By appointment: Siebke unterbrach seine Rede, um dieses Foto zu autorisieren. Das wäre aber nicht nötig gewesen, Herr Rektor |
Zum 39. Mal trat heute das einzige Gremium der Universität zusammen, dessen Sitzungen grundsätzlich öffentlich sind: Der große Senat, der immerhin groß genug ist, dass sich die Aula am Klausenpfad als Sitzungsort lohnt. Vor einem Publikum, das sich knapp an zwei Händen abzählen ließ, war heute vor allem der Rechenschaftsbericht des Rektors geboten, der relativ moderate Bericht der Frauenbeauftragten hingegen stieß nach rund zwei Stunden Debatte auf nicht mehr ganz so reges Interesse.
Zunächst muss mensch Siebke einen gewissen Lernprozess bescheinigen, war er doch bei weitem weniger ausfallend als noch bei seiner Wahl -- und gab auf Nachfrage auch gern zu, sein größter Fehler in dieser Amtzeit sei eine Fehleinschätzung der Presse gewesen. Dabei bezog er sich vermutlich auf seinen recht peinlichen Anruf bei der RNZ, der er zu Streikzeiten gern vorgeschrieben hätte, was die Heidelberger Öffentlichkeit über die Universität lesen darf und was nicht. Allerdings hat Siebke seine Grenzen: Kickser, Stotterer und Freud'sche Versprecher (Wirtschaftsministerium statt Wissenschaftsministerium) sorgten für die Unterhaltung des Publikums, gelegentliche Grobheiten ("Wenn Sie dann [im nächsten Jahr] noch Mitglied der Universität sind..." gegen eine "Langzeitstudierende", für deren Studiengebühren der UNiMUT demnächst eine Spendenaktion starten wird) für Empörung.
Dieser Mensch soll, so wünscht sich Siebke, nächstes Jahr nicht mehr gute Fragen im großen Senat stellen können. |
Inhaltlich gab es nicht viel Neues, sinkende Studierendenzahlen führte Siebke auf die abschreckende Wirkung von Rückmelde- und Langzeitgebühren auf Rückmelder- und OrtswechslerInnen zurück, mit etwas Stolz berichtete er von 6200 verschickten Anhörungsbögen im Zusammenhang mit den Langzeitgebühren. Ebenfalls selbstzufrieden stellte er fest, dass Heidelberg die Ideen des HSK-Papiers größtenteils schon vorauseilend umgesetzt habe und deshalb in dieser Richtung nicht viel Handlungsbedarf bestehe. Differenzen zwischen ihm und der HSK bestünden lediglich in Sachen Streichung des EWS (da will Siebke einen "deutlichen" Brief schreiben), der Verlegung des IÜD in die FH sowie in der Problematik der Master/Bachelor-Studiengänge -- bei letzterem, so Siebke, "führt uns eine einfache Ablehnung nicht weiter", denn massiver politischer Druck könne so einfach nicht ignoriert werden.
Die Aussprache über den Rechenschaftsbericht gestaltete sich überraschend lebhaft. Erwartet nichtssagend zunächst die Stellungnahme von Siebkes Wahlliste Ruperto Carola in Gestalt des Dekans der Medizinischen Fakultät, dem nichts Besseres einfiel, als die Knappheit des Rechenschaftsberichts zu loben (was der Redakteur nicht ganz nachvollziehen kann: Trotz größerer Schrifttype als in den Ulmerjahren dürfte allein der Übergang von A5 auf A4 bei weitgehend unveränderter Seitenzahl einiges an Platz geschaffen haben) und anschließend zu fordern, in Zukunft das Uni-Bauamt aus Bauvorhaben rauszuhalten. Nicht, dass das Uni-Bauamt viele Freunde hätte, aber dass zu diesem Rechenschaftsbericht mehr zu sagen war, zeigten nicht nur die studentischen Mitglieder des Großen Senats.
Die stiefmütterliche Behandlung der Lehre (das Wort fällt zum ersten Mal auf Seite 13) oder das erneute Totschweigen des ZSW, Ungereimtheiten in Einzelfragen, eine allzu große Zurückhaltung des Rektorats, Stellung zu beziehen (zumindest wären diese Stellungen dann angreifbar...): viel Kritik wurde geübt in der Debatte -- mehr zu den verschiedenen Beiträgen der FSK-VertreterInnen (und anderer) sowie Siebkes (Nicht-) Antworten wird bestimmt im nächsten UNiMUT zu lesen sein.
Bemerkenswert jedenfalls, dass ziemlich kritische Worte auch von Professoren kamen. Ein in der Initiative organsierter Pädagogikdozent kritisierte, Studiengebühren stellten den Abschied von der Errungenschaft einer durchweg staatlich finanzierten Ausbildung dar, und ein Hybridmodell aus staatlicher und privater Finanzierung, wie es gerade eingerichtet werde, sei auf jeden Fall unsinnig -- und auch in der Bachelor-Frage warne er vor unüberlegtem Import von Modellen aus Angloamerika in ein System, das dadurch bestimmt nicht besser werde. Der geschäftsführende Direktor der RomanistInnen beklagte, der Druck auf die Studierenden sei mittlerweile so groß, dass nur noch halb so viele Anträge auf Erasmus-Stipendien für ein Auslandssemester eingegangen seien wie im letzten Jahr und er -- nicht nur deshalb -- große Sorge habe, dass mit den Gebühren ein guter Teil der kulturellen Funktion der Uni verloren gehen könne.
Der Kritikpunkte waren noch mehr, auch aus dem Mittelbau, und hinterließen insgesamt den Eindruck, dass Siebke seine Uni weit schlechter unter Kontrolle hat als noch Ulmer -- was angesichts seiner Persönlichkeit nicht zu überraschend ist. Ob der versammelte Unmut ausreichen wird, Siebke noch vor dem Ende seiner Amtszeit aus dem Rektorenstuhl zu verdrängen, bleibt dennoch zweifelhaft. Zumindest die einflussreiche Ruperto Carola scheint noch hinter dem Rektor zu stehen. Aber vielleicht gärt es ja dort auch schon hinter den Kulissen, und Corpsgeist ist der einzige Kitt zwischen Siebke und seiner Liste? Doch selbst wenn: Dieser Kitt ist stark.