Viele Lösungen zum neuen Jahr
...dass laut einer jährlich durchgeführten Studie des Hochschul-Informations-Systems im Jahr 2004 die Studierquote, also der Anteil der Studierberechtigten eines Jahrgangs, der ein Studium aufnimmt, erstmals seit Mitte der 90er Jahre wieder zurückgegangen ist, und zwar auf ein mittleres Niveau von 70%? Neu war bei dieser Untersuchung auch die Möglichkeit, als Grund für den Verzicht auf ein Studium "Falls Studiengebühren eingeführt werden, übersteigt dies meine finanziellen Möglichkeiten" anzugeben. 22% nutzten diese Möglichkeit, in den alten Bundesländer sogar 27% -- und das, noch bevor das erste Bundesland ein Gesetz zu Studiengebühren verabschiedet hat.
...was schwarze Pädagogik ist? Wenn nicht: Schwarz ist Pädagogik, die über Strafe und Kontrolle operiert. In einer Uni, in der Studis Interesse und Freude am Fach im Zeichen von "Employability" ausgetrieben wird, ist sie natürlich massiv auf dem Vormarsch. Anwesenheitslisten in Vorlesungen sind ein Teil dieser Tendenz, mit der sich jedoch noch nicht alle abgefunden haben -- vom 21. bis 25.11. war etwa an der TU Dresden "Woche des Listenschwunds". "Wie oft stirbst du in einem staubtrockenen Seminar ab, nur um am Schluss deine Unterschrift zu leisten?" fragt der anonym zirkulierte Aufruf zum Klau der Anwesenheitslisten. Aber natürlich ist diese Aktionsform wenig nachhaltig in Zeiten von RFID-auslesbaren Campuskarten, mit denen wohl in naher Zukunft Listen aus Papier ohnehin wie ein romantischer Anachronismus wirken werden.
...wie viel Platz ein Studi braucht? Nun, für Unis, PHen und FHen ist das geregelt, und zwar im 34. Rahmenplan der (nach dem Föderalismuskompromiss möglicherweise sowieso moribunden) Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau, wonach GeisteswissenschaftlerInnen an FHen mit 4 m2 auskommen, während NaturwissenschaftlerInnen an Unis ganze 18 m2 brauchen, manchmal auch nur deren 15. Für Baden-Württemberg war das nicht gut genug, wie die Drucksache 13/4843 des Landtags ausführt. Dort wird nämlich weiter differenziert. In der Rechtswissenschaft etwa sind 3 m2 vorgesehen, wohl um künftigen StrafverteidigerInnen schon mal einen Vorgeschmack auf ihren künftigen Arbeitsplatz zu geben, während in Chemie die vollen 18 m2 geboten sind. An BAen hingegen brauchen Studis weniger Platz, jedenfalls nie mehr als 7.3 m2, an PHen sind es grundsätzlich immer 5 m2. Was das MWK alles weiß über die pädagogischen Notwendigkeiten...
...von wem das schöne Diktum "Eliteinstitutionen funktionieren nach dem Prinzip, 'der Teufel scheißt auf den größten Haufen'" stammt? Auch wenn es kaum glaublich ist, der das formulierte, Michael Hartmann (Darmstadt) ist habilitiert. Ebenfalls überraschend ist, dass ein Interview, in dem Hartmann neben dieser Feststellung auch noch ein paar andere Wahrheiten zum Thema Elite loswird, auf einer Webseite mit dem Untertitel "Wir bringen Wirtschaft, Politik und Medien an einen Tisch" erscheint. Wenn es erlaubt ist, zu dem Thema gleich noch einen coolen Spruch zu bringen: "Die Sehnsucht nach Elite ist nichts als eine bürgerliche Psychose, und sie sollte als solche behandelt werden." Ihr dürft uns zitieren.
...was eine echt kostenneutrale Lösung des Studi-Wohnraumproblems in Heidelberg ist? Die Drucksache 13/4629 des Landtags macht es vor. Da hat das Finanzministerium einer Privatschule in Ulm "keine finanzielle oder materielle Unterstützung zugesagt" (Antwort auf Frage 2), doch konnte die Schule ihren Betrieb trotzdem im "ehemaligen landeseigenen Forstamtsgebäude" aufnehmen, und zwar "interimsweise ohne Ansatz einer Miete". Das bedeutet: In landeseigenen Gebäuden umsonst wohnen macht keine materielle Unterstützung, macht keine Belastung für den Haushalt. Wenn die Studis gar noch einen Euro auf den Quadratmeter zahlen, ist das die silver bullet zur Sanierung des Haushalts. Landesgebäude gäbs in Heidelberg genug. Mensch denke nur an die Alte Uni...
...dass ihr mit dem Baden-Württemberg-Stipendium im Ausland studieren könnt? Seit 2001 hatten damit 6000 Studis Glück und haben über bis zu elf Monate bis zu 1200 Euro pro Semester kassieren können. Da der Minister das Ding toll findet, überrascht der hohe Stulligkeitsfaktor des Unternehmens kaum (offenbar haben sich die Leute ernsthaft ein Warenzeichen eintragen lassen), aber erstens stinkt Geld nicht, und zweitens können die Ansprüche nicht sehr hoch sein, wenn mensch den vor unfreiwilliger Komik strotzenden Erfahrungsbericht von C.G., die "von einem Praktikum in Frankreich zu HELENA RUBINSTEIN in Lausanne gelangt" liest ("Im Anschluss nun an die 3 Trimester an der ESSEC sollte ich zum Erhalt des ESSEC MBA ein Praktikum in Frankreich machen und was lag da, [Kommasetzung im Original] näher als dieses in der Luxusgüterbranche zu absolvieren").
Walter I. Schönlein