Studierbarkeit der neuen Studiengänge nicht gewährleistet
Ohne eine Beteiligung der Gremien der Hochschule nahm Prof. Bernhard Eitel, Rektor der Universität Heidelberg, zusammen mit Rektoren anderer Hochschulen Stellung zur Akkreditierung der neuen Studiengänge (d.h. der BA- und MA-Studiengänge). Im Rahmen der Einführung der neuen Studiengänge müssen diese akkreditiert werden. Die vorgelegten und bereits laufenden Studiengänge werden dabei von einer von der Universität unabhängigen Instanz auf Qualität und Studierbarkeit hin geprüft, dies beinhaltet insbesondere die Stimmigkeit der Gesamtkonzeption. Unterschieden wird hierbei zwischen Systemakkreditierung und Programmakkreditierung. Erstere akkreditiert ein vor Ort praktiziertes System zur Qualitätssicherung der Studiengänge und gibt auf dieser Basis die Zustimmung für diese Studiengänge (ohne diese jeweils begutachtet zu haben), letztere untersucht jeden einzelnen Studiengang en Detail.
Dass universitäre Entscheidungsgremien bei grundlegenden Entscheidungen im Rahmen der Umstellung auf die neuen Studiengänge wieder einmal nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden wurden, ist hierbei ebenso bedauerlich wie das Ergebnis selbst. Sowohl die Art und Weise der Entscheidungsfindung per Dekret, als auch das von Eitel vorgelegte Schreiben werden von der Studierendenvertretung entschieden abgelehnt.
Selten wurden in den letzten Semestern in den Unigremien bei der Erarbeitung der Studiengänge stimmige Konzepte erarbeitet, vielmehr wurde Fertigware zum Durchwinken produziert. Ein nicht geringer Teil der neuen Studiengänge erweist sich in der Folge oftmals als inhaltlich nicht sinnvoll und arbeitstechnisch nicht zu bewältigen. Nicht nur, dass den Studierenden in diesen Studiengängen statt aufeinander abgestimmter Veranstaltungen (die sogenannten Module) lediglich zusammenhanglose Einzelveranstaltungen angeboten werden (die dann manchmal sogar als Module bezeichnet werden), auch sind Studierende der erhöhten Arbeitslast der Studiengänge zunehmend nicht mehr gewachsen. Dass die psychosozialen Beratungsangebote zunehmen, ist insofern kein Zeichen guter Arbeit des Studierendenservice, sondern Symptombekämpfung: zu oft wurden Studienangebote lediglich umetikettiert, ohne dabei die Studieninhalte auch nur an die reduzierte Studiendauer anzupassen -- von inhaltlicher Fortentwicklung ganz zu schweigen. Anstatt den shift from teaching to learning zu vollziehen und Studiengänge danach zu konzipieren, welche Kompetenzen in ihnen erworben werden sollen, werden Listen von Inhalten erstellt, die von den Lehrenden behandelt werden sollen. Bildlich gesprochen wird alter Wein in neue Schläuche gefüllt und das ganze als Ergebnis neuer Züchtungen und Keltermethoden angepriesen.
Die wenigen Studiengänge, die wirklich erneuert wurden, zeigen aber, dass es auch besser ginge! In vielen anderen beschränken sich die wirklichen Veränderung jedoch darauf, dass neuerdings geprüft und getestet wird, soviel möglich ist - und dies auch gerne durch Tutorinnen und Tutoren, die rein rechtlich gar keine Prüfungsleistung abnehmen dürften. Zum Teil werden sie auch nicht einmal dafür bezahlt werden, sondern sie erbringen durch das Abhalten der Tutorien Studienleistungen (z.B. im Bereich Übergreifende Kompetenzen) in ihrem Studiengang.
Vor diesem Hintergrund müssen die neuen Studiengänge daher unbedingt auf ihre Studierbarkeit hin geprüft und darauf hin überarbeitet werden. Stattfinden kann dies nur durch die ernsthafte Beteiligung universitärer Gremien, die viel zu lange als Akteure im Gestaltungsprozess nicht ernst genommen wurden und die alleine eine gemeinsame Arbeit aller Statusgruppen gewährleisten können. Wenn sie weiterhin nur als Orte des Abnickens von Vorgaben und Durchwinkens von Prüfungsordnungen gesehen werden, dann sollte man diese Erfüllungsgehilfen professoraler Zumutungen konsequenterweise abschaffen.
Mit der vorgelegten Stellungnahme versucht sich die Unileitung um eine Prüfung ihrer Studiengänge durch Programmakkreditierung zu drücken und sich durch Systemakkreditierung, die von studentischer Seite aus nur abgelehnt werden kann, ein pauschales OK geben zu lassen. Statt der Studienprogramme soll mittels Systemakkreditierung ein (realiter gar nicht vorhandenes) System der Qualitätssicherung begutachtet werden -- wo keine Qualitätssicherung vorhanden ist, greift man zum "Qualitätsmanagement".
Hauptargument dürfte dabei weniger die Qualität von Lehre als vielmehr das Geld sein: die Akkreditierung einzelner Studiengänge ist weit teurer, als eine Systemakkreditierung der Hochschule. Jedoch ist zum einen eine Begutachtung von Studiengängen, die sich teilweise schon jetzt als nicht studierbar erweisen, aus studentischer Sicht unabdingbar, zum anderen sollte einer Hochschule die Qualität ihrer Lehre zumindest einen Bruchteil dessen Wert sein, was sie für Forschung und elitäres Gehabe im Rahmen von Exzellenzwettbewerben ausgibt.
Angesichts nicht studierbarer Studiengänge und EntscheidungsträgerInnen, die ihre Arbeit ebenso wenig ernst nehmen, wie das Rektorat die Ergebnisse dieser Arbeit, setzt sich der Rektor mit seinen Forderungen zur radikalen Systemakkreditierung über demokratische Entscheidungsfindungsprozesse ebenso hinweg wie über eine qualitative Prüfung der Bachelor-Master-Studiengänge. "Die beteiligten Universitäten sind indessen bereit, für die Qualität ihrer Studiengänge selbst die umfassende Verantwortung zu übernehmen und dafür Qualitätsmanagementsysteme zu implementieren, die den Leitlinien deregulierter Hochschulen folgen", so heißt es in dem Brief. Wie dies aber von Gremien bewältigt werden soll, die es nicht schaffen, studierbare Studiengänge zu erarbeiten und zu verabschieden, ist unklar. Zweierlei jedoch scheint durch diese Erklärung auch durch das Rektorat bestätig zu werden: bisher gibt es keinerlei Verfahren zur Qulitätssicherung der neuen Studiengänge an der Ruperto Carola - und wer von der Akkreditierung seiner Studiengänge absieht, scheint weder in die Qualität derselben, noch in die Arbeit der dafür zuständigen Universitätsgremien ein besonders großes Vertrauen zu haben.
Ein weiteres kommt hinzu: wieder einmal stellt sich hier die durch den Bologna-Prozess angeblich angestrebte "Mobilität" als Phantom heraus. Gibt es im Rahmen der Akkreditierung keine Mindeststandards oder ein gemeinsames Kerncurriculum (im Rahmen zu erschließender Kompetenzen), so kann von Vergleichbarkeit der Studiengänge und damit von der Möglichkeit des Studienortwechsels kaum die Rede sein.
Weder Qualität, noch stimmige Studiengänge oder ständige Fortentwicklung sind das Ziel, sondern Wettbewerb um seiner selbst Willen und bestmögliche Präsentation. Als Geograph mag Rektor Eitel wissen, wo Potemkinsche Dörfer am einfachsten aufzubauen sind. Dass im Rahmen von Systemakkreditierung eine Beteiligung von Studierenden oder anderen Betroffenen, die am Pappmaché rütteln könnten, mehr oder weniger weg fällt, kommt ihm dabei zupass.