Bericht zur Anhörung zum Landeshochschulgesetz (LHG) der SPD-Landtagsfraktion
Das neue Landeshochschulgesetz -- wir berichteten schon ein paar Mal und bieten zusätzlich das Juralette -- hat mittlerweile die Phase der klandestin-konspirativen Klüngelei zwischen Magnifizenzen und Exzellenzen verlassen und darf sogar von ordinären VolksvertreterInnen diskutiert werden. Eine solche Diskussion (im Parlamentsjargon "Anhörung") veranstaltete die SPD-Landtagsfraktion am 8.7. Aus Heidelberg war space dabei und berichtet folgendes:
Gegenüber der Deutschen Bahn kann ich qua Gebühren, sprich Ticketpreise, zwar als Kunde auftreten, das verhinderte aber nicht 20 Minuten Verspätung bei einer Fahrtdauer von 40 Minuten nach Stuttgart -- dies im IC, dem Master unter den Zügen, denn die IR, die Bachelors, waren der Bahn ja nicht mehr exzellent genug. Aber ich kam noch rechtzeitig, um auch die erste Eingangsrede teilweise zu hören, gehalten von Prof. Schaich, dem Tübinger Rektor und neuem Chef der Landesrektorenkonferenz (LRK). Ihm folgten diejenigen der Chefs der Rektoren der Fhen, der Phen, der Berufsakademien, des Landesverbands des Mittelbaues, des Landes-GEW-Hochschulbereichs (Christoph Klein-Brabender), eines weiteren Vertreters der FH-Profs (namens Lerchenmüller), sowie des Sprechers der Landesastenkonferenz ( LAK), Michael Vogel.
Im gut gefüllten Saal im SPD-Teil des Landtagsgebäudes saßen eine ganze Bank voller Stuttgarter aller Statusgruppen, ferner einige Tübinger und viele versprengte aus diversen anderen Hochschulen. Nur wenige meldeten sich zu Wort, dafür u.U. recht häufig. Carla Bregenzer (zuständig für den Bereich Hochschulen der SPD-Landtagsfraktion) und eine weitere Abgeordnete moderierten.
Die Rektorenchefs kritisierten übereinstimmend, mit leichten Variationen in der Intensität, die Ausrichtung des Landeshochschulgesetzes (LHG) auf Demokratieabbau und Pseudo-Unternehmensstruktur, insbesondere die Kompetenzverlagerung auf immer kleinere Gremien wie Rektorat und Hochschulrat. Ferner wurde die Behandlung der Hochschulen als "nachgeordnete Behörde" durch nach wie vor weitgehende Einflußnahme etwa bei Studiengängen angeprangert. Mehrere Redner griffen das Thema der sogenannten Zielvereinbarungen zwischen Land und Hochschule auf, etwa bzgl. Forschung, und stellten fest, daß diese letztlich auf Befehle von oben hinauslaufen, da Verträge "auf Augenhöhe" zwischen Geldgeber und -nehmer schwer möglich seien. Herr Klein-Brabender wies auf das gefährliche Fehlen einer Definition dieser Zielvereinbarungen hin -- das Land kann de facto den Unis alles vorschreiben, was es will, wenn es hier nicht zu weitergehenden Regelungen kommt. Durch diese Beobachtung wurde es endlich einmal konkret, gingen doch die Beiträge bis dato nicht hinaus über die bereits aus den Stellungnahmen der Senate bekannte, leicht wehleidige Rhetorik. Deren Nachteil besteht darin, daß viele ihr zustimmen können -- ebensoviele auf den Straßen des Ländles wie der wohlklingenden Gegensonntagsrede der Landesregierung. Im Ergebnis resultiert derlei Geplänkel in präzise gar nichts.
Michael Vogel mischte die Runde auf seine Art auf, anmerkend, daß die Rednerliste leider auch nach dem "Top-down"-Prinzip gestrickt war -- erst hatten die Rektoren das Wort erhalten, dann die Mittelbauern, er selbst zuletzt -- und daß sie, abgesehen von den Abgeordneten, ein reine Männerrunde war. Letzteres mag sich freilich teils aus dem äußerst geringen Frauenanteil unter den Rektoren (und LAK-Gesandten, nicht wahr) erklären. Bzgl. des LHG wies er noch auf das Fehlen einer Regelung zur Verfaßten Studierendenschaft und einen entsprechenden Ergänzungsentwurf der LAK hin.
In der anschließenden Diskussion ging es, an Michael Vogels Beitrag anknüpfend, zunächst um die Kompetenzen der Gleichstellungsbeauftragten, allerdings wiederum, ohne daß es in konkretes oder neues gemündet hätte. An einigen Hochschulen scheint es aber, unabhängig von der Gesetzesversion, vom Zufall abzuhängen, ob die Beauftragte zu Senatssitzungen eingeladen wird. Versprengt folgten danach Anmerkungen zur Bachelor/Master-Problematik. Carla Bregenzer hakte ein, zur Frage BA/MA werde es eine eigene Anhörung im September geben, ohnehin sei der Prozeß noch im Fluß. Jemand rief noch in Erinnerung, daß der Bologna-Prozeß mitnichten die Abschaffung der Diplom- und Magisterabschlüsse verbietet.
Kurz andiskutiert wurde die Frage, ob man gegen das LHG klagen könne; Herr Schaich meinte, es sei kritisch, eine Hochschule "autonom" zu nennen, wenn externe, also Nicht-Hochschulmitglieder, eine Mehrheit in einem gestärkten Hochschulrat haben. Es entstand aber keine Klarheit darüber, wer bzw. welche Institution denn die Klage führen, und präzise welche Stoßrichtung diese haben könne.
Der Vertreter der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter der Uni Hohenheim wies auf die Datenschutzproblematik in §12 hin, nach welchem die Grundordnung alle Hochschulangehörigen zum Mitführen von Speichermedien zur ID-Feststellung etc. verpflichten kann. Der Hinweis stieß indes leider auf wenig Resonanz -- hier scheint es Nachholbedarf in der Sensibilisierung zu geben.
Schließlich wandte sich die Aufmerksamkeit den Leitungsstrukturen zu. Die Tübinger Studivertreter kritisierten die Entmachtung der Fakultätsräte, andere die Machtfülle der Hochschulräte. Ich führte aus, das Gesetz als solches und seine Grundausrichtung könne unter der derzeitigen Regierung nicht gekippt werden. Es sollte aber möglich sein, konkrete Punkte im Gesetz, etwa bzgl. Berufungen, noch zu entschärfen -- ich verwies auf das Papier der Uni Heidelberg, welches ein Team des Unabhängigen Modells in einer von dessen Leuten initiierten Senatskommission mitgeschrieben hatten. Dazu sei Koordination, Konkretisierung und Kommunikation nötig.
Herr Lerchenmüller knüpfte daran an und gab bekannt, der Minister plane derzeit, im finalen Gesetzestext eine Option für erweiterte Fakultätsräte vorzusehen. Die Tübinger berichteten, der Minister habe im letzten Gespräch mit LAK-Leuten angekündigt, zwei statt nur eines/r Studivertreters/in in Berufungskommissionen zu setzen. Herr Schaich forderte, ebenfalls konkret bleibend, die Mitgliedschaft von Landesbürokraten als Externe in Hochschulräten im Gesetz zu unterbinden, um den Einfluß des Landes nicht noch mehr anwachsen zu lassen.
Carla Bregenzer schloß schließlich die Runde, faßte die wesentlichen Punkte zusammen und gab bekannt, daß die SPD eine Anhörung vor dem Wissenschaftsausschuß durchgesetzt hat, die im Herbst stattfinden werde. Dies war lange offen gewesen, zeichnet sich das Wissenschaftsministerium bislang nicht durch Transparenz und Demokratieversessenheit aus, sondern eher durch pseudoexzellente, i.e. leicht zu umgehende, Geheimniskrämerei. Als sich die Versammlung auflöste, standen Herr Schaich und einige andere Profs noch ein wenig beieinander und berieten über die BA/MA-Frage. Ich trat hinzu und erwähnte die Probleme der Psychologie, ohne Verlust an Breite ihre Diplome auf BA/MA-Studiendauer einzudampfen. Herr Schaich bestätigte, die Tübinger PsychologInnen wollten das auch nicht; die LRK überlege, ob sie gegen den Zwang, die Diplome abzuschaffen, nicht massiv Front machen wolle.
Mit immerhin einigen neuen Daten hastete ich zurück zum Bahnhof, rang dem Automaten das Ticket ab und warf mich gerade noch rechtzeitig in den 14.05-Zug -- bevor er mit konkreter, geradezu exzellenter Pünktlichkeit in die Regenschauer hinausrollte.