Die HRK spricht sich für allgemeine Studiengebühren aus
Während einer Pressekonferenz am 9. Juni 2004 hat die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in Berlin unter anderem ein Konzept für die Einführung von Studiengebühren vorgestellt. Noch liegt das Konzept nicht schriftlich vor, doch lässt sich das Wesentliche aus Verlautbarungen rekonstruieren. Der UNiMUT gibt im Folgenden Informationen des fzs wider:
Die HRK empfiehlt, ab dem ersten Semester Studiengebühren -- man spricht elegant von "Studienbeiträgen" -- in Höhe von 500 Euro einzuführen. Nach einer Einstiegsphase könnten die Gebühren auf Beschluss der Hochschule dann auf 1.000 bis 3.000 Euro ansteigen. Einschränkend wurde angemerkt, dass der Staat sich trotzdem nicht aus seiner Verantwortung für die Finanzierung eines öffentlichen Gutes herausziehen dürfe. Außerdem sollen sozial Schwache nicht von einem Studium abgehalten werden; Wie man das bewerkstelligen will, konnten die Rektorinnen und Rektoren jedoch nicht erklären.
In ihrer Erklärung kritisiert die HRK darüber hinaus, dass die öffentlichen Mittel für die Hochschulen abnehmen und gleichzeitig im internationalen Vergleich nur im geringen Umfang private Mittel zur Finanzierung der Hochschulen eingesetzt werden (nur 6% in Deutschland im Vergleich zu 20% bei amerikanischen Hochschulen). Daher, so wird argumentiert, sollte die Einwerbung von Drittmitteln auch für die Lehre möglich sein -- eben in Form von Studienbeiträgen.
Die HRK spricht sich in einer ersten Phase für einen "niedrigen" generellen Beitrag von 500 Euro pro Semester aus. Dabei sollen BAföG-EmpfängerInnen von diesem Beitrag zunächst freigestellt sein. In einer zweiten Phase sollen die Hochschulen die Beiträge je nach Hochschule und Studiengang in einem staatlich festgelegten Korridor selbst festlegen können. Konkrete Aussagen zu diesem Korridor wollte man natürlich nicht machen und verwies vielmehr auf in öffentlichen Debatten kursierende Werte. Zusammenfassend stellt sich die HRK folgende Rahmenbedingungen für ihre "Studienbeiträge" vor:
HRK-Chef Gaethgens benannte folgende wesentlichen Ziele des Beschlusses:
Einstimmig war der Beschluss der HRK allerdings nicht, es gab auch Gegenstimmen -- wieviele genau, darüber kursieren noch unterschiedliche Angaben: von je gegen elf Gegenstimmen und Enthaltungen bei insgesamt hundert Stimmen ist die Rede. Die taz vom 11.6.2004 zitiert einen der Ablehner, Wilfried Grecksch, Rektor der Universität Halle-Wittenberg mit den Worten: "Wenn man Gebühren einführt, muss ein System vorhanden sein, das diese sozial abfedert" -- und für die Unis in den neuen Ländern sei es sehr schwierig, private Spenden einzusammeln. Außerdem glaube er nicht daran, dass dank Gebühren die Etats der Unis stiegen: "Im Gegenzug würden doch sofort öffentliche Zuwendungen gekürzt."
In einer gemeinsamen Presseerklärung sprachen sich fzs und ABS gegen die Gebühren aus; auch das DSW kritisiert den Beschluss.
Was bleibt, ist die Frage, warum die Rektoren, wenn sie meinen, ihr Programm durchsetzen zu können, nicht gleich versuchen, die eine Erhöhung der Hochschuletats durchzusetzen. Denn wenn der Staat die Gebühren nicht gleich wieder wegkürzen, sondern auch noch ein Stipendiensystem für die "sozial Benachteiligten" schaffen und somit den -- indirekt und mit hohem bürokratischen Aufwand -- doch mehr Geld geben würde, könnte mensch sich ja den Aufwand auch sparen und die Etats einfach direkt aufstocken. Eigentlich wissen das die Rektoren auch selber. Warum hier ein derart realitätsfernes Papier verabschiedet wurde, darüber zur Raisonnieren möchte die Redaktion den werten LeserInnen überlassen. [Ein Sonderforschungsbereich politische Endokrinologie könnte hier sicher Interessantes zu Tage fördern...]
Weniger im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses steht übrigens ein weiterer Beschluss der HRK: der Rektor der Uni Heidelberg wurde für die Amtsperiode vom 1.8.2004 bis zum 31.7.2006 zum nächsten HRK-Chef gewählt. Heidelberger Rektoren hatten schon immer ein gewisses Sendungsbewusstsein, gerade auch in Sachen Gebühren -- der jetzige Rektor, Peter Hommelhoff, ist hier keine Ausnahme; neben Gebühren tritt er vor allem für "Elite" ein. Doch auch in anderen Bereichen kann man sicher mit Impulsen für die deutsche Hochschullandschaft rechnen.
Mit großem Brimborium wird beispielsweise das Projekt IMPULSE durch die Unispitze promotet. Schwerpunktmäßig wird vor allem etwas umgesetzt, was sich SAP R/3 nennt und vor allem durch seine, wie mensch hört, nach wie vor nicht überwundenen, Startschwierigkeiten auf sich aufmerksam machte. Offiziell sind ein Bestandteil dieses Projekts zur "optimalen und dezentralen Ressourcenverwendung" allerdings auch Haushaltsverhandlungen mit einzelnen Instituten im Rahmen des längst schlingernden neuen Budgetierungsmodells der Uni.
Sie sollten der Ermittlung des Umfangs des im eben verlinkten Artikel erklärten "Verhandlungsteils" dienen, der den nach etwas beliebigen Kriterien berechnete "Formelteil" ergänzen sollte. Ihre praktische Umsetzung erfolgt in so genannten "Begehungen", während derer eine Delegation des Rektorats erst mit den ProfessorInnen, dann mit dem Mittelbau und abschließend mit Studierenden eines Instituts spricht.
Nicht nur bei den Studierenden machte sich bald der Eindruck breit, dass es nicht wirklich etwas zu verhandeln gab. Ja, man wurde den Eindruck nicht los, dass vorher schon alles feststand und es gar nicht mehr drum ging, sich ein Bild dessen zu machen, was vor Ort läuft -- hier etwa der Brief eines Ordinarius ans Rektorat. In anderen Fächern lief es oft nicht weniger aufschlussreich.
Letzter Höhepunkt in dieser Sache: die Nicht-Begehung der Soziologie. Hier wurde die angesetzte Begehung kurzfristig abgesagt. In einer darauf folgenden Institutsversammlung berichtete der Institutsleiter Schluchter, dass die Soziologie nicht gut genug für Heidelberg sei, vielmehr Freiburg viel besser sei. [Nachtrag 29.Juni 04: ein Gespräch mit dem Rektor widergebend, nicht etwa seine eigene Meinung; bei manchen LeserInnen entstand trotz Konjunktiv der Eindruck, es handle sich um Schluchters Meinung.] Außerdem gebe es zu viele Abbrecher, in Rankings schnitte sie zu schlecht ab und zu der schlechten Bibliothek kämen noch Zwistigkeiten im Institut. [Auch hier der Hinweis, dass dies die Meinung des Rektorats ist, seriöse Wissenschaftler berufen sich nicht auf fragwürdige Umfragen im Stile von Zeitschriftenrankings.]
All dies findet man natürlich auch in anderen Instituten. In der Soziologie aber reichte es dazu, Gespräche gar nicht erst aufzunehmen. In dubio pro reo -- ein Grundsatz, der für das Rektorat offenbar nicht zählte. Vielleicht hatte das Rektorat einfach kein Geld mehr zum Verhandeln. Dagegen spricht, dass angeblich in der nächsten Zeit andere Begehungen stattfinden sollen. KennerInnen der Szene vor Ort hegen den Verdacht, dass einzelne Lehrende der Soziologie einen besseren Draht zum Rektorat haben als andere -- in Zeiten von Kürzungen ist so etwas immer gefährlich! Man kann der Soziologie nur wünschen, dass das nicht auch noch weitere Entscheidungen beeinflusst.
Eine gute Nachricht am Ende: die sogenannten Langzeitstudierenden zahlen in Zukunft erst mal weniger: statt bisher 511,23 künftig 500 Euro. Wenn das nicht sozial ist!