Elite früher, Elite heute, Elite kontrolliert Elite, Prolls stören die Elite
...dass Heidelberg im 17. Jahrhundert in der Tat "Elite"uni war? Damals nämlich entstammte ungefähr jeder siebte Student (-innen gabs damals nicht) dem Adel, was seinerzeit nur noch von Ingolstadt (also der heutigen Geschwister-Scholl-Uni/LMU München) getoppt wurde. Unis wie Freiburg oder Tübingen hatten dagegen allenfalls halb so viel Elite. Dass der Grund für die Anziehungskraft unserer Alma Mater vor allem das breite Angebot an Fecht- und Reitkursen sowie "artifices aliarum elegantiarum" war, braucht denen nicht erklärt zu werden, die mit heutigen Elitekonzepten vertraut sind.
...dass Studiproteste auch mal sehr skurrile Auswirkungen haben können? Der Senat der Uni Köln tagte beispielsweise am 24.5. im James-Bond-Modus. Grund war, dass auf dieser Sitzung die Gebührensatzung der Uni beschlossen werden sollte und daher Studiproteste angekündigt waren. Daraufhin wurde den SenatorInnen mitgeteilt, sie hätten sich an jeweils verschiedenen Stellen der Stadt einzufinden und würden von dort abgeholt. Sie wurden tatsächlich, teils mit Verspätung, von einem Fahrdienst aufgelesen und, aber hallo, zum ehemaligen Kernforschungszentrum Jülich gefahren, das -- Atomstaat! -- immer noch gut gegen BürgerInnen und Studis zu verteidigen ist. Dass sie auch dort nicht ungestört waren, könnt ihr auf der Indymedia-Fotostrecke ansehen.
...was ein Satz wie "Durch eine, [Satzzeichen im Original] auf die einzelnen Abteilungen ausgerichtete Analyse konnten Umschichtungspotenziale von 6-10 Mio Euro pro Standort definiert werden, die gezielt zur weiteren Stärkung der Universitätsmedizin genutzt werden und damit für die Universitätsmedizin in vollem Umfang erhalten bleiben sollen." für die Unikliniken bedeutet? Wer die Landesregierung schon länger als fünf Minuten beobachtet, muss nicht mehr fragen. So oder so, die Presseerklärung des Staatministeriums (!) zum Abschlussbericht der von MWK-Boss Frankenberg (!) eingesetzten "Medizinstrukturkommission" (merke: Wo "Struktur" draufsteht ist "Kürzung" drin) bietet noch weitere Kabinettstückchen aus dem Ministeriendeutsch und kann durchaus zur Lektüre empfohlen werden.
...dass das Studentenwerk eine neue Chefin bekommt? Dieter Gutenkunst, der 1990 die Geschäftsführung von dem mit einem Skandal um eine Wahlempfehlung für den heutigen VRN-Chef Wolfgang Wagner aus dem Amt geschiedenen Oswald Czaikowski übernommen hatte, übergibt sie nun weiter an seine bisherige Stellvertreterin Ulrike Leiblein. Angesichts der Vorgaben aus Stuttgart -- namentlich drastische Kürzungen bei den Zuschüssen -- bleibt abzuwarten, ob sie den MitarbeiterInnen in der Mensa wieder ordentliche Arbeitsplätze (im Augenblick sind die meisten offiziell in einer eigenen Scheinfirma angestellt, um sie dem Wirkungsbereich der Tarifverträge im öffentlichen Dienst zu entziehen) und den Studis wieder bezahl- wie genießbares Essen wird geben können. Gutenkunst jedenfalls scheint in Frieden geschieden zu sein -- bei der Feierstunde am 13.7. sprachen aller Konflikte in früheren Zeiten zum Trotz sowohl Rektor Hommelhoff als auch ein leibhaftiger Staatssekretär aus dem MWK.
...was noch schlimmer ist als Business-Anglizismen aus der Dummschwätz-Retorte? Ihre krampfhaften Rückübersetzungen ins Deutsche. Case in point: "internationale Ehemalige". Die nämlich hat das Rektorat für Ende Juli an ihre alte Alma Mater eingeladen. "Sommertreffen von Heidelberg Alumni International" oder sowas war ihnen offenbar noch nicht dämlich genug.
...wer nach dem Willen des Ministerium sein Wirken bezüglich der auf die Einführung von Studiengebühren folgenden Kürzungen im Wissenschaftshaushalt "kritisch und objektiv beobachten" soll? Ganz vorne soll es Eibe Riedel (folgt wenigstens mal diesem Link!) von der Uni Mannheim sein, dazu noch Vertreter der Kirchen und der landeseigenen L-Bank, noch eine Handvoll Profen und fünf handverlesene Studis. Studiengebühren -Monitoring nennt sich die Veranstaltung. Wer so einen Beirat beruft, hat offensichtlich sehr aufregende Pläne.
...wie "Top Science" aussieht? Sicher nicht, jedenfalls, wenn ihr hinfort die Vorstellungen des e-LERU-Projekts teilen wollt (gemeint ist die aufschlussreiche Illustration). LERU, das nur nebenbei, ist die "League of European Research Universities", übersetzt "Verein der selbsternannten Eliteunis Europas". Es dürfte niemand überraschen, dass die Uni Heidelberg da mit von der Partie ist, gemeinsam mit Helsingin yliopisto. Übrigens ist LERU wieder was ganz anderes als die Coimbra-Gruppe, bei der Heidelberg auch dabei ist. Wir wünschen den jeweiligen Abgesandten der Uni viel Vergnügen bei den jeweiligen Tagungen -- und wollen nur nochmal dran erinnern, dass es unsere Verwaltungs- und Studiengebühren sind, die dabei vervespert werden.
Walter I. Schönlein
Dieser Artikel wurde zitiert am: 15.10.2006