Viel Presse war heute im Zoologischen Institut, Kameras und Mikrofone. Nein, es ging nicht um irgendwelche geclonten Schafe, sondern um den ersten uniinternen Eingangstest der BRD (seit wann eigentlich?). Getestet wurden 35 Menschen auf ihre Eignung zum/r BiologielehrerIn, und zwar in zwei jeweils fünfzehnminütigen Einzelgesprächen mit Bioprofs. Um Biologie gings dabei nur am Rande -- das entsprechende Gesetz aus Stuttgart verbietet explizit fachspezifische Fragen, die Gegenstand der Abiturprüfung sein könnten --, und so plauderten die Profs über deutsche Literatur (Herr Schneider, bekannt durch das Biologiepraktikum für Mediziner, Scherenschnitte und seine Beteiligung an einer Dixielandband, beklagte deprimierend schlechte Kenntnisse bei den AspriantInnen), die industrielle Verwertung von Hühnern oder die Zeitungslektüre (auch hier Finsternis: KeineR liest die FR). Das alles, um der "ganzheitlichen Persönlichkeit" der künfigten Studis oder Nichtstudis näherzukommen.
Dabei fällt es schwer, viel gegen diese Art von Eingangsprüfung vozubringen: Viel zufälliger als Abinoten sind die Ergebnisse solcher Tests auch nicht -- in der Tat betonten die Professoren stolz, es habe nur zwei "Problemfälle" gegeben, bei denen sich die Beurteilung der zwei Prüfer (Frauen nahmen auf Prüferseite an dem "Experiment" nicht teil) erheblich unterschied, wohingegen sich durchaus Differenzen zum Urteil aus der Abinote ergaben. Und allemal läßt sich aus einem Gespräch mehr über eine Person herausfinden als aus zwanzig Zahlen zwischen Null und Fünfzehn, wie immer mensch die auch wichten will.
Problematischer sind da schon die Zukunftsperspektiven. So ließ sich der Vorsizende der Auswahlkommission Storch vernehmen, er würde am liebsten die "Liste schließen", was bei ihm heißt, dass weniger als die 18 Studienplätze besetzt werden, weil nicht genug "qualifizierte" BewerberInnen zur Verfügung stehen. Wer zu jenen der 18 Champions gehört, die Storchs Anforderungen nicht genügen, darf sich glücklich schätzen, dass die Gesetze Storch noch die Hände binden.
Zukunfsträchtiger wirken da die Psychologen, die am 20.8. ihren Eingangstest durchführen wollen. Sie setzen etwa ganz massiv auf Dinge, die an Medizinertests erinnern: Klausuren zur "verbalen Intelligenz", zur "sozialen Intelligenz" und zum "Vorverständnis für psychologische Fragestellungen" sind da geplant. Mensch muss wohl schon Psychologe sein, um an so einen Unfug zu glauben. Und klar ist, dass die Zukunft eben nicht in humanen Auswahlplaudereien liegt, sondern in Massenklausuren, einfach weil letztere um Größenordnungen billiger sind: Grob überschlagen kostet eine Aktion wie die heute schon durch die Bezüge der Profs was wie 10000 Mark, für gerade mal 18 Studienplätze. Wenn in Heidelberg rund 2000 Studienplätze im Jahr vergeben werden, müsste allein für die Auswahlverfahren eine gute Million aufgewandt werden. Wer dafür Verständnis haben soll, fragt sich die Redaktion wohl vergebens.
Aber die Geschichte geht weiter: Wenn erstmal die Prüfungen etabliert sind, werden sich die StudienanfängerInnen auch darauf vorbereiten -- eine großartige Chance für private Repetitoren oder ähnliches! --, mit der Folge, dass praktisch alle durchkommen werden. Damit müssen aber die Klausuren schwieriger werden, also muss auch mehr vorbereitet werden, und schwupps sind wir beim System Japan (für das der Prorektor für Forschung Hüfner starke und ablehnende Worte fand), wo mensch zwar den Abschluss praktisch in der Tasche hat, wenn die Hürden der Eingangsprüfungen überwunden sind -- aber vor den Eingangsprüfungen Tausende von Mark für private VorbereiterInnen ausgegeben hat. So kann mensch das Bildungssystem auch privatisieren.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 05.12.2003