Anekdoten aus Privatien
GATS und TRIPS werden derzeit auf der WTO-Konferenz in Cancún verhandelt -- und damit die nächsten "Sachzwänge", die uns vorgesetzt werden, wenns um die Durchsetzung von Schmalspurstudiengängen, Studiengebühren, Patentirrsinn, die Abschaffung der Krankenversicherung, das weitere Öffnen der Wohlstandsschere im eigenen Land wie auch international und all die anderen hässlichen Dinge geht, die derzeit so im Interesse von Leistungsträgern und dem Vaterland so geköchelt werden. Dass der laue Widerstand, der sich da so regt, reicht, darf bezweifelt werden -- zumal lokal das Bewusstsein, dass genau jetzt die nächsten Schritte zur angeblich so von selbst verlaufenden "Globalisierung" vereinbart werden, nicht furchtbar ausgeprägt ist.
Derweil gibts, ausreichen Zynismus vorausgesetzt, im großen Privatisierungsboom auch mal was zu lachen: Schon vor einiger Zeit hat das Oberlandesgericht München Werner Heuser untersagt, seine Webseite mit Informationen über Unix auf mobilen Rechnern MobiliX zu nennen. Geklagt hatte Les Éditions Albert René als Rechtsnachfolger von Uderzo und Goscinny, die ihr Markenrecht auf Obelix verletzt sah. Vor einigen Tagen nun hat der Bundesgerichtshof den Einspruch gegen diese Entscheidung ziemlich kommentarlos zurückgewiesen.
Es mag im Prinzip recht irrelevant erscheinen, wie nun eine Webseite heißt. Wenn allerdings Leute, die erheblich (zumal unbezahlte) Arbeit in ein (zumal recht lobenswertes) Projekt stecken, von Leuten, die mit unserem Geld quasi beliebige Anwaltsscharen bezahlen können, mit Klagen um 250000 Dollar überzogen werden, ist es schon nicht mehr lustig. Und wenn letztlich die Sprache selbst privatisiert wird und ganze Gruppen von Wörtern als Eigentum von Konzernen verhandelt wird, möchte mensch eigentlich mehr heulen, zumal es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis entweder die Heidelberger Zement oder die Heidelberger Druckmaschinen entweder die Uni Heidelberg oder doch gleich die Stadt auf Zahlung von Lizenzgebühren verklagen werden. Ein Glück, dass die letzten Asterix-Hefte eh doof waren.
Auf die nächste Stufe treibt diesen Wahnsinn derzeit die Deutsche Telekom, selbst ein Produkt des Privatisierungswahns. Sie hätte gern den Buchstaben T sowie die (für Drucker nicht so exotische) Farbe Magenta als Privateigentum anerkannt und versucht dies durch Domainsquatting und Prozesse durchzusetzen: "[Wir] müssen daher streng darauf achten, dass das T nur für die Deutsche Telekom und seine [sic] Produkte steht," so Stephan Althoff, der als "Leiter Markenführung und Werbung" (im Ernst) bei der Deutschen Telekom was tut, was mit viel gutem Willen auch als Arbeit durchgeht. Das ist kein Witz.
Und schließlich darf mensch noch einen Jahrestag begehen: Der gewaltige Backlash gegen alles, was Gewerkschaften und fortschrittliche Menschen seit 1850 dem Kapitalismus an Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit abgetrotzt haben, begann vor ziemlich genau 30 Jahren am 11.9.1973 in Santiago de Chile. Damals putschte das chilenische Militär mit (trotz aller gegenteiligen Behauptungen wohlbelegter) massiver Unterstützung der USA und rettete das chilenische Kupfer für die Weltwirtschaft. In der Folge drückte das Pinochet-Regime auf blutigste Art die ersten "Strukturanpassungsprogramme" gemäß neoliberaler Ideologie durch. Als 1979/80 der Backlash mit Thatcher und Reagan im aufgeklärten Westen ankam, hatte er im Süden schon seine ersten paar Millionen Opfer gefordert.
Zur Erinnerung an diesen historischen Wendepunkt veranstaltete das Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg am Donnerstag eine Kundgebung am Bunsenplatz mit Musik, Erinnerungen und einem Theaterstück, das die Brücke zum Elftenseptember neuer Zeitrechnung schlug. Wer nicht da war, ist trocken geblieben.