht begegnet. Auch sind wir diesbezüglich von einem Verbot des "Farbentragens" seitens der Universität ausgegangen, das nach 1945, auch aufgrund der Rolle der Korporationen im Nationalsozialismus, eingeführt worden ist.
Aber nicht nur an der Universität versuchen Studentenverbindungen präsent zu sein, sondern auch im allgemeinen Stadtbild, wie bspw. das sog. Maiansingen zeigt. Auch hier, so unser Kenntnisstand, gibt es von korporierter Seite anhaltende Bestrebungen, das "Maiansingen" in der Heidelberger Altstadt wieder durchzusetzen.
Dass das "Maiansingen" keineswegs "unpolitisch" bzw. nur Ausdruck eines verklärt-romantischen Studierendenbildes ist, zeigt allein die jüngste Vergangenheit.
So versammelten sich bspw. 1998 auf dem Heidelberger Schloss in den Reihen der Burschenschafter mehrere durch ihr Auftreten und Erscheinungsbild eindeutig der neonazistischen Szene zuzuordnende Personen. Dabei zeigten diese -- in Anwesenheit der Verbindungsstudenten -- den sog. Hitlergruß und skandierten menschenverachtende, rassistische Parolen.
Zum "Maiansingen" der Korporierten gehört ebenso, in dieser Nacht das "Deutschlandlied" in allen drei Strophen zu singen.
Darüber hinaus beschränken sich die politischen Aktivitäten einiger Korporationen keineswegs auf solche oder ähnliche "Feierlichkeiten". Im Frühjahr 2000 etwa verteilte die Aktivitas der "Normannia" in Couleur antisemitische Flugblätter in der Heidelberger Hauptstraße, in denen gegen das "jüdische Finanzkapital" gehetzt wurde und deren Inhalt der neonazistischen Zeitschrift "Unabhängige Nachrichten" entnommen war. Zudem lassen sich Kontakte und Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten rechtsextremen Gruppierungen bzw. Organisationen nachweisen. Dass selbst von korporierter Seite die Burschenschaften "Normannia" und "Allemania" als "faschistisch" bezeichnet worden sind, unterstreicht deren Charakter zusätzlich (vgl. Rhein-Neckar-Zeitung vom 2.5.2003).
Trotz solch offensichtlicher Positionierungen vermeiden die meisten anderen Verbindungen eine eindeutige Distanzierung. Wie nicht zuletzt die oben genannte Veranstaltung in der Neuen Universität gezeigt hat, besteht mehr denn je ein "korporatives Gesamtinteresse", das offen artikuliert wird. So findet weiterhin eine Zusammenarbeit und Koordination zwischen eher liberal bzw. konservativ auftretenden und offen neonazistischen Verbindungen auf diversen Ebenen statt.
Momentanes Ziel der Korporationen ist es, in Universität und Öffentlichkeit wieder vermehrt präsent zu sein. Dazu gehört nicht zuletzt eine gezielt verfolgte Annäherung an universitäre Stellen.
In Anbetracht der dargestellten Problematik halten wir eine Stellungnahme Ihrerseits zum allgemeinen Umgang mit Studentenverbindungen für angebracht:
- Inwiefern genießen studentische Verbindungen, insbesondere Korporationen, die in Dachverbänden wie der Deutschen Burschenschaft (DB) oder dem Verband der Vereine Deutscher Studenten (VVDST) zusammengeschlossen sind, die Unterstützung der Universität?
- Wir bitten Sie weiter klarzustellen, wie die Regelung bezüglich des Couleurverbots auf dem Campus geregelt ist bzw. gehandhabt wird.
Mit freundlichen Grüßen
Felix Müller (AAK), Michael Csaszkócy (AIHD)
Dieser Artikel wurde zitiert am: 03.01.2004