Hochschulpolitik vor dem Weltuntergang
Nicht wenige sehen in der Wahl des neuen Papstes ("From Hitler Youth to Papa Ratzi", so das englische Weltuntergangs-Fachblatt The Sun [wir linken nicht auf Murdoch-Presse, d.S.]) die ersten Anzeichen des Kommens des Antichristen. Während andernorts noch nach weiteren Zeichen gesucht wird, brauchen Studis in Heidelberg nicht lange zu überlegen: Bildungspolitik wird hier schon lange gemacht, als seien die letzten Tage angebrochen.
Beteiligt daran sind viele, beispielsweise auch tausende von LehrerInnen landauf, landab, die ihren SchülerInnen ein Magazin namens Einstieg Abi [Ok, wenn wer darauf linken, dann können wir auch auf die Sun linken: sexistische Kapitalpropaganda, d.S.] in die Hand gedrückt haben, voll von Quatsch, den honorige Firmen wie die Deutsche Bank oder auch EnBW als Finanziers der Postille den künftigen Studierenden quasi proaktiv in die gemarterten Hirne blasen wollen, ganz nach dem Vorbild der INSM. Wie Öffentlichkeitsarbeit dieser Art nach der Selbsteinschätzung der Geldgeber funktioniert, wird übrigens in einem recht aufschlussreichen Artikel auf der NachDenkSeite diskutiert.
Jedenfalls: All die Ausgeburten der Hochschuldeform, von Bachelor/Master bis Studiengebühren, finden sich in dem bunten Blättchen als Gottes Geschenke an die leistungswütige Jugend und werden mit kräftig Panikmache gegen alles Nonkonforme gewürzt -- zur Verteilung in öffentlich-rechtlichen Anstalten. Deshalb greift die Landesflucht des Ex-Ministerpräsidenten Teufel vor der vermurksten Hochschulpolitik in Baden-Württemberg bestimmt zu kurz: Diese Sorte Propaganda läuft bundesweit.
Genauso bundesweit versucht sich die CDU daran, rechts von der SPD zu bleiben. Kultusministerin Annette "Berufsverbot" Schavan durfte dieses Mal den Versuchsballon starten und in der FAZ äußern, die CDU wolle das BAföG abschaffen, nachdem sie 2006 die Bundestagswahl gewonnen habe. Dass Angela Merkel danach ein ihrer Herkunft angemessenes Dementi im Stil "Niemand hat die Absicht..." lieferte, tröstet wenig -- mit "Tabubrüchen" dieser Art hat weiland auch der Studiengebührendiskurs angefangen, bis endlich allen ihre Notwendigkeit einleuchtete, oder jedenfalls allen, die wissen, wann sie ihren Denkapparat lieber bremsen.
Mal ehrlich: In Zeiten des Subventionsabbaus ist doch auch eine Subvention von Humankapital nicht mehr tragbar, und all die Prolls (als das BAföG noch funktionierte, waren zeitweise tatsächlich mal 20% Unterschichtkinder an den Unis) will man eh nicht an den Unis haben, nicht mal die 10%, die jetzt noch übrig sind. Vorsorglich malt die oben genannte "Einstiegs"-Postille auch schon eine Welt voll munterer Stipendien, die alle nur darauf warten, die BAföG-Lücke für die echt Leistungsbereiten (aus gutem Hause, versteht sich) zu füllen.
Die Realität sieht natürlich ganz anders aus: Allenfalls 2% der Studis bekommen im Augenblick irgendeine Sorte Stipendium -- das einzige, was es wirklich in großer Zahl gibt, sind Konkurrenzen der "Besten" um ein paar Brosamen. Eine solche Konkurrenz verspricht beispielsweise wieder unsere alte Freundin Körber-Stiftung, die nach wie vor den "Deutschen Studienpreis" [Noch so'n schmerzender Link, d.S.] auslobt, wenn auch mit inzwischen deutlich reduzierter Ausschüttung (war mal 500000 Mark, sind noch 100000 Euro, für die fünf "Besten" 5000 Euro -- etwa ein halbes Semester Elite-Studiengebühren). Dass sich Schröder-Freund Julian Nida-Rümelin für die Verleihung dieser Preise hergibt, lässt schon ahnen, dass die Schröder-Fischer-Fraktion einer Abschaffung des BAföG auch nur hinhaltenden Widerstand entgegensetzen wird.
Innovative Ideen, was mit dem eingesparten Geld zu zu machen sei, hat jedenfalls das MWK zuhauf. Eine davon ist in der Landtagsdrucksache 13/4031 beschrieben: Das Ministerium lanciert in Scientific American für eine runde halbe Million Euro (unter Geschwistern die Hälfte der Einnahmen aus der Verwaltungsgebühr an der Uni Heidelberg im Sommersemester) eine Werbekampagne mit dem granatendummen Titel "Baden-Württemberg: At the Technology Heart of Europe". Die Uni Heidelberg ist, das nur nebenbei, mit 25500 Euro dabei -- zwei Seiten. Um das in Relation zu setzen: Nach Angaben im gleichen Dokument hat die Uni Heidelberg von allen Landesuniversitäten auch den höchsten PR-Etat und liegt um ein Drittel über der zweitplatzierten Uni Tübingen. Dass in der konkreten Zahl von 75700 Euro allerdings alle Michael Schwarze, unispiegel, Ruperto Carolas und Campus-TVs enthalten sind, wagen wir zu bezweifeln.
Aber was ist das alles schon gegen die 12 Millionen Euro, mit denen das MWK alljährlich private Hochschulen subventioniert. Der Minister findet diese Sorte Privatisierung öffentlicher Mittel aber voll ok, zumal die Privathochschulen vormachen, was die staatlichen erst lernen sollen: "Der Dienstleistungsgedanke, der sich nicht zuletzt auch in Form von finanziellen Zuwendungen ehemaliger Studierender manifestiert, ist ein zentraler Erfolgsfaktor der privaten Hochschulen." Ist das nicht geradzu erregender Schwachsinn? Wunderbar, hier im Fegefeuer.
Nicht der Dienstleistungsgedanke, sondern Papierschlachten mit dem hübschen Namen "Akkreditierung": das ist das, was die Unis in Wirklichkeit aus den Privathochschulen bekommen. Letztere nämlich hatten wenigstens andernorts keine Aufsicht und mussten daher irgendwie nachweisen, dass ihre Studiengänge nicht nur aus Däumchendrehen bestehen. Genau dazu dient so eine Akkreditierung, während der ein paar Herren durch die Unis laufen und ganze Bücher voll mit schönen Worten ignorieren, um gleich zum Kaffee zu kommen.
Im Zuge der Uni-Privatisierung kommen diese Rituale auch zu uns, und um zu bestimmen, welche Herren ("Akkreditierungsagenturen") die Kaffeefahrten unternehmen dürfen, gibt es in der BRD den "Akkreditierungsrat", dessen jüngste Inkarnation sich am 25.4. in Bonn konstituiert hat, praktischerweise auch nur mit Herren besetzt (von einer Studi-Vertreterin abgesehen, die aber ganz gewiss ignoriert wird). Wenn schon Fegefeuer, dann auch am Kaffeetisch. Für die, deren Hormone stimmen.
Und zum Abschluss noch ein kurzer Blick nach Studiengebührien -- hier zerrinnen im Augenblick viele Träume, etwa die von Rektor Hommelhoff, nach Fächern gestaffelt Gebühren nehmen zu können und auch die von Minister Frankenberg, der schon zum Wintersemester 2006/07 Gebühren wollte. Der Minister erkennt nämlich offenbar erst jetzt, dass es hier zu Lande gar nicht so einfach ist, Gebühren zu nehmen, wenn es legal sein soll, denn die einschlägigen Gesetzeswerke sind dick und auf Gerechtigkeit aus. Da wir auf diese Weise noch etwas Zeit haben und die jüngste Perfidie aus dem Rektorat in dieser Richtung einen eigenen Artikel verdient, lassen wir euch gespannt im Feuer rösten.
Unter dem Pflaster liegt leider normalerweise nicht der Strand. Und nach dem Fegefeuer kommt höchstens für Katholiken das Paradies.
Nachtrag (9.11.2005): Wens interessiert: Die Beilage zu Scientific American liegt mittlerweile beim MWK.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 19.04.2006