"Demokratie ist doof, und die Gesellschaft muss sich aber ganz arg ändern" -- wer sowas sagt, ist im Normalfall fällig für den Verfassungsschutzbericht. Wenn sich unser Rektor nicht demnächst auf dessen Seiten wiederfinden will, sollte er seine Diktion etwas mäßigen, denn das, was er während der gestrigen "Lokaltermin"-Sendung im Marstallhof vor laufenden Kameras äußerte, kam dem Statement oben sehr nahe.
Der "Lokaltermin" ist eine Sendung des SDR, in der auch immer wieder Podiumsdiskussionen aus der Provinz ausgestrahlt werden -- unvergessen ist etwa die Veranstaltung im Januar 1993 (leider beginnt unser elektronisches Archiv einen Monat zu spät), während der unserem Wissenschaftsminister Trotha vor der bis zum Rand gefüllten Aula der neuen Uni sein berüchtigtes Grinsen aus dem Gesicht fiel. Gestern also eine Veranstaltung in kleinerem Rahmen: Vielleicht hundert Leute hatten sich im Marstallsaal versammelt, um einer Diskussion zwischen Rektor Siebke, einem SPD-Jurastudi aus Tübingen und einer Vertreterin der FSK über Siebkes Lieblingsthemen Auswahlgespräche und Studiengebühren zu lauschen. Zwanzig Minuten davon -- leider die langweiligeren zwanzig Minuten -- gingen live ins Land hinaus.
Während dieser (ansonsten nicht allzu ergiebigen) Diskussion äußerte Siebke, ein grundlegender Mentalitätswandel in Gesellschaft sein nötig, was er auf Rückfrage zu "Mehr Wettbewerb, überall" konkretisierte. Also: Weg mit der FDGO, die steht da nur im Wege. Und in der Tat, von dem SPD-Menschen angegriffen, gerade er "als Ökonom " habe vielleicht ein "etwas eingeschränktes Demokratieverständnis", versuchte sich Siebke nicht zu rechtfertigen, sondern räumte offen ein, dass wir zwar in einer parlamentarischen Demokratie leben würden (schade, dass ihm nicht noch ein "leider" rausgerutscht ist), daraus aber keineswegs folge, dass es auch überall demokratisch zugehen müsse. Ein großartiges Argument, nur dass eine Uni halt doch was anderes ist als die Schreinerei Eder. Aber das versteht ein Ökonom vermutlich nicht.
Dass Siebke ein Mann der starken Worte ist, war eigentlich schon vor seiner Wahl zum Rektor klar. Dass er es so wild treibt, hat wohl auch das Publikum überrascht, und so blieb der Applaus für ihn auch durchweg sehr dünn -- seinen einzigen Szenenapplaus bekam er für die tiefsinnige Aussage "Nicht alle Dinge sind gleich". Nicht nur für das Publikum muss sich wohl die Frage stellen, ob ein solcher Frontkämpfer der konservativen Revolution, direkt aus dem England der frühen 80er zu uns gebeamt, als Rektor der Uni Heidelberg tragbar ist.