Eine unvollständige Chronik der jüngsten Proteste
Die Senatssitzung am 30.5. war wohl wenig nach dem Geschmack des Rektorats: Nicht nur, dass etliche SenatorInnen ihrem Unmut über die Gutsherrenart, mit der der Fächertausch mit der Uni Mannheim inszeniert werden sollte, Luft machten und gar mit offener Insubordination drohten, nein, vor der Tür der Alten Uni meldete eine Demo von rund 400 mit allerlei Lärminstrumenten ausgestatteten Studis ebenfalls lautstark ihren Einspruch an. Dem Anlass angemessen kam dann auch keine Presseerklärung der Uni zu den Vorgängen heraus.
Der große Eklat -- die Wahrnehmung der quasi-demokratischen Rechte des Senats zur Ablehnung eines Plans des Rektorats nämlich -- blieb indes aus, denn die Entscheidung über die Fächerwanderung wurde vertagt, und zwar auf den 21.6. Bis dahin soll eine eilig zusammengestellte Kommission sehen, ob die diversen betroffenen Fakultäten nicht doch noch mit ein paar Trostpflästerchen zu versöhnen sind, während die Fachschaft VWL mit Demo und Party den Widerstand gegen den Plan mobilisiert. Dass im Gegenzug -- und Hintergrund -- natürlich auch Maßnahmen laufen, um dem Rektor eine Zustimmung im Senat zu sichern, versteht sich von selbst...
Auch ein anderer Plan, der vermutlich im Rektorat (oder gegen dieses? Die Auguren sind sich noch nicht einig) ausgesponnen wurde, stieß in der letzten Woche auf Protest -- es geht um eine Linguistikprofessur der Anglistik. Diese wird nämlich demnächst vakant werden und soll zu einer Professur für Allgemeine Sprachwissenschaft werden, angesiedelt im neuen IAAS, einer Zusammenfassung von IÜD, Computerlinguistik und IDF. Nun ist unbestritten, dass die Schließung des Instituts für Allgemeine Sprachwissenschaft im Zuge des so genannten Solidarpakts Ende der 90er Jahre ein Fehler war und die Lücke, die dadurch gerissen wurde, bis heute klafft. Andererseits ist es angesichts der Überlast, die die Anglistik seit Jahr und Tag trägt, natürlich frech, ausgerechnet sie für diesen Fehler zur Kasse zu bitten, einfach weil dort gerade eine Professur frei wird.
Das fanden auch rund 100 Studis der Anglistik, die am Mittwoch gegen diesen Plan auf die Straße gingen, pünktlich zur Sitzung des Fakultätsrats der wenigstens vordergründig zuständigen Neuphilologischen Fakultät. Dieser hatte die Umwidmung allerdings schon während einer Sitzung im Vormonat abgestimmt und so das Thema gar nicht mehr auf der Tagesordnung. Studierende haben es halt schwer an einer Einrichtung, an der prinzipiell alles Wichtige in nichtöffentlicher Sitzung besprochen und beschlossen wird... Allerdings weist die Redaktion darauf hin, dass einige wenige Angelegenheiten in öffentlicher Sitzung beschlossen werden und es für interessierte Studierende eine wichtige Erfahrung wäre, die hohen Gremien bei ihrer Arbeit zu beobachten. Am 21.6. könnte es im Senat einzelne Tagesordnungspunkte geben, die in öffentlicher Sitzung behandelt werden...
Unterdessen hat der Rektor eine weitere Front eröffnet, als er sich am vergangenen Donnerstag mit einigen Studis traf. Die ungewöhnliche Zusammenkunft war eine Folge der Fensterputzaktion im Rektorat Mitte Mai, während der die Beschäftigten des Rektors beteuerten, ihr Dienstherr stehe jederzeit zum Gespräch mit Studierenden bereit. Das "jederzeit" muss nun ein wenig relativiert werden, aber dennoch: Ein Gespräch fand statt. Zwar zeigte der Rektor durchaus Ohr, doch Bemühen zur Einsicht zeigte Hommelhoff nicht, sondern warf den Studierenden vor, sie seien in sein Büro "reingebrochen" wie "1938 die SA in Wohnungen der Juden". Ein Vergleich, der auf so vielen Ebenen grottenfalsch und instinktlos ist, dass sich jeder Kommentar verbietet. Was mensch wohl davon halten soll, dass Hommelhoff später anbot, sich zu entschuldigen, "wenn Sie sich davon persönlich angegriffen fühlen" ("wenn"!)? Wie auch immer: Der Rektor hat die Vase, die bei der Aktion einem Unfall zum Opfer gefallen war, verziehen und will sich durch "Beziehungen" eine neue beschaffen. Es gibt also auch keine Anzeige gegen die VasenzerbrecherInnen. Der Rektor hat dabei gezeigt, dass sein Anspruch, mit Studierenden reden zu wollen, keine bloße Floskel ist. Leider geht es nicht immer um zerbrochende Vasen, sondern auch um Themen, bei denen der Rektor dann nicht einlenkt.
Andere Studis haben heute Gespräche mit noch wichtigeren Herren geführt: Mit Minister Frankenberg persönlich -- die Gesellschaft der lokalen Landtagsabgeordneten von CDU (Werner Pfisterer) und SPD (Claus Wichmann) bekamen sie umsonst dazu. Frankenberg war eigentlich gekommen, um den 15. Landesforschungspreis zu verleihen (Gag am Rande: unter anderem an einen Wirtschaftsethiker), wurde dann aber vor der Tür der Alten Uni von einer Meute von rund fünfzig Studierenden gestellt. Diese hatte sich spontan gesammelt, um unter anderem über die projektierte AWI-Schließung zu reden. In bewährter Manier schob Frankenberg die Verantwortung für die Vorgänge an Hommelhoff ab und versuchte ansonsten, ZuhörerInnen für seine Diatriben über den Segen von Studiengebühren zu gewinnen. Das Niveau seines Amtsvorgängers Trotha, der sich bei einer ähnlichen Gelegenheit vor Jahren als "Anwalt der Studierenden" bezeichnet hatte, erreichte er leider nicht.
Vasen gingen, das zur allgemeinen Beruhigung, auch nicht zu Bruch.
Nachtrag (5.7.2005): Wir haben zu diesem Artikel (in seiner in der Druckausgabe publizierten Form) einen Leserbrief erhalten. Hier der Text:
Herr Hommelhoff ist ein fanatischer Anhänger der freien Marktwirtschaft. Er glaubt an die heilbringende Hand des Marktes und an den Wettbewerb als Lösung aller Probleme. Die Universtäten und sogar die einzelnen Fachbereiche sollen untereinander konkurrieren (Hommelhoff: "Das gibt ein Hauen und Stechen!"). Er möchte aus der Uni Heidelberg ein Wirtschaftsunternehmen machen. Deshalb hatte er alle Lehrenden aufgefordert, einen "Produktkatalog" mit ihren Lehrveranstaltungen zu erstellen. Deshalb sollen die Studierenden als "Kunden" Gebühren zahlen. Deshalb regiert er die Uni wie ein allmächtiger Konzernchef. Doch dieses Vorgehen ist äußerst unklug. Auch wenn ihm so mancher Wirtschaftsboss im Universitätsrat dies weismachen möchte: Professoren lassen sich nicht so einfach übergehen wie lohnabhängige Angestellte! Der Senat und die Fakultätsräte haben in den letzten Jahrzehnten zwar bei jeder Gesetzesnovelle an Einfluss verloren, sie sind aber immer noch wichtige Entscheidungsgremien. Der Streit ums AWI ist ein Präzendenzfall und das wissen die Senatoren. Sie werden sich im Machtkampf nicht so einfach geschlagen geben. Herr Hommelhoff unterschätzt auch die Ausdauer der Studierenden, die um ihren Studienplatz kämpfen, und die empörte Öffentlichkeit. Auch mit seinem skandalösen Vergleich Studierender mit SA- Schergen hat er sich als Rektor einer großen Universität disqualifiziert. So viele wichtige Persönlichkeiten haben schon wegen Nazivergleichen zurücktreten müssen.
In der Vergangenheit hat Rektor Hommelhoff es zwar immer wieder geschickt geschafft, die Studierenden untereinander und die verscheidenen Fakultäten gegenenander auszuspielen, doch nun scheinen die gechassten das Spiel zu durchschauen und sich gegen ihn zu wenden. Am Ende wird er über diese Fehler stolpern.
Nachtrag (12.7.2005): Zum SA-Vergleich hat der Antifa-AK folgende Stellungnahme veröffentlicht:
Stellungnahme zum "SA-Vergleich" Hommelhoffs (Rektor der Universität Heidelberg) Der Vergleich gegen die Schließung des Alfred-Weber-Instituts protestierender Studierender mit der Nazieinheit SA durch den Universitätsdirektor Peter Hommelhoff erschien zunächst befremdlich genug - als törichter Ausrutscher eines "Überforderten".
In der RNZ vom 11.6.2005 wird Prof. Hommelhoff in einem offenen Brief wörtlich zitiert: "Sie sind in mein Büro gestürmt, wie die SA 1938 in die Wohnungen der Juden."
Die auf Beschwerden seitens der angesprochenen Studierenden folgenden Ausflüchte Hommelhoffs (RNZ vom 15.6.2005) geben einen erschreckend tiefen Einblick in dessen Geschichts- und Weltbild. Der Rektor besteht auf seinem Vergleich, nach dem die Methoden friedlich protestierender Studierender denen von SA-Schlägern glichen; Er, der Direktor der Universität Heidelberg, fühle sich anlässlich dieses "Überfalls" an das Schicksal eines jüdischen Rechtsanwalts erinnert, in dessen Heidelberger Wohnung im Jahre 1939 gewaltsam eingedrungen und Mobiliar zerstört worden sei.
Im von Hommelhoff herangezogenen Jahr 1938 war es in ganz Deutschland zu offenen Übergriffen auf jüdische BürgerInnen gekommen, welche davor eher verdeckt abliefen. Diese fanden in den so genannten "Novemberpogromen", durch die unmittelbar mehrere hundert JüdInnen getötet wurden, in dieser Form einen vorläufigen Höhepunkt.
Die Äußerungen des Rektors stellen nicht nur eine rücksichtslose Verhöhnung der damaligen jüdischen Opfer - welche in ihrer Menschenwürde erniedrigt, körperlich misshandelt, ermordet und zu Tausenden in Konzentrationslager deportiert wurden- und deren Hinterbliebenden dar, sondern sind zugleich auch eine Relativierung der Verbrechen von und im Namen der Deutschen während der Zeit des Nationalsozialismus.
Zur Verdeutlichung: Hommelhoff hat sich zwar bei den betroffenen Studierenden wegen des Vergleichs persönlich entschuldigt, hält aber nach wie vor an seiner Behauptung fest, dass die Methoden der "kreativ protestierenden" Studierenden der Art und Weise nach mit den menschenverachtenden Verbrechen von SA-Schlägern, die im Jahre 1938 JüdInnen aus ihren Wohnungen prügelten, gleichzusetzen sind.
So unbegreiflich eine derart dreiste Aussage eines Universitätsdirektors erscheinen mag, dürfte sie bei der Mehrheit der Deutschen auf Zustimmung oder zumindest Gleichgültigkeit treffen. Hommelhoffs Ekel erregender Vergleich muss, da er auch nach ausreichender Gelegenheit, sich von diesem zu distanzieren, auf seinem Standpunkt beharrt, im Zusammenhang mit der revisionistischen "Geschichtsbereitung" im Interesse eines wieder erstarkten Deutschland interpretiert werden. Sei es seitens Guido Knopp (die Deutschen als "Verführte" Hitlers und einer Führungsclique), Joschka Fischer (Einsatz der Bundeswehr im Kosovo, um ein "neues Auschwitz zu verhindern"), Jörg Friedrich ("Der Brand"), einer Erika Steinbach (dauernde Betonung der Leids der Heimatvertriebenen und Gleichsetzung von Opfern und Tätern) und in letzter Instanz in Form von antisemitischer Hetze, wie in prominenter Ausführung von einem Martin Hohmann (siehe dessen Rede zum "Tätervolk") betrieben.Wie, wenn nicht mit einer derartigen revisionistischen Mentalität, ist es sonst zu erklären, dass Hommelhoff einen derart abwegigen Vergleich heranzieht, um seine Empörung zu äußern?
Hommelhoff besteht auch nach ausreichender Bedenkzeit auf seiner untragbaren Behauptung und enthüllt damit entweder seine mangelnde Fähigkeit zur Reflexion, oder deren Verweigerung.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 22.06.2005, 28.06.2006