Der Prozess gegen Angela Marquardt in Sachen Link auf das Autonomen-Blatt "radikal" ist gestern mit einer Art qualifiziertem Freispruch zu Ende gegangen. Angela Marquardt muss die von der Staatsanwaltschaft geforderten 3000 Mark nicht bezahlen, aber nur, weil ihr zum Zeitpunkt der Linklegung die strafbaren Inhalte noch nicht bekannt gewesen sein sollen. Ob die bewusste Linklegung zu strafbaren Inhalten strafbar ist, geht aus der Urteilsbegründung nicht schlüssig hervor.
Mensch darf das als salomonisches Urteil werten -- insbesondere, da die Richterin aller Wahrscheinlichkeit nach nicht über die sachliche Kompetenz zu allzu weitreichenden Urteilen über das Internet verfügen wird. Hätte sie etwas über die Strafbarkeit von Links ausgesagt, hätte sie auch gleich äußern können, ob mensch wegen eines Nicht-Links wie http://www.xs4all.nl/~tank/radikal, eines Bildes wie dem nebenstehenden oder eines indirekten Links wie dem im DFN-Artikel auch belangt werden kann. Dann nämlich würde es richtig lustig: Wie viele Seiten müssen denn dann zwischen einem Link und einem strafbaren Inhalt liegen? Wenn sich auf jeder Seite im Mittel fünf Links befinden und mensch fünf Stufen tief auf strafbare Inhalte prüfen müsste, wären das für jeden gelegten Link 3125 zu prüfende Seiten -- optimistisch gerechnet genug Arbeit für eine Woche...
Kommentar der Frankfurter Rundschau: "Die Staatsanwaltschaft, sichtlich nicht übermäßig vertraut mit der Riesenmaschine Internet, surfte ersatzweise derart durch die Wogen des Strafrechts, daß ihr jedes Gefühl für festen Boden unter den Füßen abhanden kam." Die junge Welt unter ihrer neuen Ägide fand hingegen viel faszinierender, dass Ankläger Jürgen Heinke nach dem Plädoyer der Verteidigung noch ein "Dies ist kein Prozeß gegen die Partei oder die Person Angela Marquardts. Aber es erstaunt mich schon, daß ausgerechnet die ehemalige stellvertretende Vorsitzende der PDS hier als Streiterin für die Pressefreiheit auftritt." nachschieben musste.
Seit Mitte der siebziger Jahre haben Stuiderende mit Novellierungen der Uni- oder Hochschulrahmengesetze eigentlich immer nur Negatives verbunden -- die jeweiligen MachthaberInnen konzentrierten sich in entsprechenden Entwürfen üblicherweise auf Schmankerl wie Studiengebühren, Gängelung der Studis oder Einschränkung der in der Zeit nach 68 erkämpften Rechte. Das Gesetz dieser Serie brach jetzt die Nordrhein-Westfälische Ministerin Anke Brunn: Die jüngste UG-Änderung in NRW bietet neben wohltuend progressiver Kosmetik (Tendenzen zu geschlechtsneutraler Sprache, Verpflichtung der Unis auf Ökologie) auch die deutlichste Äußerung für ein politisches Mandat (PM), die es derzeit in der BRD wohl gibt. So sind die Studivertretungen aufgerufen, generell an der Erfüllung der Aufgaben der Hochschulen [...] mitzuwirken, wozu so schöne Dinge wie die Erhaltung des demokratischen und sozialen Rechtsstaats sowie die Auseinandersetzung mit den Konequenzen des eigenen Forschens gehören. Bezüglich des Studivertretungen sind zwar explizit nur hochschul- und wissenschaftspolitische Fragen gefragt -- ein "insbesondere" macht aber klar, dass dies eher Ermunterung als Beschränkung sein soll.
Besonders erheiternd -- mensch sollte wohl eher von dialektisch reden -- an der Geschichte ist der Umstand, dass Anke Brunn diesen Schritt praktisch auf Initiative der PM-Hasser vom RCDS unternommen hat, die -- wir berichteten -- etliche ASten in NRW mit absurden Klagen überzog und so die Ministerin faktisch vor die Wahl stellte, ihre Studivertretungen lahmlegen zu lassen oder die gesetzlichen Regelungen, die dem RCDS seine Amokklagerei erlaubten, zu streichen. Dass sie zweiteres tat, spricht für die hochschulpolitische Kompetenz der Ministerin. Beim Vergleich mit Trotha bleibt da nur der Stoßseufzer: NRW, du hast es besser.
Aber dies wäre kein Artikel über Hochschulpolitik in den neunziger Jahren, wenn er ein so überaus positives Ende finden würde. Inkompetente Wissenschaftsminister gibt es nicht nur in Baden-Württemberg, auch in Sachsen hat die CDU einen phrasenplappernden Karrieristen in das entsprechende Ressort gesetzt. Von dessen Gebührenplänen war an dieser Stelle ebenfalls schon die Rede; entgegen den damals kolportieren pessimistischen Erwartungen, dass schon im Wintersemester erste Rechnungen auf Studitischen landen würden, sah es zwischendurch mal so aus, als sei die Bürokratie mit der Eintreibung der Gebühren vorläufig überfordert. Trothas sächsischer Kollege Meyer allerdings steht ihm in Sachen Verliebtheit in seine Gebühren in nichts nach, weshalb das grosse Kassieren Gerüchten zufolge zur Chefsache gemacht wurde. Ob das hilft, die sächsische Preisliste (auf der Seite ganz runter scrollen) via Uni-Verwaltungen noch dieses Jahr in Wohnheime und WGs einziehen zu lassen, bleibt noch abzuwarten. Tageslehrgänge mit mindestens vier Stunden: 100 Mark.
Kaum etwas scheint Wissenschaftsminister und andere Hochschludeformateure angenehmere Schauer zu verschaffen als die Idee von Vertretern (!) der Wirtschaft in Unigremien. Stand schon im Entwurf des Bayrischen Kultusministers Zehetmair sowas drin, geht Wissenschaftssenator Radunski in Berlin jetzt noch ein paar Schritte weiter. Das Kuratorium der Humboldt-Uni -- dessen Vorsitzender Radunski ist -- hat gestern beschlossen, die eigenen Kompetenzen (und noch ein paar dazu) auf einen Rat von "staats- und universitätsfernen" Personen zu übertragen -- was wohl nur heißen kann, auf die Herren in Nadelstreifen. Das ist weit mehr als das beratende Gremium, das Zehetmair vorgeschlagen hatte, auch wenn die gegenwärtigen Aufgaben des Kuratoriums, ursprünglich gedacht als "Bindeglied" zwischen Uni und Gesellschaft, keine allzu weitgehenden Eingriffe in die Hochschule zulassen.
Das Signal, das von diesem Beschluss ausgeht, ist trotz einer Befristetung der Regelung auf drei Jahre klar: Die Unis der Wirtschaft, die Profs alleine schaffen keine Uni, wie sie Daimler, Siemens und Hoechst wollen. Wissenschafts- und Lehrfreiheit, gar Lernfreiheit oder verantwortliches Forschen sind in dieser Gedankenwelt alte Zöpfe, die abgeschnitten gehören. Und Demokratie ist was für Debattierklubs, richtige Arbeit wird von richtigen Männern gemacht. Für ein Demokratieverständnis dieser Art spricht auch die Radunskis Versammlungsleitung: Der Gewerkschaftsvertreter hatte einen etwas gemäßigteren Vorschlag eingebracht und war damit auf Zustimmung bei der Mehrheit der KuratorInnen gestoßen. Dies schmeckte Radunski nicht, und so ließ er ganz einfach so lange abstimmen, bis der Vorschlag durchfiel, nicht ohne vorher seine eigene Beschlusslage messerscharf deutlich gemacht zu haben.
Profile werden allenthalben geschärft. Doch je schärfer die Konturen werden, desto hässlicher sind die Fratzen, die da zu erkennen sind.
In der Sache "Wie kürzen wir die BAföG-Gelder für's Studium" trafen sich in der vergangenen Woche mal wieder die Regierungschefs und eine Regierungschefin von Bund und Ländern. Was diesmal für ein BAföG-Finanzierungs-Schwachsinn verhandelt wurde? Das "Bayernmodell" und das "Drei-Körbe-Modell", wobei erstes vom Bund favorisiert wird, da der Bundesfinanzminister wohl aus selbigem Bundesland kommt. Das von den Ländern gewünschte "Drei-Körbe-Modell" besagt, dass das Leben der Studierenden in Baden-Württemberg in Zukunft von drei Körben abhängt: Zuerst wird mensch nach der Geburt brav "ins Körble" gelegt, dann muss mensch -- wenn er/sie nicht schon einen Korb bei der Aufnahmeprüfung an einer Universtät erhalten hat -- mit 100 und eventuell weiteren 1000 DM/pro Semester die Körbe des baden-württembergischen Finanzministers füllen (damit der seine Lottoaffären finanzieren und die Körbe voll Geld auf andere verteilen kann) und schlussendlich kann mensch Geld von der Körber-Stiftung gewinnen, wenn er/sie beim Wettbewerb zum Thema "Visuelle Zeitenwende? Bilder - Technik - Reflexionen" mitmacht (UNiMUT 116 berichtete).
Ja, und genau so funktioniert das im realexistierenden Kapitalismus: Gib' und Dir wird zum Ausgleich genommen! Warum da keine Studierenden mitdiskutierten? Na, die haben immer noch 'nen MaulKorb. Danke, und nun "Husch, Husch ins Körbchen".
Es stand schon in der Rhein-Neckar-Zeitung: Die Heidelberger Wagenburg Hoppetosse (vgl. UNiMUT 63), die Ende Mai ihren bisherigen Standplatz am Neuenheimer Feld nicht mehr gegen den wachsenden Druck des Gemeinderats hatte halten können, hat seit dem 6.7. ein neues Domizil, und zwar auf einem Gelände der Bundesbahn an der Eppelheimer Straße fast unter der Teroson-Brücke.
Spontan wie die WagenburglerInnen nun mal sind, haben sie heute zu einem Fest morgen eingeladen -- gefeiert werden soll, natürlich, die "neue Heimat". Also: Am 9.7. ab Drei am Nachmittag gibts bei der Wagenburg Musik, Vokü (Volxküche), Kaffee und Kuchen, Kunst- und Fotoausstellung und Lagerfeurromantik.
Letzte Meldung vom 9.7.: Ob die Hoppetosse unter der Teroson-Brücke glücklich wird, ist jetzt mehr als zweifelhaft. Der Wagenburg ist eine Aufforderung zugegangen, das Gelände bis heute um 12 Uhr zu räumen. Das Fest kann also nur lustig werden...
In ihrem Bemühen, das "Profil" der Landesunis zu stärken, hat die Hochschulstrukturkommission des Landes zwischen vielen anderen Unausgegoren- und Dummheiten auch die Empfehlung ausgesprochen, die Geistes- und Sozialwissenschaften in Karlsruhe "aufzuheben" (was als Westeuphemismus für "abwickeln" zu verstehen ist -- was werden sich die Leute noch alles einfallen lassen, um nicht "plattmachen" sagen zu müssen?). Nachdem sich schon eine Initiative zur Erhaltung der Geisteswissenschaften zusammengefunden hat, die vor allem in der Akademia um Unterstützung wirbt, gingen die Karlsruher Geiwis gestern auf die Straße.
Immerhin 200 Leute standen auf dem Eherenhof der Uni, um die Warnungen von Rektor Wittig einerseits vor Pessimimus, andererseits vor Imageschäden (warum er wohl das Wort "Profil" vermieden hat?) anzuhören -- das sollte es in Heidelberg auch mal geben, eine Demo mit dem Rektor. Auf dieser Demo spach dann sogar noch ein CDU-MdL, der eher abwiegelte: "Die Entscheidung fällt erst am Ende der Expertenphase". Wobei er hätte erklären sollen, dass die Experten in der Hochschulstrukturkommission -- ihren Beschlüssen nach zu urteilen -- diese Bezeichnung nur recht eingeschränkt verdienen. Derweil geht hinter den Kulissen das große Hauen und Stechen los -- ein bisschen was davon war zu spüren, als die Rednerin der Fachschaft Sport ihrem Dekan vorwarf, der Hochschulstrukturkommission das Sportinstitut als Bauernopfer anbieten zu wollen.
Der UStA selbst hatte ein Schrottkunstwerk zur Kundgebung mitgebracht. Das Ding habe 100 Mark gekostet, "von denen auch noch Speisen und Getränke abgehen." Im Vergleich zu den 200 Mark Tagungspauschale, "von denen sogar noch die Kosten von Speisen und Getränke abgehen", die laut empörter Erklärung der Hochschulstrukturkommission ihren MitgliederInnen pro Sitzung zugehen (zuzüglich Reisekosten, versteht sich), musste der UStA das Fazit ziehen: "Wir können qualitativ also erheblich billiger Schrott erzeugen als diese Strukturkommission."
Überhaupt hat die Strukturkommission dünnes Fell: Der UStA hatte auch verbreitet, ihre Vorschläge seien inspiriert von den Ergebnissen der bekanntermaßen unsinnigen Focus-Umfrage, was er auf Intervention des Ministeriums zurückziehen musste. Nun, auf der Veranstaltung hiess es dann eben, die Vorschläge "erweckten den Eindruck", sie basierten auf der Focus-Umfrage...
Fieberhaft blättert der beste Hochschuljurist der BRD (Manager-Magazin) im baden-württembergischen Studentenwerksgesetz, seine Suche nur unterbrechend, um hin und wieder ein Kreuzlein zu machen und seine Stimmzettel in die Urne zu geben. Es ist VertreterInnenversammlung des Studiwerks, und Peter Ulmer ärgert sich, dass die Berufsakademie Mosbach dem Heidelberger Studentenwerk (das ja auch die FH Heilbronn und etliche andere Hochschulen der weiteren Region mitversorgt) zugeschlagen wurde, ohne dass er davon unterrichtet wurde.
Allerdings ist das ohnehin relativ egal, für die BA Mosbach tut unser Studiwerk nicht viel mehr als einen Landeszuschuss an einen privaten Gastronomen weiterzuleiten, der die Verpflegung der Berufsakademiker übernimmt. Wenn Geschäftsführer Gutenkunst in seiner Auslegung des 96er-Jahresberichts davon sprach, dass wir "schlechte Zeiten vor uns" haben, so meinte er damit vielmehr die fortgesetzten Kürzungen aus Stuttgart. Gegenwärtig sieht es so aus, dass nächstes Jahr 95 Pfennig weniger pro Essen aus dem Landeshaushalt kommen als derzeit -- und das nach den Kürzungen, die das Studiwerk schon hat verdauen müssen. Gutenkunst will zwar versuchen, durch Personalabbau (soviel zu beschäftigungswirksamen Impulsen der Regierung) und energiesparende Maßnahmen (die Zentralmensa im Feld ist ein Umweltheizung ohnegleichen, Verbesserungen müssten aber vom Eigentümer, dem Land durchgeführt werden, und darauf werden wir lang warten können) Einsparungen zu erzielen, auch wird der schnelle Teller wegfallen, aber mensch kann jetzt schon sagen, dass zum 1.1.98 eine Mensapreiserhöhung auf uns zukommt, die, so Gutenkunst, "alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen" wird. Die Redaktion tippt auf vier Mark das Essen.
Schlechte Nachrichten also unter anderem für die Mensabeschäftigten. Diese Klientel könnte auch interessieren, was Gutenkunst zum Bericht des Rechnungshofs über die Studiwerke im Ländle zu sagen hatte: Zu 95% könne er dem Bericht zustimmen, auch er will mehr unternehmerische Freiheit für sich und spürt den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes -- dem alle Mensabeschäftigten bis auf die Hiwis unterliegen -- wie eine drückende Klammer um seine Brust. Zwar sprach Gutenkunst vor allem von "Anreizen", die er geben wolle, aber die Drohung bleibt.
Zunächst sieht es allerdings nicht so aus, als würde aus dem Bericht des Rechnungshofes viel folgen -- allenfalls Gegenteiliges: Gutenkunst beklagte sich über die seit Veröffentlichung des Berichts ins Unerträgliche übersteigerte Gängelung aus Stuttgart, gegenüber der die Zusammarbeit in früheren Zeiten "offen und konstruktiv" gewesen sei. Selbst dem Ministerium direkt nachgeordnete Behörden werde da mehr Freiheit gelassen.
Armes Studiwerk. Arme MitarbeiterInnen. Arme Studis. In Abwandlung einer klassischen UNiMUT-Schlagzeile möchte mensch "Mensa pleite -- Uni teurer" witzeln.
Prof. Dr. Norbert Greiner über die Reformen der Geisteswissenschaften
Der Einladung zur Pressekonferenz der Universität Heidelberg waren sehr viele gefolgt. Neben dem Unimut und dem Ruprecht waren auch noch jeweils einE VertreterIn der Rhein-Neckar-Zeitung und eine Vertreterin und eine Praktikantin des Süddeutschen Rundfunks anwesend. Leider wurde von Seite der RNZ und des SDR kein Interesse an den spannenden Ausführungen des Prorektors Prof. Dr. Greiner, unterstützt von Uni-Pressesprecher Schwarz, gezeigt. Die Fragen hielten sich in Grenzen, nur die VertreterInnen des Ruprecht und des Unimut zeigten reges Interesse. Es entwickelte sich sogar ein kleines Streitgespräch um einige kleinere und um viele größere Kleinigkeiten.
Die Reformen in den Geisteswissenschaftlichen Fächern -- also in der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, der Theologischen Fakultät, der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften, der Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft, der Neuphilologischen sowie der Philosophisch-Historischen Fakultät -- können auf drei wesentliche Punkte reduziert werden:
Im darauffolgenden Jahr kam es zur einer ersten Stellungnahme der Studiendekane, die -- wie sich nach einer 10 minütlichen Diskussion zeigte -- nichts, aber auch gar nichts mit der Situation an den meisten Fachbereich zu tun hatte. Es ging sogar soweit, das konkrete Falschaussagen vom Reporter des Ruprecht aufgezeigt wurden, die der Prorektor für die Lehre in der Bestandsaufnahme der Lehre zeigt. "Ich bin natürlich von der Richtigkeit der Berichte ausgegangen, obwohl einiges sicherlich nicht der Wahrheit entspricht, sondern vielmehr eine Absichtserklärung der Fakultäten ist." Hiermit wurde die Diskussion beendet.
In der ersten Bilanz, die Herr Prof. Dr. N. Greiner in der ersten Hälfte des Jahres 1996 gezogen hat, schneiden die Fakultäten auf das Unterschiedlichste ab. Die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät und die Theologische Fakultät für sind nach seiner Einschätzung viel homogener (!) und bedürfen deswegen keinerlei Diskussionen. Für die Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften gilt Ähnliches. Dahingegen sieht es bei den "reinen" Geisteswissenschaften nicht so gut aus.
Die Fakultät für Orientalistik- und Altertumswissenschaften ist mehr oder weniger die Musterfakultät. "Sie sind die besten!" Natürlich hat er es nicht so deutlich gesagt, aber die Archäologie bekam auch letztes Jahr den Landeslehrpreis (Schwärmt Greiner!). Seine, die Neuphilologische Fakultät, hat sich entgegen seinen Erwartungen verhalten. Sie hat sich zwar intensiv um eine Reform bemüht, aber sie verfolgte (leider?) kaum die Reformideen der Arbeitsgruppe des Prof. Dr. Greiners. Noch schlimmer verhielt sich die Philosophisch-Historische Fakultät. Sie war "sehr reserviert gegenüber diesen Reformideen", was sie jedoch immer sachlich begründet hat.
In dem Fazit des Prorektors wurde betont, daß es nicht nur wichtig ist verpflichtende Einführungsveranstaltungen mit Leistungskontrolle einzuführen, und ebenso, daß Studierende über das erste Studienjahr Berichte vorlegen müssen, sondern daß vor allem die Studienberatung ausgebaut werden muß und die Einführungsveranstaltung mit Tutorien begleitet werden soll. Wobei man bei den letzten beiden Punkten, wie es auch der Prorektor anmerkte, derzeit hauptsächlich oder fast nur von den Fachschaften veranstaltet bzw. unterstützt wird. Leider wird die Studienberatung, Tutorien und Erstsemestereinführung nächstes Jahr wahrscheinlich nicht mehr finanziert werden können.
Das eigentliche Fazit, das aus dieser Pressekonferenz gezogen werden kann, ist, dass sinnvolle Reformen nicht unbedingt ohne Geld durchführbar sind. Das wußten wir jedoch schon zuvor.
Die Uni Heidelberg steht im Ruf, eine auch im Vergleich zu anderen Unis ziemlich muffige und von Professorendünkel geprägte Veranstaltung zu sein -- wenn sich Dekane immer noch mit "Spectabiles" anreden und der Rektor auf "Magnifizenz" besteht, braucht sich auch niemand über so einen Ruf zu wundern. Jetzt allerdings hat die Uni die Chance, ein wenig gegenläufige Profilschärfung zu betreiben.
Diese Chance verdankt sie der Trotha-Erfindung des Landeslehrpreises (vgl. UNiMUT 71 oder unseren Artikel über die letzte Verleihung des Landeslehrpreises in Heidelberg). Dieser wurde bisher ausschließlich an Profs verliehen, denen das Trotha-Ministerium damit einen gewissen Anreiz zu besserer Lehre geben wollte -- allerdings muss mensch zugeben, dass die 30000 Mark, die damit zu verdienen sind, eher bescheiden sind im Vergleich zu den Summen, die mensch durch erfolgreiche Drittmitteleinwerbung (also "Forschung") abräumen kann. Wie dem auch sei, dieses Jahr nominiert die Neuphilologische Fakultät zum ersten Mal eineN NichthabilitierteN: Die UNiMUT-Starautorin Kirsten wurde von ihr aufs Schild gehoben, in Anerkennung ihres Lebenswerks, das auch nach Meinung der Redaktion mehr Positives für die Lehre in der Neuphil und wohl auch darüber hinaus bewirkt hat als das jeder einzelnen Person, die sich im Augenblick auf den Besoldungslisten der Uni Heidelberg befindet.
Nun scheint es vorläufig ziemlich unglaublich, dass Kirsten auch die weiteren Hürden in Verwaltungsrat, Rektorat und Ministerium nehmen wird, zudem sie in Trothas Augen locker als Langzeitstudi durchgeht. Doch selbst wenn auch dieser Landeslehrpreis wieder an irgendeinen Schleifer von Prof gehen wird, hat die Neuphil mit dieser Nominierung ein wirklich bemerkenswertes Signal gesetzt.
Ein Tip für die Sauregurkenzeit: Studenten begrüßen die Berliner Republik...
Passend zum Thema: Das Vorbild des sozialdemokratischen Hoffnungsträgers Schröder, Tony Blair, verkündete am Mittwoch im britischen Unterhaus, die Unis bräuchten mehr Geld, "der Steuerzahler" habe aber kein Verständnis dafür, für unproduktiven Quatsch Geld auszugeben (so hat er es natürlich nicht gesagt, sondern nur gemeint), und drum müssten Studiengebühren her. Aber es gibt noch Hoffnung: Mit Studiengebühren hatten die britischen Unis schon unter der Tory-Regierung kein Glück
Ein kleiner Skandal zieht Kreise. Wir hatten im UNiMUT 123 schon von dem Unmut berichtet, den ein wenig kritischer ruprecht-Artikel über den Landser-Autor Lothar Buchheim in den Kreisen der anarchistisch-gewaltfreien Monatszeitschrift Graswurzelrevolution auslöste. Insbesondere die Analyse eines GWR-Redakteurs, der versuchte, Buchheim anhand seiner U-Boot-Oper "Jäger im Weltmeer" zutiefst faschistisches Gedankengut nachzuweisen, brachte ruprecht wie Autor nachhaltig auf. So nachhaltig, dass Buchheim die GWR wegen Beleidigung anzeigte (dabei spielte, das sollte der Fairness halber erwähnt sein, noch ein weiterer GWR-Artikel eine Rolle).
Da nun die Staatsgewalt vielleicht auf dem rechten Auge nicht sonderlich gut sieht, bestimmt aber mit dem rechten Ohr ganz hervorragend hört, löste diese Anzeige hektische Betriebsamkeit aus. Schon vor einigen Monaten tauchten ein paar Herren des Heidelberger Staatsschutz-Dezernats einfach mal so, quasi ganz privat, im Zentralen Fachschaftenbüro auf und hörten sich dort um. Lag da noch die Vermutung nahe, sie hätten einfach ein paar alte Bekannte wiedersehen wollen (mit einem gelang ihnen das auch), so wird jetzt deutlich, dass es durchaus um mehr ging. Offenbar wurde der betreffende GWR-Mensch in den letzten Wochen observiert, und am 23.7. bekam er in seiner Privatwohnung sowie in der Redaktion Süd der GWR Besuch. Mit einem Durchsuchungsbefehl in der Hand beschlagnahmten zwei Staatschützer und eine Vertreterin der Stadt allerlei "Beweismittel" in der Sache, darunter das "Original" des GWR-Artikels, zwei Expemplare einer Graswurzelrevolution, den auch im ZFB ausliegenden Reader "Ruprechts", "Originalbriefe", etwa auch den oben dokumentieren, und ähnlichen Papierkram. Dafür verletzt staat gern die Privatsphäre seiner Bürger.
Mensch muss sich in der Tat wundern, welche Kopfstände die Staatsgewalt unternimmt, weil sich ein zumindest staatstragender Groschenheftautor missverstanden fühlt. Die GWR versteht das alles schon: Für sie ist Buchheims Anzeige nichts als ein Versuch, "jede antimilitaristische, antisexistische und antifaschistische Analyse seines Buches [...] im Keim zu ersticken."
In zwei Tagen ist es soweit: Die Anarchie im Internet hat ein Ende, der Standort Deutschland gewinnt massiv an Attraktivität. Oder so ähnlich. Jedenfalls tritt das "Multimediagesetz" in Kraft, mit dem die Koalition versucht, die "Zukunftstechnologie" Internet kommerziell interessanter und etwas seriöser zu machen. Zudem im Vergleich mit Bestrebungen in den USA (Stichwort Communication Decency Act, der jüngst vor dem obersten Bundesgericht durchfiel) ist unser Multimediagesetz in der Tat relativ liberal, so gibt es kein Kryptographieverbot, und auch die Haftung von Anbietern für die Inhalte auf ihren Servern könnte schlimmer sein.
Der letzte Satz lässt aber schon Böses ahnen: Provider sind zwar eigentlich nur für eigene Inhalte verantwortlich, haben aber, soweit ihnen von böse Dinge bekannt werden, "deren Nutzung zu verhindern," wenn das technisch möglich ist. Immerhin gilt das cachen von Daten lediglich als Zugangsvermittlung und nicht als Bereitstellung eines eigenen Angebots. Und so kommt auch schon Kritik von der Industrie, IBM etwa ließ verlauten, Regelungen wie diese ließen es reizvoll erscheinen, die "Intelligenz" des Providers im Ausland sitzen zu lassen. Arme Arbeitsplätze in der BRD.
Es bleibt abzuwarten, ob das Multimediagesetz viele Konseqenzen hat -- durch die Regelung von Kommerzthemen wie Telebanking, "virtuellen" Arbeitsplätzen oder Rechten an Datenbanken könnte das Gesetz durchaus wichtig werden. Andererseits weiß aber noch niemand so genau, wofür es eigentlich gilt: Der UNiMUT aktuell etwa könnte ebensogut in die Regelungskompetenz des Medienstaatsvertrags der Länder fallen.
Eine Wirkung mag das Gesetz schon gehabt haben: Analog zur bekannten FSK (nein, nicht Fachschaftskonferenz, sondern Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft) haben etliche hochkarätige Dienstanbieter (etwa die Telekom, Leo Kirch in Gestalt von Pro Sieben, der Bundesverband Deutscher Zeitschriftenverleger oder das Microsoft Network -- wobei mensch nicht ganz sicher ist, ob die wirklich was anbieten) die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia ins Leben gerufen, an die sich "jeder Bürger [...] wenden kann, um sich über im Internet oder sonstigen Netzen oder über Online-Dienste zugängliche Inhalte zu beschweren." Das ist doch schön, oder?