Kommunikation einmal anders
Im Zuge derzeitiger Profilbildungsprozesse sowie der Vorbereitungen auf die Exzellenzinitiative II übt sich das Rektorat wie gewohnt als Totengräber der Volluniversität. Ein Fach, dass derzeit daran glauben muss, ist Mittellatein. Nachdem das Rektorat sowohl die letzte DozentInnenstelle des Seminars gestrichen, wie auch den Entwurf für einen Bachelorstudiengang blockiert hatte und derzeit keine neuen Studierenden für den auslaufenden Magisterstudiengang zugelassen werden, gehen dem Fach - wen wundert es - die Studierenden aus. Nach einigen theaterreifen Versuchen des Rektorats, sich aus der Verantwortung zu stehlen, schreckt das Rektorat nunmehr auch vor Zensur nicht mehr zurück. Rechtfertigungsgrund wie -logik des Prorektors für Lehre und Kommunikation orientieren sich hierbei an Juvenal: "Hoc volo, sic iubeo, sit pro ratione voluntas".
Ab Sommersemester 2005 ist der Lehrstuhl für Lateinische Philologie des Mittelalters der Neuzeit vakant. Im Zuge des kleinen Fächertausches mit Mannheim wird die Professur nicht wieder besetzt und geht offenbar an Mannheim über. Auf einen Brief der Fachschaft Mittellatein vom 20.11.06 hin erhält das Seminar eine Spende von Manfred Lautenschläger in Höhe von 2087 Euro, um das Veranstaltungsnotprogramm aufrecht zu erhalten. Nach zahlreichen Protesten gegen die Schließung des Seminars beschließt das Rektorat, den Grundbedarf an Lehre durch eine Ratsstelle mit 12 Semesterwochenstunden Lehrdeputat zu sichern. Zum Wintersemester 2007/2008 wird die Ratsstelle besetzt. In seinem Rechenschaftsbericht bekennt sich der scheidende Rektor Hommelhoff zum Erhalt des Seminars:
"Bei alledem werden die neuen Personalstrukturen im baden-württembergischen Landes-Hochschul-Gesetz eine gute Hilfe und Erleichterung bereitstellen, sowie z.B. für das Seminar für Lateinische Philologie des Mittelalters und der Neuzeit, für das eine Schließung vorgesehen war und das nun mit Hilfe einer Lehrdozentur davor bewahrt werden konnte."
Als die Inhaberin der Ratsstelle im SoSe 2008 einen Ruf nach Zürich annimmt, reibt sich das Rektorat offenbar die Hände. Jedenfalls nimmt es weder Anrufe oder Briefe noch den Entwurf des Bachelorstudiengangs entgegen. Vielmehr erklärt es, die Stelle sei schon vom Rektorat Hommelhoff "der Sache nach entschieden" worden, "Das jetzige Rektorat musste nur noch den formellen Beschluss fassen", so Prorektor Pfeiffer in der RNZ vom 14.Juli. Gemeint ist: die Schließung.
Auf diese dreiste Verdrehung von Fakten reagierten sowohl der Emeritus mit einem Leserbrief als auch die Fachschaft mit einer Pressemitteilung. Überdies werden im Rahmen einer Unterschriftensammlung zahlreiche Unterschriften uni- wie bundesweit gesammelt und der Bundesbildungsministerin Schavan im Rahmen der Eröffnung des Marsiliuskollegs übergeben.
Weitere Unterschriften werden online über die Homepage des Seminars gesammelt. Dies muss dem Rektorat zu Ohren gekommen sein - der Prorektor für Kommunikation soll daraufhin beherzt zum Hörer gegriffen haben und das Dekanat ebenso beherzt zur Tastatur. Das Ergebnis: Der Link von der Fakultät zur unliebsamen Institutsseite wurde deaktiviert (hier die zensierte Version) und offenbar nach mehreren Telefonaten auch dafür gesorgt, dass die Institutsseite "gesäubert" wurde; die Petition kann nun nicht mehr von dort aus unterschrieben werden. Mit Transparenz scheint gerade das derzeitige Rektorat nach wie vor Probleme zu haben. Wer Zensurmaßnahmen wie diese jedoch aktiv unterstützt, verspielt damit die Chance, genau diesen Führungsstil transparent zu machen.
Die Erweiterung des Prorekorats für Lehre um den Bereich 'Kommunikation' zeigt, dass das Rektorat dem desaströsen Zustand der Lehre wie den Profilschwächen der Volluniversität mit andernorts erprobten Konzepten gezielten Informationsmanagements engagiert begegnet.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 15.08.2008, 08.04.2009