Staatsfeinde und Ehrenprofessoren, Internationalität und Beschaffungskriminalität
...dass es höchste Zeit wird, die Rückforderung für zu Unrecht verlangte Studiengebühren aus den Jahren 1997 bis 1999 zu stellen? Wie das Ministerium verlauten lässt, sind bis Februar 2005 erst 17.227.718 Euro zurückverlangt worden, was bedeutet, dass das Ministerium 19 Millionen Euro illegale Beute hortet und nun hofft, den Zaster mit der Verjährung der Rückzahlungsansprüche am 31.12.2006 komplett einzustreichen. Also: Nichts wie Rückfordern (und sagt euren Bekannten und Verwandten Bescheid).
...dass die "Bildungsgewerkschaft" GEW unsere Kinder gefährden will? Sie hat nämlich während ihres bundesweiten Gewerkschaftstags am 27.4. einstimmig gegen das Berufsverbot für den Heidelberger Nicht-Realschullehrer Michael Csaszkóczy votiert. Csaszkóczy aber war von führenden Autoritäten in Sachen moralischer Niedergang, allen voran Kultusministerin Annette Schavan, zur Abwehr möglicher "extremistische[r] Beeinflussung" aus den Schulen ferngehalten worden. Wir wissen ja spätestens seit Bismarcks Sozialistengesetzen auch alle um die bedrohliche Vaterlandslosigkeit der Gewerkschaften. Gut, dass wenigstens Schavan -- ganz zukunftsorientiert -- das nicht vergessen hat.
...dass es auch in diesem Jahr wieder den Internationalen Ferienkurs für deutsche Sprache und Kultur geben wird? Wie jedes Jahr werden sich etwa 600 Studierende aus aller Welt in Heidelberg einfinden, um auf den Spuren Hegels (und einiger anderer weniger angenehmer Zeitgenossen, die regelmäßig auf den Titelbildern von Gazetten des Typs Spiegel auftauchen) zu wandeln, und für diesen Monat -- vom 27.7. bis zum 26.8. -- brauchen sie eine Bleibe. Wenigstens einer dieser Menschen könnte bei euch unterkommen. Ihr habt sogar etwas davon, denn das Akademische Auslandsamt bezahlt euch eure Miete für diesen Monat. Was gibts zu verlieren? Meldet euch beim Akademischen Auslandsamt.
...dass der Rankingwahnsinn offenbar gar keine Grenzen mehr kennt? Ausgerechnet das Bildungs-Fachblatt Capital und der Überflieger-Softwarekonzern Microsoft haben sich nicht entblödet, 3480 Gymnasien in der BRD zu ranken (na ja, eigentlich nur 575 davon, ach, genau genommen von denen wieder nur 100, aber bei Rankings kommts auf solche Details wirklich nicht mehr an). Bundesweiter Sieger war das Gymnasium in Achern (nahe Offenburg), weil sich dort nur sieben SchülerInnen einen Computer teilen und in jedem Klassenzimmer ein DVD-Player und ein Beamer steht. Excuse us while we puke.
...dass den Plänen für allerlei Lehrtausch zwischen den Unis Heidelberg und Mannheim nicht nur durch die problematischen Beziehungen der Rektoren Unbill droht? Mannheim (bzw. der dortige Senat) möchte nämlich ab WS 06/07 seine Semesterzeiten um sechs Wochen nach vorne verschieben, so dass das Wintersemester grob vom 1.9. bis Weihnachten dauern würde. Als Grund verkündet Mannheim, dieser Schritt erhöhe die internationale Attraktivität der dortigen Studiengänge. Auf der anderen Seite würde so etwas natürlich die von Hommelhoff versprochene Bereitstellung diverser Nebenfächer durch Mannheim zumindest ausgesprochen beeinträchtigen...
...dass den Bologna-Prozess in seinem Lauf weder Ochs noch Esel aufhalten? Das jedenfalls lässt das ernüchternde Fazit, das der fzs nach der Bergen-Konferenz der BildungsministerInnen aus 45 Staaten zieht, ahnen. Angesichts der Parallelität der Ziele des einheitlichen europäischen Hochschulschaums ("Employability") mit denen der EU-Verfassung ist das wohl eine eher schlechte Nachricht.
...dass die Verfassung von Baden-Württemberg dem Ministerpräsidenten das Recht gibt, Ehrenprofessuren zu verleihen? Dieser Ansicht ist zumindest der Staatsminister Stächele, der damit in eine gegenwärtig im Landtag tobende Diskussion eingriff. Dass der Ministerpräsident dieses Recht auch weidlich nutzte, hatte sich schon im März gezeigt, als Staatssekretär Böhmler verlauten ließ, in Baden-Württemberg seien seit 1950 374 Ehrenprofessuren verliehen worden, davon immerhin 4.8% an Frauen. Zu Teufels Zeiten hat der Frauenanteil bei den Ehrenprofessuren aber den der "richtigen" Professorinnen bereits überrundet: Von den 49 Profs aus Teufels Hand waren 6 (also 12.2%) weiblich, während der richtige Lehrbetrieb mit nur 11% Professorinnen auskommt. [Die Heidelberg-Alumna Judith Butler möge uns diese Ausführungen verzeihen, d.S.]
Walter I. Schönlein