Als Jürgen Siebke vor anderthalb Jahren die Macht an der Uni Heidelberg übernahm, war von seinen mutmaßlichen Nicht-Feinden zu hören, die Uni brauche jetzt einen Volkswirt an ihrer Spitze (vgl. UNiMUT aktuell, UNiMUT 124). Aber die Zeit bleibt nicht stehen, und demnächst wird die Uni bestimmt einen Computerspezialisten an ihrer Spizte brauchen: Die sinnstiftende Kraft der Wirtschaftswissenschaften schwindet.
Und das nicht nur in Rußland, Indonesien und Brasilien. An der eigentlich wohlgesetzten Pariser Börse erregte am 23. Juli dieses Jahren ein spektakulärer Absturz der Kurs der 10-jährigen Staatsanleihe einiges Aufsehen, zudem sich die Ökonomen eben nicht erklären konnten, wie es dazu gekommen war. Die Erklärung kam jetzt von der Softwarefirma Cap Gemini und den Sicherheits-Consultern von Kroll Associates: Ein smarter Banker bei Solomon Brothers in London hat versehentlich 145 Mal die "instant sell"-Taste gedrückt. Ob ein Burger auf seiner Tastatur lag, er darauf eingeschlafen ist oder der Putzmensch sein Telefon draufgestellt hat, wurde ebensowenig mitgeteilt wie die Verluste für Salomon Brothers.
In einer dreiviertel Stunde werden die Wahllokale geschlossen. Da in der zweiten Runde nur die relative Mehrheit zählt, entscheidet sich in diesem Wahlgang, wer die Stadt Heidelberg ins 2.Jahrtausend unserer Zeitrechnung führt. Mehr erfahrte ihr (per Reloadtaste!) in den kommenden Stunden hier
Nachtrag um 21.00: Beate Weber hat mit 51% ihr Amt verteidigt.
Hochschulreform will jeder machen. Auch die TU Dresden -- und die gibt sich, gemeinsam mit dem schon öfter durch studifeindliche Propaganda aufgefallenen Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, keine große Mühe bei der Tarnung ihrer Absichten.
In einer Presseerklärung von gestern verkündet die TUD-Pressestelle, als "eine der ersten deutschen Universitäten" habe die TUD "eine die ganze Hochschule umfassende Kosten- und Leistungsrechnung" eingeführt -- was zunächst nicht so schlimm wäre, hätte nicht der Stifterverband dies zum Anlass genommen, die TUD dafür zu einer "Reformuniversität" zu prämieren. Niemand will bestreiten, dass etwas kontrollierterer Mitteleinsatz an Hochschulen nicht verkehrt ist, doch eine Reform sollte doch wohl vor allem bei Inhalten oder Entscheidungsstrukturen ansetzen. Dass nämlich etwa über Investitionen in Studiengänge nach Maßgabe der zu erwartenden Restdienstzeit des/der Lehrstuhlinhabers/in entschieden wird, wissen wir auch ohne die Kostenrechnung, "effizient" oder sachdienlich ist es aber ziemlich sicher nicht, wenigstens, wenn mensch die Uni über die Studis definiert.
Doch genau von den Studis ist in der Presseerklärung nur im Titel die Rede: "Wie viel kostet ein Student?" wird da provokativ gefragt, die Antwort aber verschwiegen. Ein Studi kostet per se nichts, die Profs kosten. Aber diese, "Rektoren, Präsidenten und Kanzler, aber auch Vertreter aus Wissenschafts- und Finanzministerien ganz Deutschlands und den Nachbarländern Österreich und Schweiz", so die Presseerklärung, informierten sich lieber mal über das Dresdner Projekt, auf Unikosten, versteht sich.
Und so braucht sich auch niemand über einen Satz wie "Aber auch jeder einzelne Professor soll von der Kosten- und Leistungsrechnung profitieren." zu wundern. Wer sollte auch sonst von einer "Reform"-maßnahme profitieren. Ja, wer?
Wann nur, wann, wird in der ganzen Reformdebatte endlich mal gefragt, ob die RektorInnenen und ihr Anhang, gar die VertreterInnen der Ministerien, überhaupt irgendeine Kompetenz haben, etwas an der Hochschule zu reformieren, deren (eingebildete oder tatsächliche) Misere sie allein verschuldet haben? Wann nur, wann, wird statt des wohlfeilen Effizienzgeklingels einmal ein Wort wie "Demokratisierung" in solchen Papieren auftauchen?
Der Unimut dokumentiert einen Aufruf des gleichnamigen Komitees: Honduras ist ein zerstörtes Land. 70% seiner Infrastruktur müssen wieder aufgebaut werden. Für die ebenfalls sehr stark betroffenen Nachbarländer El Salvador und Nicaragua bestehen gut organisierte Hilfsgruppen in Deutschland. nicht so für Honduras - deshalb haben wir beschlossen, ein Hilfskomitee für Honduras ins Leben zu rufen. Wir sind besonders froh in Honduras einen kompetenten und vertrauenswürdigen Partner gefunden zu haben: Arturo Queseda, Bauingenieur, ehemaliger Rektor der Universität Tegucigalpa und seine Frau Alba Alonzo de Queseda, Rechtsanwältin, haben sich bereit erklärt die Verantwortung vor Ort zu übernehmen für die Entwicklung und Betreuung von Projekten vor Ort. Ein erstes Ziel ist es, so schnell wie möglich Saatgut und landwirtschaftliches Gerät zu kaufen, um die Selbsternährung wieder zu ermöglichen. Die Quesedas sind dabei, ein Sonderkonto "Freunde für Honduras - amigos de Honduras" einzurichten, auf das die Spendengelder eingezahlt werden können. Alle, die sich mit einer Spende an diesem Projekt beteiligen möchten, können sich beim Komitee in eine e-mail-Adressenliste aufnehmen lassen. Auch im Internet werden wir regelmäßig auf einer Homepage über den Fortgang der Arbeit berichten. Über die Soforthilfe hinaus ist es unser Ziel in der Form eines anerkannt gemeinnützigen Vereins, langfristige Projekte zu fördern und zu begleiten. Kontakt: Friederike Oexner-Thiel, Obergasse 3, 69488 Birkenau, Tel: 06201/393847; Fax: 06201/393849
Ein erstes Treffen für interessierte Helfer und Helferinnen wird am Donnerstag, 19.November um 16.00 im Zentralen Fachschaftenbüro, Lauerstr.1 (Nähe Heuscheuer) stattfinden. Die FSK hat eine Mailingliste eingerichtet, in die man sich eintragen kann
Wie so viele andere Studiorganisationen hat auch der UNiMUT die European Students Mobilisation Week weitgehend verschlafen. Eigentlich schade, denn die Idee, die Studis in Europa könnten sich eine Woche lang sozusagen gegenseitig Mut machen, ist zunächst gar nicht so schlecht, zudem die Probleme trotz teilweise doch wesentlich verschiedener Konzepte von Universität in den einzelnen Staaten gar nicht so verschieden sind: Überlast (mensch denke etwa an die regelmäßig aufflammenden Unruhen in Frankreich), Studiengebühren (hier sei auf die mittlerweile durchgesetzten Blair'schen Studiengebühren verwiesen), mangelnde Demokratie und so fort.
Nun ist sie also da, die ESMW, und wenigstens in Heidelberg merkt niemand was davon (Asche auf unsere Häupter). Anderswo tut sich etwas mehr, etwa in der Schweiz, wo die Uni Neuchâtel gestern den grève verkündet hat. Die Studis dort protestier(t)en gegen Studiengebühren (die es dort ebenfalls schon bzw. noch gibt), gegen die Einführung eines NC und gegen ein neues Unigesetz. In Hannover gab es eine Vollversammlung, die sich mit den Plänen der Niedersächsischen Regierung, Einschreibegebühren zu erheben, befasste, auch im streikerfahrenen Hildesheim hat heute eine VV stattgefunden. Die Studierenden in Britannien planten für heute eine Großdemo mit über 10000 Studis in London -- wie üblich hat wenigstens die BBC noch keine Meldungen darüber.
Spätestens, wenn ein Abschlussbericht vorliegt, werden wir an dieser Stelle nochmal einen Nachruf auf die verschlafene Gelegenheit zum Klassiker "internationale Solidarität" bringen.
Wieder mal müssen wir an dieser Stelle vor dem Irrglauben warnen, mit der Sozialdemokratie würde alles besser -- die SPD braucht nur ein wenig länger, um böse Dinge zu tun.
Nachdem vor gut einem Jahr die CDU-Hoffnungsträgerin Schavan in ihrer Eigenschaft als Kultusministerin im Kabinett des Teufel den NachwuchslehrerInnen einen NC fürs Referendariat reingedrückt hat (vgl. auch UNiMUT 153), hat jetzt ihre Kollegin Behler aus Nordrhein-Westfalen den gleichen Plan. Für 3559 Studis mit ersten Staatsexamen für die Sekundarstufe II stehen nur 2700 Plätze zur Verfügung, von den NachwuchslehrerInnen für die Primarstufe bzw. Sonderschulen müssen 750 bzw. 461 erstmal in die "Warteschleife". Wer erstmal aus seiner Ausbildung fällt, wird ausschließlich nach der Note im ersten Staatsexamen entschieden.
Die Zahlen der WarteschleiflerInnen werden sicher noch etwas zurückgehen, da erfahrungsgemäß etliche Studis bereits nach dem ersten Staatsexamen die Faxen dick haben -- trotzdem gilt auch hier, dass es schlicht dreist ist, Studis nach mindestens fünf Jahren Studium zu sagen, dass sie aber leider erstmal nicht weitermachen dürfen und es auch nicht klar ist, bis wann sie denn Zwangspause einlegen sollen. Denn das erste Staatsexamen ist, zumindest rechtlich, nicht viel mehr als eine bessere Zwischenprüfung, "das" Staatsexamen hat mensch als LehrerIn erst nach dem Referendariat und dem anschließenden zweiten Staatsexamen.
In NRW regt sich Widerstand gegen diese Frechheit. Und die Studis dort stellen sich die gleiche Frage wie schon ihre Urgroßeltern: Wer hat uns verraten? Sie finden immer noch die gleiche Antwort.
Wie unten versprochen, nochmal ein paar Worte zur European Students Mobilisation Week. Ein Abschlussbericht liegt zwar nicht vor, aber die OrganisatorInnen berichten nochmal von der 15000-Studi-Demo in Hannover, die es immerhin bis in die Tagesschau geschafft hat, einem andauernden Streik in der Schweiz und 500000 Studis, die sich in Italien an den Protesten beteiligt haben.
Vielleicht lohnt es sich ja, in ein paar Tagen nochmal auf der Webseite vorbeizuschauen...
Alle Jahre wieder: Wenn die OECD ihre Bildungsstatistik Education at a glance veröffentlicht und die BRD wieder mal schlecht aussieht, rollen die Dementis nur so. Auch dieses Jahr ist das nicht anders. Heute beispielsweise ließ der Padre di Padres der deutschen Unis, HRK-Boss Klaus Landfried, verkünden, wenn die BRD schlecht aussehe, liege das praktisch nur daran, dass "Äpfel mit Zwergtomaten" verglichen würden.
Die Argumentation hat natürlich was für sich: Wenn in den USA alles ab der 11. Jahrgangsstufe in den "tertiären Bildungszweig" (ein edles Wort für Unis) zählt und der Sparabschluss Bachelor "international" zum Standard erkoren wird, ist es vielleicht wirklich nicht ganz korrekt, nackte Zahlen zu vergleichen. Dumm daran ist nur, dass Landfried selbst ein arger Verfechter von Sparbildung ist. Nicht mal in der Presseerklärung spart er sich entsprechende Holzereien, natürlich seien "neue gestufte Studienabschlüsse in grosser Zahl" total wünschenswert. Dass er das dreizehnte Schuljahr gerne gestrichen hätte, ist auch kein Geheimnis.
Landfried findet, die OECD-Studie zeuge an einigen Stellen von "grober Unkenntnis der Lage". Von einem Paladin des Bildungs-Neoliberalismus kommend, kann dieser Satz wohl getrost als Prädikat angesehen werden. Es lohnt sich, die Studie wenigstens mal zu überfliegen -- traurig allerdings, dass die Tabellen durchweg nur im proprietären Excel-Format verfügbar sind. Die OECD sollte vielleicht mal Leute anstellen, die mit offenen Standards umgehen können.
Nein, natürlich nicht der Heidelberger Senat unter der Kuratel des Gebührenhais Siebke. Aber dafür der Senat der Carl von Ossietzky-Uni in Oldenburg. Denn auch im Ex-Schröderland droht jetzt eine Art Trothahunni, gerade, da wir in Baden-Württemberg ihn wohl vorerst los sind. Das aus hiesiger Sicht Unerhörteste des Vorgangs: Der Antrag, von Senatsseite Studiengebühren zu verurteilen, wurde von Studis gestellt und trotzdem einstimmig gebilligt -- ja, in A-Ländern trauen sich offenbar auch Profs, mal für einen Studi-Antrag zu stimmen.
Das ist doch was: Sozialdemokraten führen zwar auch Gebühren ein, aber immerhin trauen sich unter der SPD nicht nur Studis was sagen. Oder so.