Nachdem das traditionelle Maisingen der Burschis am Marktplatz letztes Jahr ausgefallen war, hatten sich die Heidelberger AntifaschistInnen in diesem Jahr vorgenommen, auch eventuelle Vorstellungen völkischen Liedguts woanders zu unterbinden. Sie hatten den Abend mit einem Straßenfest am Kornmarkt, gleich neben dem vom Liederkranz 1874 beschlagnahmten Marktplatz, begonnen. Redebeiträge und internationalistische Kultur stimmten auf die Jagd nach den Herren mit den lustigen Gewändern ein.
Als der erste Mai näherrückte, verlegte sich der Fokus von AntifaschistInnen wie Polizei immer mehr aufs Schloss, wo im letzten Jahr eine klägliche Ausweichveranstaltung mit Fackeln und, na ja, Gesang stattgefunden hatte. Und tatsächlich, auch in diesem Jahr klang von dort "Deutschland, Deutschland, über alles" herab, wenn auch nicht lang, denn schnell waren dort genug progressive Kehlen und Trillerpfeifen versammelt, um die Spukgeräusche unter einem sympathischeren Geräuschteppich zu verstecken. Dank des entschlossenen Einsatzes der Staatsgewalt, die die Gegendemonstranten abdrängte, konnten die Korporierten nach einer Weile auch wieder aus dem Schloss raus. Am Marktplatz standen derweil nur ein paar demotivierte und größtenteils stark alkoholisierte Burschen in Zivil herum und überlegten sich, ob sie sich "Der Mai ist gekommen" trauen könnten.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 19.04.2001