Es war nach der derzeitigen politischen Grosswetterlage fast nicht anders zu erwarten: die Klagen von zwei Freiburger und zwei Heidelberger Studierenden gegen Trothas 1000 DM "Langzeitstudiengebühren" in Baden-Württemberg wurden in der Berufungsinstanz vom Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim heute zurückgewiesen. Die Begründung ist noch nicht bekannt, sobald wir mehr Infos haben, wird sie (zumindest in wesentlichen Auszügen) an dieser Stelle zu lesen sein.
Der persönliche Triumpf von Trothas in Baden-Württemberg wird voraussichtlich in eine bundesweite Gesetzgebung für die Einführung von allgemeinen Studiengebühren zumindest ab dem 14. Semester (vorerst) einfließen. Zwar vertagte sich am Montag eine Arbeitsgruppe mehrerer Länder-Wissenschaftsminister nach zweieinhalbstündiger Beratung auf Ende Mai, doch schien eine Einigung auf einheitliche Gebühren absehbar. Zuvor hatte Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn in Berlin indirekt für die Erhebung von Gebühren bei Langzeitstudenten plädiert. Zwar wolle die Bundesregierung weiterhin ein kostenloses Erststudium ermöglichen; das heiße aber nicht, `dass man 30 Semester braucht". Bei der nächsten Beratung Ende Mai stehen erneut die Modelle des SPD-Politikers Zöllner und seines baden-württembergischen CDU-Kollegen Klaus von Trotha zur Diskussion. Von Trotha kassiert ab dem 14. Semester Studiengebühren von 1.000 Mark; Zöllners Kompromissvorschlag geht von einer durchschnittlichen Gesamtstudienzeit von 160 Semester-Wochenstunden aus und sieht ein Gebührenverbot für 200 Wochenstunden vor. von Trotha hat sich bereits positiv zu diesem Vorschlag geäußert. Die rot-grüne Bundesregierung verkauft diese absehbar Lösung zur Zeit bereits euphemistisch als "Verbot von Studiengebühren für das Erststudium", was über die tatsächliche Einführung von Studiengebühren hinwegtäuschen soll.
Äusserungen des "bildungspolitischen" Sprechers der Grünen, Matthias "Innovationseliten" Berninger, am vergangenen Wochenende gegenüber Focus (ja, die Zeitschrift mit dem unsäglichen Mathe-Ranking-Trick damals, d.S.) veranlasste gestern AP in einer Überschrift zu titeln: "Berninger für 1.000 Mark pro Semester - Röstel hält Vorschlag für diskutierbar". Die Vordenker der Frankfurter Schule würden sich im Grabe herumwälzen, könnten sie sehen, in welchen Sätzen ihr Jargon ("diskutierbar") sich inzwischen wiederfindet, denn das heisst nichts anderes, als dass es jetzt (endlich offen) die Superkoalition aus SPD, FDP, CDU, Republikaner und B'90/Die Grünen gibt: Alle wollen Studiengebühren, und vorerst können alle mit "Bildungsgutscheine für die ersten 14 Semester" (die jedeR mit der Geburt "erwirbt") leben. Wie lange noch, bis der Konsens die griffige Formel "Langzeitstudenten = Serben" umfasst?
Zitat Berninger im Focus: "Die Universitäten müssen sich als Dienstleister und die Studenten als Kunden verstehen". Abgesehen von den grammatosozialen Fehlleistungen (Universitäten sind immer noch Dienstleisterinnen und "Studenten" heisst wohl heute Studierende), zeugt dieser Satz von der maßlosen Borniertheit eines typischen Parteikarrieristen, der statt eines ernstzunehmenden Konzepts von "Universität" nur neoliberales Geplapper bietet (Zur Erinnerung: Berninger 1997). Da ist der VGH Mannheim schon fortschrittlicher bzw. achtsamer in seinen Formulierungen und textet in einer aktuellen Pressemitteilung zum Urteil : "Der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg hat die Berufungen von vier Studierenden, die sich gegen Studiengebührenbescheide zur Wehr gesetzt hatten, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. April 2000 zurückgewiesen. Zugleich wurde die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen." Dass sich die Studierenden in den letzten Jahren mit Trothas bildungspolitischen Einfällen herumschlagen mussten und sich auch viele "zur Wehr" setzten, blieb dem VGH nicht verborgen.
Gerichte können bei der Urteilsfindung nie ganz unabhängig von der allgemeinen politischen Lage und Stimmung sein, auch wenn manche das nicht so recht glauben wollen. Dem VGH Mannheim ist mit diesem Urteil kein Vorwurf zu machen, passt doch das Ergebniss verhältnismässig gut in die derzeitige "politische Landschaft". Die leisen Zweifel, die mensch bei dem Urteil haben könnte, berücksichtigte der VGH im letzten Satz, der besonders hoffen lässt: Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Berlin wurde zugelassen, weil sich die RichterInnen klar waren, dass ein endgültiges Urteil hierbei von bundespolitischer Relevanz ist, da ja davon beispielsweise auch internationale Abkommen wie der "Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte" betroffen sind. Für die Revision wird allerdings Geld benötigt, was sicher nicht ganz einfach zu beschaffen sein wird. Zunächst müssen die Klägerinnen (im Endeffekt die Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft (GEW) und der u-asta Uni Freiburg) die Kosten des Urteils übernehmen.
Heute ist mal wieder ein schwarzer Tag für alle Studierenden, mag der eine oder die andere denken. Aber wer weiss, vielleicht schaffen es die Studierenden (gemeinsam auch mit denen in bisher von Studiengebühren "verschonten" Bundesländern) ja doch noch, gegen die rot-schwarz-gelb-grün-braune Einheitspartei beim Thema "Studiengebühren" kräftig anzustinken. Oder sind das nur leere Träume der UNiMUT-Redaktion?
Trotha kommentierte das Ergebnis inzwischen in einer Pressemitteilung - offenbar hat er die Begründung schon oder bedarf ihrer nicht zum Kommentieren.