Exzellente und vereinfachte Bürokratie, elitäres und schlussleuchtendes Heidelberg
...was der Lohn der Qual mit dem Impulse-Projekt ist? Die Nervenzusammenbrüche der mit der Budgetierung beschäftigten Menschen an den Instituten und ganz neue Dimensionen grotesker Bürokratie wurden am 21.9. belohnt, als der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft (Warnung: grässliches Flash-Intro), ein stramm rechtslastiger Lobbyverband zur Durchsetzung von Industrieinteressen an Hochschulen, der Uni Heidelberg 500000 Euro aus einer "Exzellenzinitiative" namens "Die deregulierte Hochschule" übereignete. Leider steht das Geld nicht für Tutorien oder andere sinnvolle Maßnahmen zur Verfügung, denn der Stifterverband will damit nur prüfen lassen, wie sich dieser Wahnsinn auf andere Hochschulen übertragen lässt. Allein die Annahme dieses Geldes stellt einen weiteren Grund für Rücktrittsforderungen an die Adresse des Rektors dar.
...dass es im Gutachtergremium zum Landeslehrpreis jüngst einen kleinen Skandal gab? Studierende aus Freiburg und Karlsruhe gaben nämlich nur eine lesenswerte Erklärung ab und verließen den Saal. Angesichts der traurigen Lächerlichkeit dieser Lehrpreise an sich (nicht vergessen: ursprünglich war das Geld mal für Tutorien und andere sinnvolle Maßnahmen da gewesen) und der neuen Frechheit, sich diese Farce in Zukunft auch noch ostentativ mit dem Geld der Studierenden bezahlen zu lassen, bleibt nur ein: Zur Nachahmung empfohlen.
...dass die Privatunis in Baden-Württemberg den Bach runtergehen? Wenn ihr regelmäßig UNiMUT lest, wahrscheinlich schon, aber richtig harte Fakten bietet die Landtagsdrucksache 4394: Vom Wintersemester 2003/04 aufs Wintersemester 2004/05 sank die Zahl der StudienanfängerInnen an nichtstaatlichen Hochschulen in Baden-Württemberg um satte 43.8% (von 201 auf 113). Außerdem enthält die Drucksache auch interessante Infos zur Attraktivität hiesiger Hochschulen (oder der mangelnden Fruchtbarkeit der Landeskinder): Während 1995 noch 279 Erstis mehr aus BaWü flohen als einwanderten, suchten 2002 bereits 1287 Studis aus anderen Bundesländern mehr ihr Glück hier als es Studis aus Baden-Württemberg in andere Länder verschlug. Der Einbruch bei den Privat-Erstis ist ja durch den (in obigem Link erwähnten) Kollaps des SIMT ganz gut erklärt, aber: Warum hat Frankenberg die Wanderungszahlen nicht schon längst in einer Pressemitteilung des Typs "Studiengebühren machen unsere Unis sexy" verwurstet?
...dass der Begriff "Elitehochschule" für Heidelberg zumindest in Bezug auf die soziale Herkunft der Studis nicht unzutreffend ist? Während nämlich im Bundesdurchschnitt 37% der Studierenden aus der vom DSW ausgemachten "hohen" Einkommensgruppe und 12% aus der "niedrigen" kommen, sind die entsprechenden Zahlen für Heidelberg 45% und 10% (in Freiburg siehts allerdings noch schlimmer aus). Diese Zahlen (wie das nette Faktoid, dass die Zahl der BAföG-EmpfängerInnen in Baden-Württemberg zwischen 1999 und 2004 um über ein Drittel angestiegen ist) erfährt mensch in der Antwort des MWK auf eine Landtagsanfrage von Carla Bregenzer und GenossInnen zum Thema soziale Selektivität, BAföG und Studiengebühren. Ebenfalls aufschlussreich: Nur 0.7% der Studis bekommen derzeit ein Stipendium, von dem sie leben können. Dass das nichts mit dem Stipendien-Dorado zu tun hat, das die Gebührenfundis immer versprechen, ist auch dem Ministerium klar, doch geht es "davon aus, dass die Hochschulen die Einwerbung privater Stipendien angehen werden". Na, das wird bestimmt ganz toll...
...dass Heidelberg Schlusslicht ist? Das jedenfalls verkündet das Land in einer seiner großartigen Meldungen, in der es dieses Mal um die Umsetzung des Bologna-Prozesses geht -- und da gibt Heidelberg mit, freundlich gerechnet, gerade mal 8 Bachelor- und 14 Master-Studiengängen ein eigentlich recht studifreundliches Bild ab. Schlusslicht halt. Und noch ein schönes Zitat aus der Meldung: "Nicht immer stoßen die neuen Studiengänge allerdings auf Interesse: Für den neuen BA/MA-Studiengang Mathematik [in Ulm] meldeten sich nur neun Studenten an."
Walter I. Schönlein
Dieser Artikel wurde zitiert am: 26.10.2005, 25.01.2006