Der Aufstand und die dunkle Seite des „Werks"
Den Bogen von George Lucas Film-Epos "Krieg der Sterne" zum Studentenwerk Heidelberg (StuWe) schlägt sich leicht: Sterne hat die Heidelberger-Mensa-Küche keine. Kriege hingegen schon; diesen Eindruck gewinnt, wer die Summe von Arbeitskämpfen betrachtet, die studentische Teilzeitkräfte der Studentenwerks-Tochter "Hochschulservice GmbH" (HSG) gegen ihr Muttermutterunternehmen Studentenwerk Heidelberg führten. Das Arbeitsgericht hatte sich letztens hiermit beschäftigt und gab dem letzten der klagenden Studenten Recht. Eine Auseinandersetzung, die zeigt, dass es dem Heidelberger Akademiker das kleine bisschen schwerer fällt, "einfach mal das Maul zu halten". Hier noch mal die Chronologie des Konflikts fürs Geschichtsbuch, in Skywalker-Color und Mensa-Surround.
An einem Arbeitsplatz in Teilzeitbeschäftigung weit, weit entfernt vom deutschen Arbeitsrecht, da war einmal ein Steffen Laeuger. Heute einer der letzten seiner Art, durfte er dort auch bleiben, zumindest noch ein bisschen. Steffen Laeuger arbeitete nämlich auch weiterhin bei der Hochschulservice GmbH (HSG), einem einhundertprozentigen Tochterunternehmen des StuWe, bei dem dereinst nahezu alle studentischen Teilzeitkräfte des StuWe angestellt waren. Waren, denn inzwischen ist kein Studierender mehr Beschäftigter der HSG. Die 10. Kammer des Arbeitsgerichts Mannheim stellte im Juli 2007 unter dem Vorsitzenden Richter Jordan fest, dass die ausgesprochene Kündigung gegen Laeuger bei der HSG nicht Rechtens war. Auch die Befristung hielt der Prüfung vor Gericht nicht stand: das Beschäftigungsverhältnis ist - anders als im Arbeitsvertrag geschrieben - ein unbefristetes.
Das macht Laeuger zu einem der wenigen verbliebenen Mitarbeiter der HSG, die noch vor weniger als einem halben Jahr stolze 150 Mitarbeiter zählte und so nahezu 50 Prozent des Personalbedarfs des gesamten StuWe deckte. Die dunkle Prophezeiung, die StuWe-Chefin Ulrike Leiblein am 19.03.08 in der RheinNeckar-Zeitung orakelte, sie hat sich letztendlich fast erfüllt: "Dann ist der Herr Laeuger eben der einzige der dort arbeitet". Denn seine ehemaligen Kollegen sind tatsächlich inzwischen entweder freiwillig gegangen, mit Rahmenvereinbarungen in das StuWe übergegangen oder aber gütlich abgefunden worden.
Ohnehin war die im Juli 2007 verworfene schriftliche Kündigung Laeugers ein Novum in der Geschichte des Unternehmens; denn ordentlich gekündigt wurde in der zehnjährigen Geschichte der HSG so gut wie nie. Deren Geschäftsführerin Ulrike Leiblein -- im zweiten Jahr in Personalunion auch Geschäftsführerin des Studentenwerks Heidelberg -- pflegte eine eigene Praxis, Beschäftigungsverhältisse zu beenden. Das Rezept war einfach: Alles lief ausschließlich mündlich: Plötzliche Nichtverlängerung der immer wieder ausgestellten Kettenarbeitsverträge.
Anscheinend konnte sich Leiblein bei dieser Praxis auf die Rückendeckung ihrer "Personals" voll verlassen. Begründet wurden die vermeintlichen Entlassungen meist mit Lappalien. Glaubten die Betroffenen den Aussagen ihrer dienstlich Vorgesetzten, kündigten sie durch Nicht-Erscheinen am Arbeitsplatz dann unfreiwillig "freiwillig" selbst. Schriftlich gemahnt wurde so gut wie nie, schriftlich gekündigt erst recht nicht. Die Beschäftigung in Marstallhof und Co: eine riesige Nebelbank im grauen Arbeitsmarkt. Und da es sich beim Studentenwerk um eine deutsche Behörde handelte, glaubte student im Zweifelsfall, dass alles rechtens sei...
Ironisch dabei: das Studentenwerk ist die Behörde, die sich eigentlich um die Belange der Studierenden kümmern sollte, eine Behörde deren Angestellte von Geldern der Studenten in Lohn und Brot stehen. Eben diese Angestellten aber haben offensichtlich das dubiose Vorgehen über Jahre voll mitgetragen: Ob in der hauseigenen Personalabteilung, in den Stabsstellen und als unmittelbar Weisungsbefugte der HSG-Mitarbeiter in Mensen, Caféterien und Abteilungen. Selbst vom Personalrat, der Arbeitnehmervertretung des Studentenwerks, kam nichts. Durch die Verlagerung der Arbeitskräfte in die HSG, war den Teilzeitkräften der Weg zur Personalvertretung ohnehin versperrt und diese durfte mit gutem Recht ihre Hände in Unschuld waschen; und das recht sorglos: weder durch aktives noch passives Wahlrecht konnten die Studenten die Besetzung des Gremiums beeinflussen.
Im Oktober 2007 kam die Zäsur: In der HSG rumorte es nach dem ersten Jahr der doppelten Geschäftsführung Leibleins, die Kündigungen nahmen bei Mutter- und Tochterunternehmen ebenso zu, wie die nicht ungewollte demütigende Behandlung der Studenten. Die Frage nach Arbeitnehmerrechten wurde laut, begleitet von der zunehmenden Gewissheit, dass es keine Stelle innerhalb des Studentenwerks gab, an die sich die Betroffenen wenden konnten -- da der Personalrat des Studentenwerks bis dahin nicht zuständig war. So organisierten sich die Studentischen Aushilfskräfte selbst: Wenn das Studentenwerk keinen Platz im Personalrat bietet, gründet man eben ein eigenes Gremium. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) machte es möglich. Ein Betriebsrat, so war man sich einig, würde den Studierenden eine Stimme geben, sie könnten ohne Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes auf Missstände aufmerksam machen.
Gesagt getan: Mit Unterstützung der Gewerkschaften GEW und Verd.i wurde Anfang Oktober 2007 bei einer Betriebsversammlung ein Wahlvorstand gewählt. Am 29. Februar 2008 wurde nach verschiedenen gescheiterten Gesprächversuchen bei der Hochschulservice GmbH ein Betriebsrat gegründet. Als Grund für diesen Schritt, nannte Laeuger in der Rhein-Neckar-Zeitung, der sich von nun ab intensiv mit der Materie beschäftige, mehrmals den Verdacht, das Studentenwerk nutze die rechtliche Unbedarftheit der Arbeitnehmer aus. Unter ihnen seien schließlich auch viele ausländische Studierende, die mit dem deutschen Rechtsystem noch weniger vertraut sind als die deutschen Studis. Grundlegende Arbeitsrechte, wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und gesetzlich vorgeschriebenen Erholungsurlaub wurden und werden eventuell zu Unrecht vorenthalten.Der Schritt zu einer ordentlichen Rechtsvertretung für Studierende entpuppte sich als der Stich ins Wespennest. Geschäftsführerin Leiblein gab sich janusköpfig: einerseits versicherte sie der Öffentlichkeit eine Interessenvertretung anzuerkennen und wies rückblickend in einem Interview mit dem Magazin "Meier" im Juni 08 den Vorwurf zurück, mündige Studenten unterdrücken zu wollen und entgegnete gar: "Mitbestimmung gehört in jedes Unternehmen". Andererseits sah sie sich, wie sie in selbigen Interview zugab, in Zugzwang: "Deshalb haben wir gehandelt". Und das tat sie: Nachdem die Betriebsratswahlen am letzten Tag der Laufzeit der Kettenarbeitsverträge der HSG-Beschäftigten endlich durchgeführt werden konnten, und eben Steffen Laeuger dort zu einem der Interessensvertreter gewählt wurde, war Leiblein vorbereitet und schlug zu: Wenige Stunden nach dem Gang zur Wahlurne wurden den Mitarbeitern plötzlich Rahmenvereinbarungen mit dem Studentenwerk Heidelberg, statt der üblichen Arbeitsverträge mit der HSG aufgedrängt.
Die zweifelhaft bei der HSG Beschäftigten wurden so über das Mutterunternehmen beschäftigt, so ihrer frisch gewählten Rechtsvertretung entzogen. Die Leiter in Mensen und Caféterien spurten, scheuchten ihre Mitarbeiter eiligst in das Personalbüro des Studentenwerks. Nur dort durften die Unterschriften unter die Schriftsätze, mit denen viele ahnungslose Studenten das Ende ihrer Beschäftigung bei der HSG besiegelten, geleistet werden. Mit nach Hause nehmen, in Ruhe durchlesen und rechtlich prüfen lassen, das lief nicht. Unterschreiben oder klagen, die einzige Wahl nach der Wahl. Die Schriftstücke durften das Studentenwerk ohne Unterschrift nicht verlassen, darauf legte man Wert. Über Nacht war der erste demokratisch gewählte Betriebsrat der HSG entmachtet.
Waren Mitglieder des Personalrates des Studentenwerks Wochen zuvor bei der Wahlversammlung zum Betriebsrat der HSG in der Heidelberger Gaststätte "Essighaus" noch vollmundig und Mut zusprechend vor Ort, war selbigen angesichts dieser Entwicklung offensichtlich die Luft ausgegangen. Das Gremium ließ der plötzliche drastische Zuwachs seines Personalstandes kalt, von Vertretung der Arbeitnehmerinteressen keine Spur. Informationen für die Studierenden, wie sie sich in dieser Situation verhalten sollte, gab es nicht. Warnungen, dass der Betriebsrat durch die Rahmenvereinbarungen legal ausgehebelt werde und es zu einer massiven rechtlichen Schlechterstellung der Studierenden komme, blieben ohne Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung des StuWe.
Doch, wie das Urteil nun zeigt, stellten diese neuen Vereinbarungen tatsächlich eine wesentliche Verschlechterung der Rechte der Mitarbeiter dar. Lediglich eine Handvoll, jene die juristische Schritte wegen ihrer Arbeitsverträge eingeleitet hatten, verblieben in der HSG. Doch dort ließ Mama Mensa ihre Mühle mahlen: den Klage-Willigen wurde die Arbeit verwehrt, Lohn wurde ihnen ab sofort nicht mehr ausgezahlt. Manch anderer nicht klagender aber dennoch unliebsamer Mitarbeiter, erhielt, entgegen den späteren Darstellungen Leibleins in einer Stellungnahme gegenüber dem Unimut, keine Rahmenvereinbarungen angeboten. Sie sahen sich binnen Stunden ohne Arbeitsplatz und ohne Einkünfte. Gütliche Einigungen mit der Handvoll klagender Studenten, reduzierten das Unternehmen Ende Mai schließlich auf wenige Personen: unter anderem den Noch-Betriebsrat Steffen Laeuger. "Noch", weil die Betriebsratswahl an sich, vom Studentenwerk Heidelberg nämlich als "undemokratisch" bezeichnet, der Garaus gemacht werden soll.
Mit Erfolg: Vor dem 10. Senat des Arbeitsgerichts Mannheim wurde Ende Mai die Betriebsratswahl in erster Instanz für fehlerhaft erklärt. Der Grund: Ein Betriebsratskandidat war ganze 96 Stunden zu kurz im Unternehmen beschäftigt, da man eine Unterbrechung in dem Beschäftigungsverhältnis des langjährigen Mitarbeiters geltend machen konnte. Beruhigend: Zur Abwechslung hatte das Studentenwerk hier mal ganz genau in die Gesetzbücher geschaut. Chapeau! Durch die Mitarbeiterverlagerung zum Studentenwerk lag nun kein betriebsratsfähiger Betrieb mehr vor. Mitbestimmung Ade. Steffen Laeuger aber ließ sich nicht abfinden und kündigen ließ er sich erst recht nicht. Am Ende des Prozesses, an dem er das Urteil jedem Kompromiss vorzog, forderte der Arbeitsrichter ihn auf, darauf zu verzichten, Rechtmittel gegen das Kippen des Betriebsrates einzulegen: " Sie tun damit der Betriebsratsbewegung keinen Gefallen", sagte der Vorsitzende Richter, Jordan.
Nachdem das Verfahren gegen Laeuger rechtkräftig geworden war, mahnte man ihn verhaltensbedingt mehrere Male ab und versetzte ihn ab Juli 2008 von der Abteilung Studienfinanzierung in die Abteilung Rechnungswesen, wo er von nun an seine Arbeitskraft der Behörde zur Verfügung stellen musste. Im August 2008 kündigte man dem letzten Mohikaner verhaltensbedingt fristlos und später hilfsweise ordentlich. Derzeit wird vor dem 10. Senat des Arbeitsgerichts Mannheim geprüft, ob diese fristlose Kündigung rechtmäßig war. Der Vorsitzende Richter äußerte sich im Rahmen des Gütetermins bereits kritisch zu den Abmahnungen. Es bleibt abzuwarten, wie das Verfahren im Kammertermin im Mai 2009 ausgehen wird.
Erneut teilte Steffen Laeuger die Auffassung der Mama Mensa nicht. Es war schließlich nicht die erste Auffassung, die der angehende Gymnasiallehrer nicht so einfach teilen wollte. Die Geschäftsführerin Ulrike Leiblein hatte Laeuger in der Rhein Neckar Zeitung vier Monaten zuvor als "Studenten-Opa" bezeichnet (RNZ vom 19.03.2008, Stadtausgabe). Vielleicht hängt man ihm irgendwann an diesem Namen noch drei Buchstaben dran, und ernennt ihn zum "Studenten Opi Wan". Im Gegensatz zu dem George Lukas Epos wird es von " STUDI WARS" wohl noch den siebten Teil geben. Zwar weicht wohl der Krieg dann dem Scharmützel, aber zumindest darf man sich ab Episode sieben die Titel selbst ausdenken.