Eine kurze Geschichte der Fachtutorien
Es begab sich also zu dieser Zeit (Mitte der 90er Jahre), dass das MWK eifrig die Uni-Etats dort kürzte, wo nicht viel Widerstand von den Rektoraten zu erwarten war, nämlich in der Lehre -- unter anderem bei Mitteln, die bisher von den Instituten für Tutorien ausgegeben wurden. Es begab sich auch, dass diese Kürzungen überraschenden Unmut hervorriefen. Damals war bereits die Große Kampagne Zur Identifikation Von Langzeitstudis Als Tödliche Gefahr Für Die UnisTM in vollem Schwung -- Widersprüche zu früheren Aussagen scherten niemand mehr. Defizite in der Lehre aber, das musste selbst das Ministerium eingestehen, waren an so manchem sich in die Länge ziehenden Studium nicht ganz unbeteiligt.
Klaus Trotha, damals Chef des Ministeriums, beschloss daraufhin, einen PR-Coup zu landen und einen Teil der gestrichenen Mittel nach Jahr und Tag wieder an die Unis zurückfließen zu lassen. Er verkaufte diese Mittelkürzung frech als "Bündnis für Lehre". In diesem Rahmen wurde nicht nur der immer wieder Heiterkeit verursachende "Landeslehrpreis" gekreißt, sondern eben auch Sondermittel für Tutorien zur Verfügung gestellt.
Diese Tutorienmittel kamen nun en bloc bei den Unis an, die Verteilung aber war auch dem damaligen Rektorat zu mühsam. So war dieses froh, als das ZSW anbot, im Rahmen des so genannten "Heidelberger Modells" das Geld zu verwalten. Idee war damals, dass vor allem Tutorien, die "Schlüsselkompetenzen" -- Orientierung, Selbststeuerung, Rhetorik usf. -- vermitteln, finanziert werden sollten. Schon bald zeigte sich aber, dass in den meisten Fächern weit mehr Bedarf an Tutorien mit deutlich fachbezogenen Inhalten bestand (schließlich hatte es in diesem Bereich zuvor ja auch massive Kürzungen gegeben) -- entsprechend hatte die Abteilung Schlüsselkompetenzen (SLK) des ZSW, die die Mittelverteilung und auch die Ausbildung für TutorInnen übernommen hatte, viel Arbeit mit den (von ihr) eigentlich ungeliebten Fachtutorien (FTen).
Diese Abteilung SLK war lange Zeit personell recht gut ausgestattet, aber wie so oft an der Uni waren einige ihrer Stellen befristet. Vor einem guten Jahr war das Geld für die befristeten Stellen alle, und die SLK erklärten, sie seien wegen der verkleinerten Crew mit ihren eigenen Tutorien vollauf ausgelastet und könnten sich deshalb nicht mehr um die FT-Gelder kümmern. Vielleicht hat SLK-Chef Chur gehofft, mit dieser Erklärung die Stellen zu retten, darauf pokernd, dass das Rektorat eine sachgerechte Mittelverteilung bestimmt nicht selbst würde vornehmen wollen.
Richtig lag er mit der Einschätzung der Motivation des Rektorats -- die Stellen wurden trotzdem nicht aus Unimitteln verlängert, und so war, als die Tutorien-Gelder aus Stuttgart kamen, das Kind in den Brunnen gefallen: Niemand hatte Tutorien beantragt, niemand entschieden, wer den Zuschlag bekommen sollte. So wurde die Notbremse gezogen, die Mittel wurden so verteilt, wie sie im Vorjahr verteilt worden waren. Als erste Näherung sicher nicht schlecht, aber als Dauerlösung inakzeptabel, weil sich der Bedarf in den verschiedenen Fächern durchaus entwickelt.
So war bei den Betroffenen (also FachtutorInnen und KoordinatorInnen in den Instituten) die Neugier groß, was nun der neue Antrags- und Zuschlagsmodus für 2005 sein würde. Ende letzten Jahres verlautete aus der Abteilung SLK, der SAL würde sich darum kümmern -- doch konnte sich niemand so recht vorstellen, wie ein Senatsausschuss (zumal einer, der wie der für Lehre allenfalls zwei Mal im Semester tagt) eine Verwaltungstätigkeit dieser Größenordnung schultern sollte. Auf eine diesbezügliche Nachfrage äußerte der Rektor dann in einem Gespräch mit Studierenden am 21.1., die Studiendekane und nicht der SAL würden die Mittel verteilen. Prompte Recherchen durch die Studierenden in einigen Fakultäten ergaben nur leider, dass die Studiendekane davon nichts wussten.
Und auch ausnahmsweise nichts wissen konnten: in der letzten Woche klärte sich durch eine Mitteilung aus der Abteilung SLK alles: Die Mittel werden (im Wesentlichen) verteilt wie im Vorjahr. Es wird gemunkelt, dass es vor dieser Mitteilung eine unschöne Szene zwischen dem Rektor und Studierenden gegeben hätte, als letztere ersterem vorhielten, nicht ganz zutreffende Aussagen zum Thema Fachtutorien gemacht zu haben. Wir wollen uns eigentlich nicht in Spekulation und Kolportage üben, aber es fällt schon auf, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Empörung des Rektors und der Richtigstellung seiner Aussagen aus dem Januar-Gespräch mit den Studis bestand.
Dies läuft im Klartext auf Folgendes raus: Das Rektorat kennt Wichtigeres als Fachtutorien und hat nicht die Spur einer Lust, sich über einen sinnvollen Einsatz der Mittel Gedanken zu machen. Vielleicht sind die Gelder so, wie sie im Augenblick verteilt werden, gut angelegt, kann ja sein. Aber wenigstens einen kurzen Blick darauf sollte mensch schon werfen -- beim gegenwärtigen System kann ein Fach das Geld noch nicht mal ohne gewaltige Verrenkungen ablehnen oder zurückgeben, selbst wenn es wollte (was unwahrscheinlich genug ist). Eine Kontrolle, ob es dann auch für Fachtutorien ausgegeben wird, findet unserer Kenntnis nach nicht statt (was die Attraktivität der Mittel erhöhen dürfte).
Und noch eines: Wieder mal mussten sich Studierende bei Rektor und Profs unbeliebt machen, um wenigstens ein Problembewusstsein zu schaffen, während alle anderen die Problematik im Groben völlig versaubeutelt hätten. Das lässt Böses ahnen für das neue LHG, das genau denen, die hier Mist gebaut haben, noch mehr Macht gibt, während die Gremien, in denen Studis wenigstens dann und wann mal "piep" sagen können, weiter Richtung Nähkränzchen definiert werden.
Aber halten wirs mit dem Rektor: Warum nützliche Arbeit, gar noch in Sachen Lehre, machen, wenn mensch auch Strategiepapiere mit extrapeinlichen Anschreiben ausbrüten kann? Elite braucht Bewusstsein, aber keine Lehre.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 17.01.2006