Zielvereinbarungen als Booster der dritten Stufe der Hochschulreform
Zielvereinbarungen sind an sich nichts Neues: Will mensch beispielsweise Geld aus den Drittmitteltöpfen der EU, führt etwa kaum ein Weg daran vorbei. Die Idee ist, dass jemand zusichert, beispielsweise einen wirklich nützlichen Haushaltsroboter mit eingebautem Fusionskraftwerk zu bauen. Nach eingehender Evaluation der Erfolgschancen kriegt dieseR jemand dann Geld von der EU. Zweifel, dass aus dem Projekt innerhalb der nächsten zwei Jahre was werden könnten, werden nun mit einer Zielvereinbarung beruhigt, in der stehen mag, dass die EU ihr Geld zurückkriegt, wenn das mit dem Roboter nicht klappt. In der Realität steht natürlich eher etwas drin wie "wenn nicht alle sechs Monate 1000 bedruckte Seiten und zum Abschluss nochmal 2000 bedruckte Seiten extra nach Brüssel oder Luxemburg geschickt werden." Aber das ist nicht wichtig. Uns geht hier ja nur ums Prinzip. Außerdem glaubt außer der Landesregierung sowieso keineR daran, dass Roboter dieser Art demnächst laufen werden, ob mit oder ohne Fusionskraftwerk.
Geht es nach dem Willen des MWK und seines Chefs Frankenberg, sollen nun solche Zielvereinbarungen auch die Hochschulen im Land auf Linie bringen. Gerade heute fing es an, und zwar an der ehemaligen Landwirtschaftlichen Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt in Stuttgart-Hohenheim. Im Groben darf die Uni dort versuchen, Geld, das sie früher mal hatte, wiederzukriegen, indem sie dem Ministerium nach dem Munde redet. Tut sie dies zur Zufriedenheit, bekommt sie erstmal Geld. Wird sie nach einer Weile ungehorsam, muss sie das Geld zurückzahlen. Weil sie das nach einer Weile nicht mehr tun kann, weil es zu viel Geld wäre, ist sie den Sirenen im Ministerium verfallen. Die so genannte "Hochschulautonomie", ohnehin eine höchst fragwürdige Geschichte in Zeiten starker Rektoren mit special relationship mit dem Minister, ist damit gänzlich zur Lachnummer verkommen.
Wie wenig das Ministerium das Bekenntnis stört, beliebig in die Hochschulen reinzuregieren und seine Agenda mit Zuckerbrot und Peitsche (O-Ton: "Die Leistungen des Landes werden mit präzisen Zeitvorgaben und mit Sanktionen verknüpft: Sollten die Ziele von der Hochschule nicht erreicht werden, sind die Zuwendungen zurückzuerstatten.") durchzusetzen, ist in einer Presseerklärung zu den Zielvereinbarungen eindrucksvoll dokumentiert.
Die Agenda überrascht dabei nicht -- in Hohenheim etwa soll aus Lebenswissenschaften ein "food chain management" werden. Damit zum Schaden auch noch Spott kommen darf, ersparte sich der Hohenheimer Rektor Liebig nicht mal einen Kotau vor dem Minister und behauptete dreist, seine Uni habe das schon immer so gewollt (O-Ton Presseerkärung: "[, dass die] Zielvereinbarung von dem Struktur- und Entwicklungsplan der Universität Hohenheim ausgehe").
Nun könnte es uns in Heidelberg ja herzlich gleichgültig sein, wenn und wie würdelos der Hohenheimer Rektor die Seele seiner Uni verkauft. Allein, Frankenberg lässt seine Zielvereinbarung als Zukunftsmodell propagieren, und das aus gutem Grund, wie das folgende Rezept zur Durchsetzung der jeweils letzten Spleens des Ministers illustrieren mag:
Ja -- die viel beschworene Stärkung von Autonomie und Profil der Hochschulen wird noch viele Opfer kosten. Doch die meisten davon werden Studis sein, denn wunderlicherweise können die Profile der Hochschulen meistens gerade durch Wegfall eben der Lehrstühle am Besten geschärft werden, deren InhaberInnen eh bald emeritiert werden. Und das verhindert ja mal zuverlässig wirkliche soziale Härten.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 03.01.2004