Wer in dieser Woche die "Wissen"-Seite der facegelifteten Wochenzeitung aus Hamburg (Lösung) aufschlägt, darf sich gleich zwei Mal mit Statistik auseinandersetzen. Neben einem Artikel über TIMSS -- das alte Lamento, dass die SchülerInnen der BRD schlechter rechnen als ihre niederländischen KollegInnen -- kommentiert Sabine Etzold eine Umfrage des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE), in der das Institut, berüchtigt als nationale Speerspitze neoliberaler Hochschulpolitik, feststellt, rund die Hälfte der Studis sei für Studiengebühren.
Der Zeit fällt dazu im Wesentlichen nur ein, das Ergebnis als Resignation der Studis vor den politischen Realitäten finanziell ausgebluteter Unis zu interpretieren, wobei immerhin akzeptiert wird, dass CHE wie Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft (die firmieren als Co-Auftraggeber für die Studie) ja irgendwie schon Partei bei der ganzen Frage sind und dass also die Rolle "politischen Kalküls" nicht ganz vernachlässigt werden kann.
Aber selbst wenn mensch glaubt, dass die 1501 Befragten wirklich "repräsentativ" ausgewählt werden konnten und worden sind, und wenn mensch weiter glaubt, dass Telefoninterviews eine wirklich gute Methode der Datenerhebung sind -- es ist durchaus vorstellbar, dass bei etwas anderen Fragen ein ganz anderes Ergebnis herausgekommen wäre. Die drei Fragen (nachzulesen auf einer Seite des CHE, auf der mensch auch die Ergebnisse sehen kann) suggerieren ja selbst in Textform, dass das 1000-Marks-Darlehensmodell, das das CHE da lancieren will, noch das Beste sei, was im Augenblick rauszuholen ist. Hätte mensch die Studis gefragt: "Mögt ihr am Ende eures Studiums mit rund 20000 zu verzinsenden Mark Schulden allein aus Studiengebühren dastehen?" -- ganz schön viele der für die Studis repräsentativen Prozente hätten wohl nicht zur Freude des CHE-Chefs und Diplom-Kaufmanns Müller-Böling geantwortet.
Statistik Marke CHE, direkt von deren Website |
Nicht wegzudiskutieren ist, dass es auch unter Studis eine breite Mehrheit Schweigender und Duldender gibt, die womöglich die allenthalben verbreiteten Notstandsparolen glauben. Nicht wegzudiskutieren ist, dass sich so manche Fliesenlegermeisterin von Klosprüchen Marke Teufel und Mayer-Vorfelder beeindrucken lässt, statt zu sehen, dass kostenloser Hochschulzugang ihren Kindern viel mehr nützt als denen der Herren Teufel und Mayer-Vorfelder. Studien jedoch, die gerade zur Debatte um die Weigerung der SPD, ein HRG ohne Verbot von Studiengebühren zu verabschieden, belegen wollen, wie wenig demokratisch legitimiert dieses Verhalten doch sei, sollten auch im Zentralorgan der bildungsbürgerlichen Republik mit etwas mehr Vorsicht genossen werden.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 04.12.2001