Der Hofnarr, die Hoffart, die Hofstatistik und die Hofberichterstattung
...dass auch tradierte Modelle persönlichen Referententums neuerdings eine Renaissance erleben? Zumindest hat das Rektorat neulich beschlossen, sich seinen persönlichen Germanistikprofessor zu halten: nachdem die Neuphilologische Fakultät den Germanisten Borchmeyer nicht über die Altersgrenze hinaus beschäftigen wollte, bot ihm das Rektorat an der Fakultät vorbei eine "Seniorprofessur" an. Dies bedeute, so Borchmeyer in der RNZ vom 2. Mai, vollen Lohnausgleich und eine direkt dem Rektorat zugeordnete freie Professur, als -- so Borchmeyer -- "eine Art Kultur-Außenminister der Universität". Was dies darüber hinaus für die Aufgaben der Professur in der Lehre bedeutet, bleibt unklar. Es heißt, Prüfungen habe Professor Borchmeyer auch bisher kaum abgenommen, dies hänge aber wohl damit zusammen, dass Borchmeyer halt viele Seniorenstudenten habe. Vermutlich geht es bei einem Seniorprofessor ohnehin eher ums Image. Immerhin ist Borchmeyer, wie unlängst von Micha Brumlik in der Frankfurter Rundschau festgehalten, "seit Jahren für seine ebenso erfolg- wie sinnlosen Versuche bekannt, das Werk Wagners vom Antisemitismus zu befreien."
...dass "das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst ... letztmalig Mittel für Mentorate zur Verfügung gestellt [hat]"? Doch keine Angst: die Mittel fallen nicht wirklich ersatzlos weg: "Mit der Umsetzung des Landeshochschulgebührengesetzes im Sommersemester 2007 werden von dort aus keine Mittel mehr zur Verfügung stehen." "Von dort aus" meint das Land; und für den Fall, dass die Hochschulen nicht schalten, wo ab 2007 das Geld herkommen kann, wird die neue Geldquelle gleich erwähnt: die zeitgleich eingeführten Studiengebühren. Nein, hier wird nicht der Uni Geld gekürzt, die dann durch Studiengebühren ersetzt werden. Es fallen Zuschüsse weg und somit kann der Minister ohne zu lügen immer davon sprechen, dass keine Mittel gekürzt werden. Niemand hat die Absicht, Mittel zu kürzen!
...dass sich auch das Studentenwerk an der neuen Schuldenfalle für Studis zu schaffen macht? Es tritt nämlich als "örtlicher Vertriebspartner" (we shit you not) für die "Studienkredite" der Kreditanstalt für Wiederaufbau auf. Dabei können Studis, die unter dem Fluch der späten Geburt leiden (also jung genug sind) unter bestimmten Umständen etwas unter Markt verzinste Kredite ohne Bereitstellung von Sicherheiten in Anspruch nehmen (Zinssatz derzeit 5.28% effektiv). Wenn ihr Kredithai für Kleinkredite spielen wollt, mag das interessant sein, ansonsten gehört diesem Mist ins Gesicht gespuckt und ein ordentliches BAföG durchgesetzt.
...dass sich ein bitterer Konflikt zwischen MWK und Kultusministerium andeutet? Minister Frankenberg ließ über dpa (aber, ganz Diplomat, nicht über seine eigene Pressestelle...) verbreiten, er wolle jetzt endlich Bachelor und Master fürs Lehramt. Das Kultusministerium hingegen dürfte immer noch der (vermutlich realistischen) Einschätzung anhängen, eine übereilte Umstellung der LehrerInnenbildung mit allen daranhängenden Fragen würde es überfordern. Im neuen Landeshochschulgesetz wurde dieser Überzeugung noch Rechnung getragen und die Fortführung des Staatsexamens über den Tod von Diplom und Magister im Jahr 2010 hinaus erlaubt. Frankenbergs Vorstoß ist wohl als Hinweis zu werten, dass Schavans Nachfolger Rau in Stuttgart nicht über die Autorität seiner Vorgängerin verfügt und jetzt den Weg von Studis und Privatwirtschaft gehen muss: Friss den Bachelor oder stirb.
...dass ihr demnächst vielleicht Post von der HIS GmbH bekommen werdet (oder diese schon bekommen habt)? Wenn, dann werft den Kram nicht gleich als alberne Werbepost weg, denn drin dürftet ihr den Fragebogen zur 18. Sozialerhebung finden. Diese wiederum untersucht -- im Gegensatz zu den diversen Machwerken von CHE, Focus, Spiegel und Bild durchaus seriös -- die Lebens- und Studienbedingungen von 70000 Studierenden. Natürlich wäre die Teilnahme noch sinnvoller, wenn die KonterreformerInnen die Ergebnisse der Sozialerhebungen tatsächlich wahrnehmen und danach handeln würden, aber immerhin liefern sie meist gute Argumente für die, die die Verlogenheit dieser Konterreformen aufzeigen. Mehr Infos und die Ergebnisse vergangener Befragungen bekommt ihr auf einer eigenen Webseite.
...dass in der Koalitionsvereinbarung zwischen FDP und CDU für die Beherrschung des Ländles in den nächsten vier Jahren schon drinsteht, dass sich das Land weiter aus der Finanzierung der Hochschulen zurückziehen wird? Das ist bemerkenswert, weil Koalitionsvereinbarungen die spätere Wahrheit noch deutlich beschönigen, und natürlich auch, weil das klar sagt, dass Studiengebühren keineswegs zusätzliche Mittel in die Unis spülen werden. Wenn ihr das selbst lesen wollt: Seite 60. "Wir streben an, mit dem Sport und den Hochschulen zur Herstellung von langfristiger Planungssicherheit Solidarpakte zu schließen. Dabei wird vereinbart, dass über einen längerfristigen Zeitraum eine nominell gleich bleibende Förderung des Landes auf bisherigem Niveau gewährleistet wird." Bei der derzeitigen Inflationsrate bedeutet das jährliche Kürzungen von etwa 2% oder eine Kürzung auf die Hälfe des derzeitigen Standes innerhalb von rund 30 Jahren. Bis dahin also müssen die Studiengebühren zwangsläufig auf (diesmal inflationsbereinigt) mindestens 5000 Euro pro Semester gestiegen sein, denn sonst können die Unis zumachen.
Walter I. Schönlein