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UNiMUT aktuell -- Juli 2004

Die Burschenschaft Normannia versammelt den rechten Rand

Rechte Kader am kurzen Buckel (07.07.2004)

Seit einem guten Jahr ist die Burschenschaft Normannia in einer Öffentlichkeitsoffensive: Zunächst hat sie Mensa mit Werbung für Naz nationalkonservative Vorträge des Typs "Die Polen sind am 2. Weltkrieg schuld" und "Südtirol muss vom Italiener befreit werden" geflutet und dann auch mal interessante Broschüren über die große Rolle der Verbindungen in der stolzen deutschen Geschichte der letzten 200 Jahre verteilt. Am nächsten Samstag (10.7.) nun wollte sie einen mit etwas Lebensart getünchten Ringelpietz ("Gespräche unter dem Schloss") mit Vertretern der so genannten "neuen Rechten" veranstalten, und zwar zum Thema "Deutschland in der Globalisierungsfalle".

Kommen wollten dazu Michael Nier, NPD-Kader und Autor in diversen anrüchigen Postillen, Gerhoch Reisegger, populärer Redner bei allerlei Nazifesten wie dem "Deutsche Stimme-Pressefest", Karl Richter, Ex-Kader der "Deutschen Liga für Volk und Heimat", und Eberhard Hamer, Autor bei solch ausgewiesenen Publikationen wie dem Ostpreussenblatt und -- natürlich -- der Jungen Freiheit.

Derart hochkarätige Experten für die jüd das Leiden des Deutschen Volkes bekommt auch eine Burschenschaft Normannia nicht von heute auf morgen. Kontakte zu allerlei großdeutschen, völkischen und antisemitischen Klüngeln pflegt sie schon traditionell, nicht nur über ihre Mitgliedschaft in der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (eine technisch bessere Webseite dazu -- die vielleicht nicht mal viel aufschlussreicher ist -- hat nadir). Eben weil Ewiggestrige im Haus der Normannen am kurzen Buckel nichts Neues sind, ist die Einschätzung des Innenministeriums von 2002, nach der "keine Anhaltspunkte" für die Vermutung vorlägen, dass Verbindungen in Baden-Württemberg "Beziehungen zu rechtsextremistischen Vereinen, Parteien und Organisationen unterhalten", so alarmierend.

Wenn also die staatlichen Hüter der Verfassung eine gewisse laterale Sehschwäche an den Tag legen, müssen Privatmenschen bei der Verteidigung der Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung einspringen. Genau dazu ruft die AIHD auf: Eine Kundgebung am 10.7. um 11.30 Uhr auf dem Heidelberger Kornmarkt soll unter dem Motto "Nazi-Strukturen aufdecken -- Gegen Faschisten aller Couleur" dem braunen Treiben zumindest einmal ein Symbol entgegensetzen. Reichliche Teilnahme ist natürlich Voraussetzung dafür, dass das Symbol auch gesehen wird.

Einen ersten Erfolg hatten sie schon: Die Verben oben sind im Präteritum, weil die Normannia ihre Veranstaltung inzwischen abgesagt hat, offiziell wohl unter einem Vorwand der Art "Wir hätten gerne auch Liberale dabeigehabt, aber die haben abgesagt". Dies mag glauben, wer will -- alle anderen sollten das ihre zur Kundgebung der AIHD beitragen, die viel eher als Grund für den Rückzieher in Frage kommt.

Nachtrag (12.7.2004): Die erwähnte Absage war -- surprise, surprise -- offenbar nur ein Täuschungsmanöver. Tatsächlich hat die Normannia versucht, das Essighaus für ihre Veranstaltung anzumieten -- doch hatte sie damit kein Glück. Nach allem, was derzeit bekannt ist, fand die Veranstaltung nicht statt, während die Kundgebung der AIHD immerhin rund 100 Menschen auf den Kornmarkt zog.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 19.11.2004

Die Ergebnisse der 17. Sozialerhebung

Merkwürdiges und Bemerkenswertes (09.07.2004)

Zum inzwischen 17. Mal haben der Dachverband der Studentenwerke, das deutsche Studentwerk DSW, und das Hochschulinformationssystem HIS in diesem Jahr ihre Sozialerhebung über die Lebensverhältnisse der Studierenden in der Bundesrepublik durchgeführt. Am 16. Juni nun wurden die Ergebnisse veröffentlicht, nicht ohne ein paar eher befremdliche Worte von DSW-Präsident Prof. Hans-Dieter Rinkens, der das Ganze "ein auf Kontinuität angelegtes, langjähriges Beispiel für fundierte Politikberatung" nennt. Beraten lassen sollte sich vermutlich Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, die immerhin das Vorwort mitunterschrieben hat -- dass daraus viel wird, ist angesichts der Erfahrungen mit den letzten Sozialerhebungen allerdings eher fraglich.

Wer nämlich die diesjährigen Ergebnisse mit etwa denen vor drei Jahren vergleicht, wird feststellen, dass die meisten Ungerechtigkeiten, die damals beklagt wurden, weiter bestehen und sich sogar noch verschärft haben. Unabhängig davon finden sich trotzdem unzählige faszinierende Faktoide in dem Papier, etwa:

  • Studenten sind häufiger Stammgäste der Mensa als Studentinnen (50% vs 32%);
  • dafür nehmen Studentinnen häufiger die psychische Beratungsstelle in Anspruch als ihre männlichen Widerparte (17% vs. 11%).
  • Aus Heidelberger Perspektive unglaublich: Studierende zahlen im Durchschnitt nur 250 Euro Miete (inkl. Nebenkosten!).
  • Wenig überraschend: Die Reichen unter den Studierenden stellen ganze 37% aller Studis, die Ärmsten nur noch 12%.
  • (Zum Vergleich die entsprechenden Zahlen von vor 20 Jahren: Anteil der Reichen: 17%, Anteil der Ärmsten: immerhin noch 23%.)
  • Wer keinen Vater mehr hat, studiert häufiger (8%), als Studierende mit Vater, der zwar noch lebt, aber keiner Erwerbsarbeit mehr nachgehen kann (4%).

Die Broschüre kann auch im Zentralen Fachschaftenbüro ZFB eingesehen werden.

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Bericht zur Anhörung zum Landeshochschulgesetz (LHG) der SPD-Landtagsfraktion

Top-down in die Rhetorik (09.07.2004)

Das neue Landeshochschulgesetz -- wir berichteten schon ein paar Mal und bieten zusätzlich das Juralette -- hat mittlerweile die Phase der klandestin-konspirativen Klüngelei zwischen Magnifizenzen und Exzellenzen verlassen und darf sogar von ordinären VolksvertreterInnen diskutiert werden. Eine solche Diskussion (im Parlamentsjargon "Anhörung") veranstaltete die SPD-Landtagsfraktion am 8.7. Aus Heidelberg war space dabei und berichtet folgendes:

Gegenüber der Deutschen Bahn kann ich qua Gebühren, sprich Ticketpreise, zwar als Kunde auftreten, das verhinderte aber nicht 20 Minuten Verspätung bei einer Fahrtdauer von 40 Minuten nach Stuttgart -- dies im IC, dem Master unter den Zügen, denn die IR, die Bachelors, waren der Bahn ja nicht mehr exzellent genug. Aber ich kam noch rechtzeitig, um auch die erste Eingangsrede teilweise zu hören, gehalten von Prof. Schaich, dem Tübinger Rektor und neuem Chef der Landesrektorenkonferenz (LRK). Ihm folgten diejenigen der Chefs der Rektoren der Fhen, der Phen, der Berufsakademien, des Landesverbands des Mittelbaues, des Landes-GEW-Hochschulbereichs (Christoph Klein-Brabender), eines weiteren Vertreters der FH-Profs (namens Lerchenmüller), sowie des Sprechers der Landesastenkonferenz ( LAK), Michael Vogel.

Im gut gefüllten Saal im SPD-Teil des Landtagsgebäudes saßen eine ganze Bank voller Stuttgarter aller Statusgruppen, ferner einige Tübinger und viele versprengte aus diversen anderen Hochschulen. Nur wenige meldeten sich zu Wort, dafür u.U. recht häufig. Carla Bregenzer (zuständig für den Bereich Hochschulen der SPD-Landtagsfraktion) und eine weitere Abgeordnete moderierten.

Die Rektorenchefs kritisierten übereinstimmend, mit leichten Variationen in der Intensität, die Ausrichtung des Landeshochschulgesetzes (LHG) auf Demokratieabbau und Pseudo-Unternehmensstruktur, insbesondere die Kompetenzverlagerung auf immer kleinere Gremien wie Rektorat und Hochschulrat. Ferner wurde die Behandlung der Hochschulen als "nachgeordnete Behörde" durch nach wie vor weitgehende Einflußnahme etwa bei Studiengängen angeprangert. Mehrere Redner griffen das Thema der sogenannten Zielvereinbarungen zwischen Land und Hochschule auf, etwa bzgl. Forschung, und stellten fest, daß diese letztlich auf Befehle von oben hinauslaufen, da Verträge "auf Augenhöhe" zwischen Geldgeber und -nehmer schwer möglich seien. Herr Klein-Brabender wies auf das gefährliche Fehlen einer Definition dieser Zielvereinbarungen hin -- das Land kann de facto den Unis alles vorschreiben, was es will, wenn es hier nicht zu weitergehenden Regelungen kommt. Durch diese Beobachtung wurde es endlich einmal konkret, gingen doch die Beiträge bis dato nicht hinaus über die bereits aus den Stellungnahmen der Senate bekannte, leicht wehleidige Rhetorik. Deren Nachteil besteht darin, daß viele ihr zustimmen können -- ebensoviele auf den Straßen des Ländles wie der wohlklingenden Gegensonntagsrede der Landesregierung. Im Ergebnis resultiert derlei Geplänkel in präzise gar nichts.

Michael Vogel mischte die Runde auf seine Art auf, anmerkend, daß die Rednerliste leider auch nach dem "Top-down"-Prinzip gestrickt war -- erst hatten die Rektoren das Wort erhalten, dann die Mittelbauern, er selbst zuletzt -- und daß sie, abgesehen von den Abgeordneten, ein reine Männerrunde war. Letzteres mag sich freilich teils aus dem äußerst geringen Frauenanteil unter den Rektoren (und LAK-Gesandten, nicht wahr) erklären. Bzgl. des LHG wies er noch auf das Fehlen einer Regelung zur Verfaßten Studierendenschaft und einen entsprechenden Ergänzungsentwurf der LAK hin.

In der anschließenden Diskussion ging es, an Michael Vogels Beitrag anknüpfend, zunächst um die Kompetenzen der Gleichstellungsbeauftragten, allerdings wiederum, ohne daß es in konkretes oder neues gemündet hätte. An einigen Hochschulen scheint es aber, unabhängig von der Gesetzesversion, vom Zufall abzuhängen, ob die Beauftragte zu Senatssitzungen eingeladen wird. Versprengt folgten danach Anmerkungen zur Bachelor/Master-Problematik. Carla Bregenzer hakte ein, zur Frage BA/MA werde es eine eigene Anhörung im September geben, ohnehin sei der Prozeß noch im Fluß. Jemand rief noch in Erinnerung, daß der Bologna-Prozeß mitnichten die Abschaffung der Diplom- und Magisterabschlüsse verbietet.

Kurz andiskutiert wurde die Frage, ob man gegen das LHG klagen könne; Herr Schaich meinte, es sei kritisch, eine Hochschule "autonom" zu nennen, wenn externe, also Nicht-Hochschulmitglieder, eine Mehrheit in einem gestärkten Hochschulrat haben. Es entstand aber keine Klarheit darüber, wer bzw. welche Institution denn die Klage führen, und präzise welche Stoßrichtung diese haben könne.

Der Vertreter der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter der Uni Hohenheim wies auf die Datenschutzproblematik in §12 hin, nach welchem die Grundordnung alle Hochschulangehörigen zum Mitführen von Speichermedien zur ID-Feststellung etc. verpflichten kann. Der Hinweis stieß indes leider auf wenig Resonanz -- hier scheint es Nachholbedarf in der Sensibilisierung zu geben.

Schließlich wandte sich die Aufmerksamkeit den Leitungsstrukturen zu. Die Tübinger Studivertreter kritisierten die Entmachtung der Fakultätsräte, andere die Machtfülle der Hochschulräte. Ich führte aus, das Gesetz als solches und seine Grundausrichtung könne unter der derzeitigen Regierung nicht gekippt werden. Es sollte aber möglich sein, konkrete Punkte im Gesetz, etwa bzgl. Berufungen, noch zu entschärfen -- ich verwies auf das Papier der Uni Heidelberg, welches ein Team des Unabhängigen Modells in einer von dessen Leuten initiierten Senatskommission mitgeschrieben hatten. Dazu sei Koordination, Konkretisierung und Kommunikation nötig.

Herr Lerchenmüller knüpfte daran an und gab bekannt, der Minister plane derzeit, im finalen Gesetzestext eine Option für erweiterte Fakultätsräte vorzusehen. Die Tübinger berichteten, der Minister habe im letzten Gespräch mit LAK-Leuten angekündigt, zwei statt nur eines/r Studivertreters/in in Berufungskommissionen zu setzen. Herr Schaich forderte, ebenfalls konkret bleibend, die Mitgliedschaft von Landesbürokraten als Externe in Hochschulräten im Gesetz zu unterbinden, um den Einfluß des Landes nicht noch mehr anwachsen zu lassen.

Carla Bregenzer schloß schließlich die Runde, faßte die wesentlichen Punkte zusammen und gab bekannt, daß die SPD eine Anhörung vor dem Wissenschaftsausschuß durchgesetzt hat, die im Herbst stattfinden werde. Dies war lange offen gewesen, zeichnet sich das Wissenschaftsministerium bislang nicht durch Transparenz und Demokratieversessenheit aus, sondern eher durch pseudoexzellente, i.e. leicht zu umgehende, Geheimniskrämerei. Als sich die Versammlung auflöste, standen Herr Schaich und einige andere Profs noch ein wenig beieinander und berieten über die BA/MA-Frage. Ich trat hinzu und erwähnte die Probleme der Psychologie, ohne Verlust an Breite ihre Diplome auf BA/MA-Studiendauer einzudampfen. Herr Schaich bestätigte, die Tübinger PsychologInnen wollten das auch nicht; die LRK überlege, ob sie gegen den Zwang, die Diplome abzuschaffen, nicht massiv Front machen wolle.

Mit immerhin einigen neuen Daten hastete ich zurück zum Bahnhof, rang dem Automaten das Ticket ab und warf mich gerade noch rechtzeitig in den 14.05-Zug -- bevor er mit konkreter, geradezu exzellenter Pünktlichkeit in die Regenschauer hinausrollte.

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Einführung der Juniorprofessur verfassungswidrig

Karlsruhe kippt Juniorprofessur (27.07.2004)

Die Einführung der Juniorprofessur durch Bundesbildungsministerin Bulmahn war verfassungswidrig. Mit dieser Entscheidung gab das Bundesverfassungsgericht heute mit fünf zu drei Stimmen einer Normenkontrollklage der Länder Bayern, Sachsen und Thüringen gegen die fünfte Novelle des HRG statt. Mit der Einführung der Juniorprofessur habe der Bund, so urteilte das Bundesverfassungsgericht heute, seine Kompetenzen überschritten.

Das Gesetz, das 2002 in Kraft trat, sah vor, dass ab 2010 die sechsjährige Juniorprofessur die Habilitation als Regelqualifikation für HochschullehrerInnen ablösen sollte. Die Bundesländer hätten bis 2005 diese Rahmenvorgaben in Länderrecht umsetzen müssen. Niedersachsen hat sich hierbei als Vorreiter hervorgetan: dort arbeiten 120 der inzwischen 600 JuniorprofessorInnen. In 9 Bundesländern wurden inzwischen Gesetze zur Einführung der Juniorprofessuren erlassen; Baden-Württemberg hat sich in der Angelegenheit zurück gehalten. Die Landesrektorenkonferenz Baden-Württemberg, die die Juniorprofessur nicht grundsätzlich ablehnt, erwartet aber vom Land, dass es bei der laufenden Novellierung des UG jetzt verstärkt auf die Gleichwertigkeit von Habilitation und Juniorprofessur achtet -- der derzeitige Entwurf sieht auch beide Qualifikationswege vor. In diesem Sinne hat sich Minister Frankenberg bereits geäußert.

Die von Berlin vorgesehene Reform ist für Karlsruhe zu detailliert und schränkt damit den Gestaltungsspielraum der Länder zu sehr ein. Dies ist in den Augen der Mehrheit der RichterInnen ein verfassungswidriger Eingriff in die Länderhoheit, weil der Bund nur über die Rahmenkompetenz im Hochschulfragen verfügt -- dies schließe aus, dass der Bund Detailvorschriften erlasse. In ihrem abweichenden Votum vertreten drei VerfassungsrichterInnen die Ansicht, dass der Bund sehr wohl über das Dienstrecht das Hochschulwesen umgestalten kann. Das Urteil vom 27.07. lege den Handlungsspielraum des Bundes so eng aus, dass keine Gestaltung mehr möglich sei.

Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) kritisiert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts unter Verweis darauf, dass die Karrierechancen junger DoktorandInnen sich unabhängig vom Bundesland gestalten sollten. Der fzs sieht in dem Urteil die Gefahr der völligen Provinzialisierung des Bildungswesens. Der fzs fordert eine Ausweitung der Bundeskompetenz im Hochschulbereich, damit zentrale Fragen einheitlich geregelt werden können, wenn nötig durch ein Grundgesetzänderung. Der fzs kritisierte allerdings auch die bisherige Umsetzung der Juniorprofessur: Das neue Dienstrecht werde, so der fzs, eingesetzt, um die Arbeitsbelastung von JungakademikerInnen zu erhöhen, was letztlich die erhofften positiven Impulse wirkungslos verpuffen lasse. Insofern garantieren also auch für den fzs die neuen gesetzlichen Regelungen keine Behebung der Missstände...

Die Karlsruher VerfassungsrichterInnen haben nicht nur die Regelungen die Juniorprofessur betreffend aufgehoben, sondern das gesamte 5. Änderungsgesetz zum HRG. Damit sind auch die stark umstrittenen Befristungsregelungen -- maximal 4 Jahre für WiHis, maximal 6+6 Jahre nach einem Abschluss -- zu Beschäftigungsverhältnissen im Hochschulbereich betroffen und vorerst wieder die früheren Bestimmungen des HRG von 1998 in Kraft. Was das genau bedeutet, werden wohl Gerichte entscheiden müssen, denn bestehende Befristungen in Arbeitsverträgen werden nicht automatisch unwirksam, es wird zu Unsicherheiten kommen, wenn Leute sich in eine bessere Situation einklagen wollen. Besonders betrifft dies etwa LektorInnen, deren Verträge von den Unis mit Hilfe des HRG von 2002 befristet werden konnten. (LektorInnen sind die Leute, in der Regel MuttersprachlerInnen, die an den Hochschulen den Sprachunterricht geben.) Das bereits bestehende Durcheinander wird mit Sicherheit zunehmen, wenn nebenher befristete Verträge nach dem HRG vor der 5. Änderung, nach dem HRG "neu" nach der 5.Änderung, nach dem wiederbelebten HRG vor der 5. Änderung und vielleicht bald auch nach dem HRG nach einer anstehenden 7. Änderung bestehen

Das Bundesverfassungsgericht hat nicht darüber befunden, ob Juniorprofessuren überhaupt sinnvoll sind. Die in den Ländern eingeführten Gesetze zur Juniorprofessur gelten daher weiterhin, denn den Ländern bleibt es unbenommen, Juniorprofessuren einzuführen -- viele Länder werden dies auch in Ergänzung zur Habilitation tun, wenn sie es nicht schon bereits getan haben. Ohne Juniorprofessur kann man jetzt also auch in Zukunft wieder eine ordentliche Professur bekommen -- ob man es auch mit kann, wird sich zeigen. Völlig sinnlos und eine reine Fleißübung, wie von GegnerInnen oft dargestellt, muss eine Habilitiation nicht immer sein. Allerdings kann sie zum Hindernis für NachwuchswissenschaftlerInnen werden (oder gar eingesetzt werden), weshalb sie bereits jetzt zum Teil durch andere oder vergleichbare Leistungen ersetzt werden konnte. In der Diskussion durchdringen sich mehrere Ebenen, wobei die Sachebene, auf der es um den wissenschaftlichen Nachwuchs geht, nicht immer die wichtigste ist.

Man sollte das Urteil auch vor einem allgemeineren Hintergrund sehen: im Bildungsbereich werden derzeit zwischen Bund und Ländern die "Claims" neu abgesteckt. Dies zeigt sich zum Beispiel in der aktuellen Diskussion um nationale Bildungsstandards und Ganztagsschulen im Schulbereich (die letzte große bundesweite Schuldiskussion war vermutlich die um reformierte Oberstufe). Aus dem Hochschulbereich hat sich der Bund bis 1969 ganz heraus gehalten hatte. Erst im Zuge der Veränderungen im Hochschulbereich Anfang der 70er Jahre wurde die Rahmenkompetenz des Bundes im Hochschulbereich ins Grundgesetz aufgenommen und durch verschiedene Institutionen und Regelungen (vor allem das HRG von 1976) ausgestaltet. Dieses "bewährte" System wurde dann auch in den neuen Bundesländern eingeführt -- inclusive der sich bewährenden Streitpunkte: die Länder sind auf Bundesgeld (v.a. für die Forschung und für den Hochschulbau) angewiesen, wollen sich aber nicht so viele Vorschriften machen lassen und vor allem Einrichtungen auf ihrem Territorium gefördert sehen. Kaum eine Rolle spielen in den Diskussionen -- es sei hier nur mal wieder erwähnt -- weitere AkteurInnen, zum Beispiel im Schulbereich die Kommunen oder im Hochschulbereich die Studierenden.

Es geht also nicht nur um die Juniorprofessur. Deshalb ist es kein Widerspruch, wenn die Länder die Juniorprofessur einführen, aber eine Bundesregelung ablehnen. Diejenigen, die mit der Juniorprofessur die Qualität des wissenschaftlichen Nachwuchses gefährdet sehen und im Namen des Föderalismus die Vielfalt beschwören, müssen sich aber auch daran messen lassen, was sie für den wissenschaftlichen Nachwuchs tun und welche Rahmenbedingungen sie ihm zur Qualifikation bieten. Auf die Frage, wie einheitlich oder wie uneinheitlich das Bildungssystem gestaltet sein soll, sollte aber eine ernsthafte Antwort gefunden werden -- bei der Einführung der europaweit einheitlichen Bachelor- und Masterstudiengänge sind sich die Länder inzwischen einig, dass es sich um eine tolle Sache handelt. Viele VerterterInnen der Studierenden sind weiterhin dagegen, sie sehen die Gefahr, dass dies primär zu Lasten der Studienqualität geht. Die Gefahr des Qualitätsverlustes sehen auch HochschullehrerInnen in der Einführung der Juniorprofessur; dass es die Habilitation in anderen Ländern der Welt nicht gibt, spielt jedoch keine Rolle in ihrer Argumentation. Frau Bulmahn hat unterdessen bereits eine neue Novelle des HRG angekündigt. Wir dürfen gespannt sein, welche Formen des Umgangs Bund und Länder entwickeln und welche -- und wessen -- Ziele ausschlaggebend sein werden.

Mit Spannung kann man auch auf das Urteil zum so genannten Studiengebührenverbot des Bundes erwarten. Auch hiergegen klagen Bundesländer unter Berufung auf eine Einschränkung ihrer Gestaltungsfreiheit -- hier wollen sie eher weg vom bisherigen Zustand. Die unionsregierten Länder machen aus ihren Plänen, Studiengebühren ab dem ersten Semester zu erheben, schon lange kein Geheimnis mehr.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 30.09.2004, 26.01.2005, 16.02.2005


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