Eine bemerkenswerte Streikveranstaltung findet zur Zeit jeden Dienstag und Freitag um 11 bei den MathematikerInnen statt: Der AK Erstsemester bietet den Stoff der Vorlesung Analysis I aus Studimund und von Studihand.
Zunächst ist dies aus der Not geboren, denn Analysis I wird in diesem Jahr von Herrn Rost gelesen, der seit Anfang der siebziger Jahre für unverständliche ("Des seh mer durch Inschpektion") und abgedrehte ("Ich dacht mir, dass wir die nächsten beiden Stunden die Perron-Frobenius-Theorie der Matrizen mit positiven Einträgen machen") Vorlesungen berüchtigt ist und sich aufgrund eines mehr als fragwürdigen Elitebegriffs auch nicht von seinem Stil abbringen lässt. Konsequenz jeder Einführungsvorlesung dieses Herrn ist ein ganzer Jahrgang frustrierter Studis, die sich wundern, was für Genies es doch sein müssen, die all diese geheimnisvollen Sachen verstehen.
Dieses Jahr ist es nun anders, denn anläßlich des Streiks bietet die Fachschaft die Alternative -- das Ergebnis ist, dass Rost vor sechs Unentwegten (deren Motivation wohl auf ewig ungeklärt bleiben wird) reden muss, während die Gegenveranstaltungen bis auf den letzten Platz besetzt sind.
So viel war zu erwarten -- wirklich bemerkenswert an dieser Geschichte ist aber vor allem, dass sie einen winzigen Blick auf eine Utopie gewährt: Die Uni ohne Profs. Letztlich kann mensch immer nur selbst lernen, so dass Lehre, zudem verstanden als Frontalvorlesung, etwas zumindest sehr Schwieriges ist. Eine Fortführung dieses Gedankens führt zum Konzept einer Uni als einem Platz, der Lernwillige zusammenbringt und sie mit Infrastruktur ausstattet, ihnen die gemeinsame Auseinandersetzung mit den Fragen ihres Faches gestattet.
Natürlich: Wir sind weit von dieser Utopie entfernt, um so mehr, als nur eine kleine Minderheit die Uni wirklich aus Neugierde oder Lernwillen betritt und sie stattdessen als Filter vor die "high-paying jobs" gesetzt sind. Und doch: Projekte wie das der MathematikerInnen lassen hoffen.